# taz.de -- Maßnahmen für Klimaneutralität 2045: Fifty Shades of Green
       
       > Drei Thinktanks präsentieren 50 Hebel für Klimaneutralität 2045: Regeln,
       > Subventionen und Preise für „grünen und günstigen“ Umbau.
       
 (IMG) Bild: Die Forderung: 14 Millionen E-Autos bis 2030
       
       BERLIN taz | Es ist ein „Angebot an die politischen Parteien“, das diese
       eigentlich nicht ausschlagen können: Um das große Ziel der Klimaneutralität
       2045 zu erreichen, präsentierten am Donnerstag die Thinktanks Agora
       Verkehrswende, Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität
       [1][„Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland“. Darin finden
       sich „50 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode“.] Sie fassen zusammen,
       was die Thinktanks in den letzten Monaten an Studien und juristischen
       Expertisen veröffentlicht haben. Und das war eine Menge.
       
       Rasches Handeln sei jetzt gefragt – nicht nur, weil die Klimakrise drängt,
       sondern auch, weil Unternehmen Verlässlichkeit bräuchten für den „Erfolg
       auf den Märkten von morgen“, sagte Rainer Baake, Chef der Stiftung
       Klimaneutralität. Dazu gehörten klare Regeln, um Fehlinvestitionen zu
       vermeiden: etwa Klarheit, dass der Einsatz fossiler Anlagen spätestens „am
       1. Januar 2045“ zu enden habe.
       
       Baakes Negativbeispiel: [2][Kohlekraftwerke], die erst vor zwölf Jahren ans
       Netz gingen, nur um jetzt mit viel Steuergeld geschlossen zu werden. Baake
       betonte, mit einem Mix aus „CO2-Bepreisung, Ordnungsrecht, Fördermaßnahmen
       und steuerlichen Anreizen kann eine innovative und zugleich sozial
       ausgewogene Transformation der deutschen Volkswirtschaft in Richtung
       Klimaneutralität gelingen“.
       
       Die nächste Regierung, so die Forderung, solle ihre gesamte Politik auf
       Klimaneutralität ausrichten: Gesetze oder die anstehenden Überprüfungen von
       Bundesverkehrswegeplan und Netzausbau sollten das Ziel von netto null im
       Jahr 2045 mitdenken – und bei diesen Plänen mit einem CO2-Preis von 195
       Euro rechnen.
       
       Neben den konkreten Vorschlägen für Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude
       und Landwirtschaft seien auch „übergreifende“ Maßnahmen wichtig: Das
       Klimaschutzgesetz müsse regeln, dass bei Überschreitung des jährlichen
       CO2-Budgets automatisch die CO2-Preise steigen. Auch müssten Steuern,
       Abgaben und Umlagen umgestellt werden, sodass sie nicht weiter fossile
       Energieträger begünstigten.
       
       ## Tschüss, EEG-Umlage
       
       Im Einzelnen schlagen die ExpertInnen außerdem vor: Bis 2030 soll Ökostrom
       einen Anteil von 70 Prozent haben und [3][die EEG-Umlage verschwinden]; ein
       nationaler Mindestpreis für die Tonne CO2 beim Strom von anfangs 50 Euro
       führe zu einem Kohleausstieg schon 2030; 2 Prozent der Landesfläche werden
       für Windanlagen ausgewiesen; die Konflikte wegen Flächen, Artenschutz und
       Klagen werden gebündelt und in kürzeren Verfahren gelöst; Neubauten
       bekommen Solardächer; und der Zugang zu eigenem Solarstrom wird einfacher.
       
       In der Industrie sollten grüne Märkte etwa für Wasserstoff unterstützt
       werden sowie Abschreibungsmöglichkeiten oder die Bezahlung von Differenzen
       bei Ökoverfahren, und auch eine Regel für das Speichern von CO2 (CCS) müsse
       es geben. Beim Verkehr fordert das Gutachten 14 Millionen E-Autos bis 2030
       sowie einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Bahn. Außerdem: die
       Steuervorteile beim Fliegen zu streichen und ein Tempolimit von 130 km/h
       auf Autobahnen und 30 km/h in Städten einzuführen.
       
       Mit viel Geld will das Konzept außerdem die Sanierung von Gebäuden und den
       Absatz von Wärmepumpen voranbringen. Die höheren Preise durch den CO2-Preis
       sollten die Vermieter tragen. Und in der Landwirtschaft müssten die
       Tierbestände schrumpfen und mehr Moorflächen vernässt werden; tierische
       Lebensmittel sollten nicht mehr steuerbegünstigt sein.
       
       Die nächsten Jahre müssten eine „Legislaturperiode des Investierens“
       werden, so Patrick Graichen, Chef der Agora Energiewende. Die Politik müsse
       dafür sorgen, dass „Elektroautos günstiger sind als Verbrenner und
       Wärmepumpen günstiger als Gas- und Ölkessel“. Dafür müssten Förderungen und
       Verbote eingesetzt werden.
       
       ## CO2-Preis mit Deckel
       
       Auch ein CO2-Preis sei wichtig, aber nicht allein und bei Gebäuden und
       Verkehr mit einer Obergrenze von 100 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025: „Wer
       alles auf den Emissionshandel setzt“, sagte Graichen und meinte damit etwa
       die FDP, „wird Preise von bis zu 300 Euro die Tonne CO2 erleben – das wären
       etwa ein Euro mehr pro Liter Sprit.“ In den vergangenen Wochen hatten schon
       Pläne für Aufregung gesorgt, diesen Preis um 15 oder 16 Cent anzuheben.
       
       Das Konzept betont auch, wie wichtig der soziale Ausgleich für den Umbau
       zur Klimaneutralität sei: Es sei auch jetzt nicht gerecht, wenn ärmere
       Leute die Elektroautos der Reichen oder billige Anwohnerparkplätze über
       Steuern subventionierten, so Christian Hochfeld, Chef der Agora
       Verkehrswende. Mit Blick auf die Benzinpreisdebatte mahnte Hochfeld,
       PolitikerInnen sollten im Wahlkampf „nicht mit verkürzten Phrasen die
       Instrumente zerreden“, die sie nach der Wahl bräuchten, um die selbst
       gesteckten Klimaziele zu erreichen.
       
       17 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.agora-energiewende.de/presse/neuigkeiten-archiv/mit-50-massnahmen-zum-klimaziel/
 (DIR) [2] /Aktionswoche-fuer-Verkehrswende/!5776419
 (DIR) [3] /Klimaschutz-und-CO2-Preis/!5771987
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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