# taz.de -- Krisenbewältigung in Österreich: Forderung nach Energiepreisdeckel
       
       > Auch in Österreich dreht sich die politische Debatte um Energiekrise und
       > Inflation. Manche Konservative klingen auf einmal wie Sozialdemokraten.
       
 (IMG) Bild: Kinder bei der Einschulung in Wien: In diesem Jahr wird das Füllen der Schultüte besonders teuer
       
       WIEN taz | „Wir kommen langsam an unsere Grenzen“, warnt Anna Parr von der
       österreichischen Caritas mit Blick auf die eigenen Kapazitäten, anderen
       Menschen zu helfen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Diakonie
       und der SPÖ-nahen Volkshilfe appellierte Parr am Montag an die
       österreichische Bundesregierung, wirksame Maßnahmen gegen die Teuerung zu
       treffen. Kinder und Jugendliche sollten jetzt Ferien machen und das Leben
       genießen, so Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger. Stattdessen seien viele
       Kinder belastet und würden sich sorgen, weil sie wissen, dass das Geld für
       ihre Familien nicht ausreicht: „Die Teuerung ist für viele
       existenzbedrohend.“
       
       Als wäre es zeitlich abgesprochen, legte die Statistik Austria am Tag
       darauf die offiziellen Zahlen vor. Im Juni wurde demnach eine Inflation von
       8,7 Prozent verzeichnet – die höchste seit der Energiekrise im September
       1975. Preistreiber sind – wie damals – die Energieträger. Auswirkungen auf
       fast alle Artikel des täglichen Bedarfs blieben nicht aus. Der Preis des
       Miniwarenkorbs, der neben Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auch
       Treibstoff enthält, stieg im Jahresvergleich um fast 19 Prozent. Experten
       rechnen mit einem weiteren Anstieg der Teuerung bis zum ersten Quartal
       2023.
       
       Die Kosten, die mit Schulbeginn auf die Familien zukommen, werden mit einem
       Zuschuss von 120 Euro aus dem Sozialministerium [1][teilweise abgefeder]t.
       Aber wirkliche Existenzängste lösen die Energierechnungen aus, die bei
       immer mehr Menschen unbezahlt auf der To-do-Liste landen. Die Regierung von
       ÖVP und Grünen steht zunehmend unter Handlungsdruck.
       
       Dementsprechend forsch tritt die Opposition auf. SPÖ-Chefin Pamela
       Rendi-Wagner fordert zum wiederholten Mal eine Senkung der Umsatzsteuer auf
       Lebensmittel sowie der Mineralölsteuer, während Herbert Kickl von der
       rechten FPÖ die Sanktionen gegen Russland als Wurzel allen Übels
       identifiziert und eine sofortige Normalisierung der Beziehungen zum
       Kriegsherrn Putin begehrt: Österreich solle mit Ungarn eine „Partnerschaft
       der Vernunft gegen die moralische Heuchlerei der EU“ eingehen.
       
       ## Konservative für Energiepreisdeckel
       
       Druck auf Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kommt aber nicht nur von der
       Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen. Mehrere Landeshauptleute,
       die sich bald Wahlen stellen müssen, sind mit populistischen Rezepten an
       die Öffentlichkeit gegangen. Allen voran Johanna Mikl-Leitner, die in
       Niederösterreich mit absoluter Mehrheit regiert und als starke Frau hinter
       dem Kanzler gilt. Mit ihrer Forderung nach einem [2][Energiepreisdeckel]
       klang sie, als wäre sie ins Lager der Sozialdemokraten gewechselt.
       
       Für Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) tut sich eine Kluft zwischen
       ökonomischer Vernunft und politischem Sachzwang auf: „In der aktuellen Lage
       prognostizieren uns die Experten, dass die ökonomischen Nachteile einer
       nationalen Preisdeckelung überwiegen. Wir müssen aufpassen, dass die
       Maßnahmen der Politik gegen die Teuerung nicht unserer Gesellschaft und
       letztlich den Menschen mehr schaden als helfen.“ Die Erfahrungen mit einer
       Treibstoffpreisdeckelung in Deutschland und Ungarn sind ernüchternd und die
       energiepolitische Vernetzung mit den Nachbarländern würde bewirken, dass
       die österreichischen Steuerzahler letztlich auch Konsumenten jenseits der
       Grenzen subventionieren würden.
       
       Einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma hat Gabriel Felbermayr, der Chef des
       unabhängigen Instituts für Wirtschaftsforschung (wifo), gewiesen. Er
       schlägt vor, die Energierechnungen zu begrenzen, aber gleichzeitig Anreize
       zum Energiesparen zu setzen. So sollen die Strom- und Gasrechnungen für
       durchschnittliche Haushalte um nicht mehr als 10 oder 20 Prozent steigen.
       Energieversorger, so Felbermayr, sollten „einen Teil des Energieverbrauchs
       der Haushalte kostenfrei abgeben, für den Rest aber Marktpreise
       verrechnen.“
       
       Damit ist er nicht weit entfernt von Wolfgang Katzian, dem
       sozialdemokratischen Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
       (ÖGB), der jedem Haushalt den Grundbedarf für Kochen, Heizen, Waschen
       subventionieren will: „Wer darüber hinaus Strom und Gas verbraucht, weil er
       oder sie etwa einen Pool beheizt oder die Klimaanlage 24 Stunden lang
       durchlaufen lassen will, zahlt für diesen Mehrverbrauch den weitaus höheren
       Marktpreis.“ Als angemessen schwebt ihm ein Preis von 20 Cent pro
       Kilowattstunde vor. Zur Finanzierung der Subvention sollten, so Katzian,
       die durch die Preissteigerungen [3][generierten Übergewinne von
       Energieversorgern abgeschöpft werde]n. Das können sich auch die Grünen gut
       vorstellen. In den nächsten Tagen will die Regierung über alle auf dem
       Tisch liegenden Vorschläge beraten.
       
       20 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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