# taz.de -- Österreichs hausgemachte Energiekrise: Wien verspekuliert sich
       
       > Österreich muss seinen größten Energieversorger vor der Pleite retten.
       > Der wurde von den steigenden Preisen kalt erwischt.
       
 (IMG) Bild: Das Bürohaus von Wien Energie in der österreichischen Hauptstadt
       
       WIEN taz | Die SPÖ-Chefin hatte schon angenehmere Auftritte. Kurz vor dem
       live gesendeten ORF-Sommergespräch mit Oppositionsführerin Pamela
       Rendi-Wagner war ein Skandal geplatzt. Verantwortlich war sie zwar nicht.
       Die nötige Sachkenntnis, ihn zu erklären, hatte Rendi-Wagner aber auch
       nicht. Die Wien Energie (WE), zu hundert Prozent Eigentum der SPÖ-regierten
       österreichischen Bundeshauptstadt, steht am Rande der Pleite. Aus eigenem
       Verschulden, wie sich nach und nach herauskristallisiert.
       
       In einer als Energiegipfel getarnten Krisensitzung mit
       Regierungsmitgliedern und Chefs der Energieversorger hatte WE-Vizechef
       Peter Weinelt Sonntagnacht einen dringenden Finanzbedarf von 1,7 Milliarden
       Euro angemeldet. Vielleicht aber auch von 6 oder von 8 Milliarden. So viel
       war selbst am Folgetag nicht ganz klar.
       
       Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will nun den größten Energieversorger
       des Landes mit Krediten vor dem Kollaps bewahren. WE beliefert rund zwei
       Millionen Haushalte in Wien und Umgebung mit Gas und Strom. Anders als die
       Energieversorger in den Bundesländern erzeugt der Konzern aber kaum eigenen
       Strom, sondern kauft auf dem freien Markt ein. Während etwa die Tiroler
       Tiwag mit ihren Wasserkraftwerken zuletzt Gewinne einfuhr, wurde WE von den
       rasant gestiegenen Gaspreisen kalt erwischt.
       
       Vor einem Jahr kostete die Megawattsunde Strom noch 86 Euro, inzwischen zum
       Teil über 1.000. Unglücklicherweise hat die WE auf fallende Preise
       spekuliert und dreimal mehr Energie verkauft, als sie liefern konnte. Um
       weitere Termingeschäfte tätigen zu können, brauchte sie nun dringend
       Kautionen in Milliardenhöhe. Der Fall weckt Erinnerungen an den Gas-Händler
       Uniper in Deutschland, der zuletzt 60 Millionen Euro Verlust am Tag
       schrieb: Hier sollen ein Teileinstieg des Staates und die Gasumlage
       verhindern, dass Versorger pleitegehen, weil sie [1][ausgefallene
       Lieferungen aus Russland teuer am Markt nachkaufen] müssen.
       
       Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke wies am Montag den Vorwurf
       unverantwortlichen Handelns oder gar spekulativer Geschäfte zurück. „Es ist
       immer dieser Mix zwischen Kaufen und Verkaufen des Handels entscheidend
       dafür, das beste Produkt zu generieren“, sagte er. So habe auch Wien
       Energie gearbeitet. Alles sei „ordnungsgemäß abgelaufen“. Eine bessere
       Erklärung hatte am Dienstag Finanzombudsmann Gerald Zmuegg im
       Ö1-„Mittagsjournal“. Für ihn hat sich Wien Energie verspekuliert.
       
       ## Rücktritt von Wiens Bürgermeister gefordert
       
       Das Unternehmen habe das Eineinhalbfache seiner Jahresproduktion an der
       Börse verkauft und mögliche Marktschwankungen nicht ausreichend
       berücksichtigt: „Man hätte sehen müssen, dass das den Liquiditätsbedarf
       überschreitet“, sagte Zmuegg. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der für
       das Desaster politisch verantwortlich ist, verließ seine Tauchstation erst
       nach zwei Krisensitzungen und spielte dann die Auswirkungen der
       Beinahe-Pleite herunter. „Das Allerwichtigste“ sei ihm die
       [2][Versorgungssicherheit der Wiener]. Er hatte schon am 15. Juli WE ein
       Darlehen von 1,4 Milliarden Euro bewilligt. Warum er das so lange vor der
       Öffentlichkeit verborgen hatte, sagte er nicht.
       
       Vertreter der anderen Parteien verlangten „Konsequenzen“, „volle
       Aufklärung“ und den Rücktritt von OB Ludwig. Energieministerin Leonore
       Gewessler (Grüne) will nun sämtliche Energieversorger durchleuchten lassen,
       um ein „detailliertes Bild des Sektors zu erhalten“. Zudem verwies sie auf
       den EU-Energieministerrat am 9. September, wo eine europäische Lösung gegen
       hohe Strompreise gesucht werden soll.
       
       30 Aug 2022
       
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