# taz.de -- Lehren aus der Flutkatastrophe: Wie sich Deutschland schützen kann
       
       > Forscher und Umweltschützer fordern Konsequenzen aus dem Hochwasser: mehr
       > Klimaschutz, mehr Flussauen und Umsiedlungen aus gefährdeten Tälern.
       
 (IMG) Bild: Kleidung gegen die Flut in Schuld, aufgenommen mit einer Drohne
       
       BERLIN taz | „Das“, sagt Karsten Smid, Klimaexperte der Umweltorganisation
       Greenpeace, „ist der Fukushima-Moment der fossilen Energien.“ Er glaubt,
       oder besser: hofft, dass die durch Starkregen verursachten
       [1][Überschwemmungen] mit mehr als 100 Toten zu einem schnellen und
       konsequenten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas führen – ähnlich wie die
       Reaktorkatastrophe in Japan 2011, die zum Verzicht auf Atomkraft führte.
       
       Denn dass der Klimawandel das Wetter stärker ausschlagen lässt, ist in der
       Wissenschaft weitgehend Konsens. „Schon vor über 30 Jahren haben
       Klimamodelle vorhergesagt, dass Extremniederschläge häufiger werden,
       während Tage mit schwachem Regen seltener werden“, sagt Professor Stefan
       Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Das ist eine
       Folge der Physik: Pro Grad Erwärmung kann die Luft 7 Prozent mehr
       Wasserdampf aufnehmen und dann auch abregnen.“ Umweltschützer kritisieren,
       dass die bisher weltweit vereinbarten Reduktionen des
       Treibhausgas-Ausstoßes nicht reichten, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu
       begrenzen. Ab dieser Marke sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich
       größer.
       
       Auch Deutschland hat sich Kritikern zufolge bisher zu wenig an die
       Erderhitzung angepasst. Die konventionellen Ansätze zum Schutz vor extremen
       Niederschlägen reichten nicht aus, warnt etwa Boris Lehmann, Professor für
       Wasserbau und Hydraulik an der Technischen Universität Darmstadt. „Das
       zeigen uns die aktuellen schlimmen Folgen solcher Ereignisse.“
       
       Besonders dringend muss etwas in Tälern geschehen, die sehr stark von
       Überschwemmungen gefährdet sind. „Wir müssen in bestimmten Städten in
       Tallagen Umsiedlungen vornehmen. In der Klimakrise, in der wir stecken,
       sind manche Häuser und Ortschaften nicht mehr haltbar“, warnt
       Greenpeace-Aktivist Smid. „Wir müssen sie für unbewohnbar erklären.“
       
       „Dörfer, Städte und Landschaften sollten wie Schwämme konzipiert werden“,
       rät Christian Kuhlicke, Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
       in Leipzig. „Jeder Kubikmeter Wasser, der nicht über die Kanalisation in
       Flüsse eingeleitet wird, trägt zur Abflachung von Hochwasserwellen bei.“
       Begrünte Dächer zum Beispiel könnten dazu beitragen, aber auch mehr offene,
       also nicht etwa durch Asphalt versiegelte Flächen. Außerdem mehr Bäume,
       mehr Auen oder mehr Kuhlen in Parks, die Wasser speichern können. Möglich
       seien auch unterirdische Speicherhallen.
       
       Rückstauklappen, druckdichte Fenster und Türen sowie Balken vor den
       Eingängen könnten verhindern, dass das Wasser in gefährdete Gebäude
       eindringt. „Die Konzepte liegen vor und der Nutzen solcher Maßnahmen ist
       belegt. Die Umsetzung allerdings gestaltet sich bisher zäh“, kritisiert
       Kuhlicke. „Weder wird genügend informiert und aufgeklärt, noch wird
       Gebäudeschutz belohnt.“ Er empfiehlt „ein groß angelegtes
       Klimaanpassungsprogramm für Gebäude“ und klarere Gesetze für den
       Hochwasserschutz in Städten.
       
       ## Länder weisen Vorwürfe zurück
       
       Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert, dass Auen
       nicht mehr als Äcker genutzt werden, damit sich der Wasserrückhalt der
       Böden verbessert. „Außerdem müssen Feuchtgebiete und Moore flächendeckend
       erhalten und wiederhergestellt werden.“ So viele Flüsse wie möglich sollen
       „entgradigt“ werden, damit große Wassermassen in die Auen ausweichen
       können. Der BUND verlangte eine Milliarde für mehr Naturschutz, welche die
       Bundesregierung und die in erster Linie zuständigen Länderregierungen für
       Renaturierungsmaßnahmen nutzen müssten.
       
       Die Umweltministerien der besonders von den aktuellen Überschwemmungen
       betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wiesen aber
       Vorwürfe zurück, sie hätten den Schutz vor Hochwasser vernachlässigt. Alle
       verwiesen auf Projekte, die sie schon haben, zum Beispiel zur Erstellung
       von örtlichen Schutzkonzepten oder zur Renaturierung von Flüssen. Fest
       steht aber auch, dass sie die Katastrophe dieser Woche nicht verhindern
       konnten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte, die
       Anpassung an den Klimawandel ähnlich wie den Küstenschutz gesetzlich als
       Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu verankern.
       
       17 Jul 2021
       
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