# taz.de -- Kommunalwahlen in Polen: Große Kluft zwischen Stadt und Land
       
       > Bei den Regional- und Kommunalwahlen zeigt sich die Spaltung: Auf dem
       > Land gewinnt die PiS, in den Städten die Mitte-links-Regierungskoalition.
       
 (IMG) Bild: Charmeoffensive mit Herz: Polens Ministerpräsident Donald Tusk und der Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski
       
       WARSCHAU taz | Die Wahlnacht in Polen war rauschend. Alle lagen sich in den
       Armen, küssten sich begeistert auf die Wangen und klopften sich anerkennend
       auf die Schultern. Der Sekt floss in Strömen. Denn: Verlierer gab es bei
       den polnischen Regional- und Kommunalwahlen am Sonntag keine. Zwar gelang
       es der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) [1][von Premier Donald
       Tusk] nicht, die nationalpopulistische Oppositionspartei Recht und
       Gerechtigkeit (PiS) einzuholen, dennoch wird sie in den meisten der Sejmiki
       (Landtage) der 16 Wojewodschaften regieren können.
       
       Das Zauberwort heißt „Koalition“. Während die PO wie bereits im Oktober
       2023 in den Parlamentswahlen mit dem christlich-agrarischen Dritten Weg und
       der Neuen Linken zusammengehen kann, bleibt der PiS als möglicher
       Koalitionspartner nur die rechtsextreme Konföderation. Zwar soll es die
       endgültigen Wahlergebnisse erst am Mittwoch geben, doch die
       Nachwahlbefragungen des Instituts Ipsos gelten als vertrauenswürdig.
       
       Mit landesweit 33,7 Prozent der Wählerstimmen liegt die PiS bei den
       Sejmiki-Wahlen an erster Stelle. Knapp folgt ihr die PO mit 31.9 Prozent,
       dann mit 13,5 Prozent das Parteienbündnis Dritter Weg aus der Bauernpartei
       PSL und der christdemokratischen Partei Polska2050 und mit 6,8 Prozent die
       Neue Linke aus Sozialdemokraten (SLD), dem rot-grünen Wiosna (Frühling) und
       der unabhängigen Linken Razem (Gemeinsam). Der potenzielle
       Koalitionspartner der PiS, die Konföderation, kam auf 7,5 Prozent, während
       die „Parteilosen Kommunalpolitiker“ mit gerade mal 2,7 Prozent eine herbe
       Niederlage einstecken mussten.
       
       Die Kluft zwischen Stadt und Land in Polen ist groß. Während auf dem Land
       die PiS nach wie vor die meisten Wähler mit ihren nationalpopulistischen
       Parolen anspricht, [2][überzeugen die PO, der Dritte Weg und die Neue Linke
       vor allem die Städter mit ihren proeuropäischen, sozialliberalen und
       minderheitenfreundlichen Argumenten.] So fuhr Stadtpräsident Rafał
       Trzaskowski (PO) in Polens Hauptstadt Warschau mit fast 60 Prozent
       Zustimmung eines der besten Ergebnisse ein.
       
       ## „Teuflisch schwierige Aufgaben“ für Tusk
       
       „Wir verdanken diesen großen Erfolg den vielen Warschauern, die sich
       mobilisieren ließen und zu den Wahlen gingen“, so Trzaskowski am Wahlabend.
       „Doch wir brauchen diese Mobilisierung jeden Tag. Denn es geht nicht nur um
       die Wahlen. Vor Premier Tusk, vor der ganzen Regierung [3][liegen teuflisch
       schwierige Aufgaben], die wir alle gemeinsam angehen müssen.“ In Danzig,
       der liberalen Hochburg an der Ostsee, konnte Stadtpräsidentin Aleksandra
       Dulkiewicz (PO), mit über 62 Prozent Zustimmung sogar ein noch besseres
       Ergebnis als Trzaskowski feiern.
       
       „Ich brauche keine Feuerwerke“, sagte Dulkiewicz direkt nach Bekanntgabe
       der Ipsos-Prognosen. „Ich träume von einem normalen Danzig, einem Danzig,
       in dem wir alle gut leben können, und ich weiß, dass ich das auch erreichen
       kann.“ Beide – Trzaskowski und Dulkiewicz – haben damit ihre Wiederwahl
       schon in der Tasche und müssen am 21. April nicht in die Stichwahl zwischen
       Erst- und Zweitplatzierten.
       
       Diese zweite Runde steht den meisten Stadtpräsidenten- und
       Bürgermeister-Kandidaten bevor. Zur großen Überraschung aller gewann in
       Krakau, der nach Warschau zweitgrößten Stadt Polens, Aleksander Miszalski
       (PO) knapp 40 Prozent der Wählerstimmen. Dabei hatten alle Umfragen den
       unabhängigen Kandidaten Lukasz Gibala vorne gesehen. Am Sonntag kam er aber
       nur auf gerade mal 28,4 Prozent.
       
       Möglicherweise trug der Wahlkampfauftritt von Premier Donald Tusk für den
       PO-Mann in Krakau zur Stimmenwanderung bei. Die Medien hatten landesweit
       über die Charmeoffensive Tusks berichtet. Beide Krakauer Kandidaten werden
       in der Stichwahl in zwei Wochen erneut gegeneinander antreten. Die PO
       hofft, demnächst auch in dieser prestigeträchtigen Stadt regieren zu
       können. Für viele Großstädte, insbesondere aber für die mittleren und
       kleinen, gibt es keine Ipsos-Prognose, sodass hier auf das endgültige
       Wahlergebnis am Mittwoch gewartet werden muss.
       
       8 Apr 2024
       
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