# taz.de -- Hohe Profite, hohe Energiepreise: Brüssel für Steuer auf Extragewinne
       
       > Gas, Öl und Strom sind teuer. Davon profitieren die Konzerne. Brüssel
       > will eingreifen, ist aber nicht zuständig. Deutschland will einen anderen
       > Weg gehen.
       
 (IMG) Bild: Großer Bedarf nach Norwegens Gasvorkommen: Die Gasförder- und -aufbereitungsanlage in Aukra
       
       BRÜSSEL taz | Angesichts explodierender Gas-, Strom- und Benzinpreise sowie
       hoher Gewinne der Energiekonzerne prüft die EU-Kommission mehrere Optionen
       zur Einführung einer [1][Übergewinnsteuer]. Dies sagte EU-Kommissarin Věra
       Jourová bei einer Aussprache im Europaparlament in Straßburg. Auch der neue
       tschechische EU-Vorsitz signalisierte Unterstützung.
       
       Die sogenannte „Windfall Profits Tax“ werde von der EU-Kommission auf ihre
       Machbarkeit geprüft, sagte Jourová. Es gehe um eine „koordinierte
       Herangehensweise“ in den 27 EU-Staaten. Für die Steuerpolitik sind die
       Mitgliedsländer zuständig. Brüssel will so verhindern, dass es zu
       nationalen Alleingängen oder Marktverzerrungen kommt.
       
       Bei der Aussprache im EU-Parlament setzten sich vor allem die Grünen für
       eine Übergewinnsteuer ein. „Während alle Bürger*innen von hohen Preisen
       und Millionen von Menschen von Energiearmut betroffen sind, machen einige
       Konzerne extrem hohe Profite“, sagte der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen.
       Dies könne nicht so weitergehen.
       
       Deshalb müssten die Profite stärker besteuert werden. Die Einnahmen aus
       einer neuen Steuer sollten für Entlastungen der Bürger und in den Ausbau
       der erneuerbaren Energien gesteckt werden. Konkret fordert Andresen eine
       Übergewinnsteuer von 50 Prozent, die möglicherweise auch rückwirkend
       erhoben werden könnte.
       
       ## Schon in Italien und Rumänien
       
       Für eine Sondersteuer sprachen sich auch die Sozialdemokraten aus. „Diese
       neue Steuer würde die Regierungen mit zusätzliche Finanzressourcen
       ausstatten, um die sozialen Folgen der Energie- und Wirtschaftskrise
       abzufedern“, sagte Jonás Fernández, wirtschaftspolitischer Sprecher der
       S&D-Fraktion im Europaparlament.
       
       Italien und Rumänien hätten die Übergewinnsteuer bereits eingeführt, so
       Fernández, bald werde Spanien folgen. In Deutschland wird die Steuer seit
       geraumer Zeit diskutiert. SPD und Grüne sind grundsätzlich dafür,
       allerdings sträubt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
       vehement gegen ihre Einführung. Die Liberalen sind gegen Steuererhöhungen.
       Außerdem verweisen sie darauf, dass krisenbedingt hohe Gewinne nicht nur
       bei Mineralölkonzernen, sondern auch bei Impfstoffherstellern oder den
       Produzenten von Solar- und Windenergie anfielen.
       
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat lange für die
       Übergewinnsteuer geworben, setzt nun aber auf andere Instrumente. So will
       er die Konzerne nun mit dem [2][Kartellrecht] zur Ordnung rufen. In der
       ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ kritisierte der Grünen-Politiker am
       Mittwochabend zwar die Spekulation auf dem Energiemarkt. Die
       Übergewinnsteuer erwähnte er aber nicht mehr.
       
       ## 430 Milliarden Dollar Einnahmen
       
       Die Extragewinne der Konzerne könnten sich nach Schätzungen der
       Internationalen Energieagentur in diesem Jahr auf bis zu 200 Milliarden
       Euro addieren. Die Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich schätzt, dass
       sich die Gewinnmarge der Raffinerien infolge der Krise verdreifacht habe.
       Die Treibstoffpreise hätten sich im Juni gegenüber der Zeit vor dem
       Ukrainekrieg vom Rohölpreis entkoppelt.
       
       Die EU diskutiert bereits seit dem vergangenen Herbst über mögliche
       Maßnahmen gegen die Energiekrise, die bereits vor dem Krieg eingesetzt
       hatte. Beim letzten EU-Gipfel Ende Juni konnten sich die Staats- und
       Regierungschefs jedoch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die
       tschechische EU-Vorsitz hat nun eine Krisensitzung der Energieminister für
       den 26. Juli einberufen.
       
       Nach Berechnungen von Oxfam könnte eine Sondersteuer auf „Extraprofite“ der
       größten Unternehmen in den G7-Staaten insgesamt 430 Milliarden Dollar
       einbringen.
       
       7 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Volkswirt-ueber-Inflation-und-Uebergewinne/!5857726
 (DIR) [2] /Experte-ueber-das-Kartellrecht/!5862198
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Energiepreise
 (DIR) Inflation
 (DIR) Gasknappheit
 (DIR) GNS
 (DIR) Kartellrecht
 (DIR) Energiekrise 
 (DIR) Gaspreise
 (DIR) Olaf Scholz
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Steuern
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Regierung verschärft das Kartellrecht: Mehr Rechte für Wettbewerbshüter
       
       Künftig sollen Konzerne zerschlagen werden können, die ihre
       marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Erzielte Vorteile können abgeschöpft
       werden.
       
 (DIR) Österreichs hausgemachte Energiekrise: Wien verspekuliert sich
       
       Österreich muss seinen größten Energieversorger vor der Pleite retten. Der
       wurde von den steigenden Preisen kalt erwischt.
       
 (DIR) Energiekrise und Kostenexplosion: SPD will Härtefallfonds aufstocken
       
       Fraktionschef Saleh will bis zu einer Milliarde Euro für in Not gerate
       Berliner zur Verfügung stellen. Dafür sollen weniger Schulden getilgt
       werden.
       
 (DIR) Scholz stellt sich Fragen im Bundestag: Kanzler im Krisenmodus
       
       Die Befragung des Kanzlers im Bundestag dreht sich dieses Mal nicht um
       Waffen für Kiew, sondern um die hohe Inflation und ihre Folgen.
       
 (DIR) Änderung des Kartellrechts: Habeck schreckt ab
       
       Die vom Wirtschaftsminister geplante Verschärfung des Kartellrechts greift
       noch nicht beim Tankrabatt. Doch das Vorhaben hat abschreckende Wirkung.
       
 (DIR) Debatte um Übergewinnsteuer: Freie Fahrt für Ölkonzerne
       
       Immer mehr Politiker:innen von SPD und Grünen fordern eine
       Extrasteuer auf Krisengewinne, wie es sie in Italien und Großbritannnien
       gibt. Doch die FDP mauert.