# taz.de -- Nach dem Krieg in Gaza: Sind zwei Staaten die Lösung?
       
       > Der Nahostkonflikt ist militärisch nicht zu lösen. Joe Biden drängt auf
       > die Zweistaatenlösung. Für einen politischen Vorstoß braucht es neue
       > Führungen.
       
 (IMG) Bild: Bringt die Zweistaatenlösung wiederholt und mit Vehemenz ins Spiel: US-Präsident Joe Biden, hier am 20.12. in Washington
       
       Lange wurde sie herbeigesehnt, dann belächelt und schließlich für tot
       erklärt. Doch jetzt ist sie zurück: die Idee von der Zweistaatenlösung. Vor
       allem ein Mann bringt sie wiederholt und mit Vehemenz ins Spiel:
       US-Präsident Joe Biden. In Israel verhält es sich anders. Viele in der
       Zivilgesellschaft, die lange für eine Zweistaatenlösung gekämpft haben,
       stecken derzeit [1][ihr Herzblut in andere Dinge].
       
       Sie versuchen, Aufmerksamkeit auf die noch [2][im Gazastreifen
       festgehaltenen Geiseln] zu lenken und die Regierung zu Verhandlungen zu
       bewegen. Sie arbeiten freiwillig auf den Feldern oder helfen denen, die aus
       dem Norden oder Süden evakuiert wurden. Einige von ihnen betrauern tote
       Familienangehörige und Freund*innen – und mitunter auch ihre früheren
       politischen Überzeugungen.
       
       Besatzungskritische Nichtregierungsorganisationen sind nicht verstummt, sie
       fordern nach wie vor eine politische Lösung, jetzt mehr denn je, genauso
       wie kritische Analyst*innen. Doch vielen Menschen jenseits organisierter
       Strukturen hat es die Sprache verschlagen. Sie denken gerade nicht über
       Perspektiven und Lösungen nach. Auf beiden Seiten ist die Zustimmung zur
       Zweistaatenlösung nach dem 7. Oktober [3][in Talfahrt].
       
       Dass die ohnehin nicht große Beliebtheit der Zweistaatenlösung aktuell
       zusätzlich Schaden nimmt, verwundert nicht. Ein Grund dafür dürfte auch
       sein, dass ihre Umsetzung zu diesem Zeitpunkt als Sieg der Hamas
       missinterpretiert werden könnte. Sie könnte als Sieg all derer gedeutet
       werden, die [4][die Gräueltaten der Hamas], das konzertierte Morden und
       Vergewaltigen, als legitimes Mittel im palästinensischen Befreiungskampf
       betrachten. Eine Vorstellung, die schwer zu ertragen ist.
       
       ## Friedensvorstöße kamen von rechten Politikern
       
       Der momentanen politischen Atmosphäre zum Trotz scheint eine
       Zweistaatenlösung in diesen Tagen wieder näher zu sein als in den
       vergangenen fast 30 Jahren seit der Ermordung von Regierungschef Jitzhak
       Rabin im November 1995. Vorsicht ist allerdings geboten bei dem Argument,
       es werde die israelische Rechte, nicht die israelische Linke sein, die den
       Frieden bringt. Eine These, die von einigen Analyst*innen und
       Politiker*innen vertreten wird.
       
       Auch der Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Mohammed Odeh,
       erklärte noch kurz vor dem 7. Oktober, dass die linken, friedensbewegten
       Parteien gescheitert seien. Sie hätten „[5][Angst, als Verräter betrachtet
       zu werden“]. Für diese These spricht, dass der Frieden mit Ägypten erst
       unter der rechten israelischen Regierung von Menachem Begin erreicht werden
       konnte.
       
       Und die Auflösung aller israelischen Siedlungen im Gazastreifen sowie den
       kompletten Truppenabzug 2005 aus der Küstenregion trieb ausgerechnet der
       Hardliner Ariel Scharon voran. Dass jedoch dieser Glaubenssatz vom „rechten
       Frieden“ für die jetzige extrem rechte Regierungskoalition gilt, ist kaum
       vorstellbar. Radikalideologischen Siedlern wie den Ministern Itamar
       Ben-Gvir und Bezalel Smotrich geht es vor allem um eines: Gott und dessen
       Auftrag, das Land vom Mittelmeer bis zum Jordan jüdisch zu besiedeln.
       
       Frieden, inklusive die Gründung eines palästinensischen Staates, passt
       nicht in ihr Konzept. Klar ist aber auch: Der von der Rechten versprochene
       Weg, Israel Sicherheit zu bringen und den Konflikt militärisch lösen zu
       können, ist gescheitert. Es gibt nunmehr zwei Möglichkeiten. Ein „wir oder
       sie“ – oder eine politische Lösung. Und wenn irgendwann, langsam, die
       Wunden anfangen zu heilen, oder zumindest etwas Zeit vergangen ist, wird
       sich – so ist zu hoffen – die Erkenntnis durchsetzen, dass der zweite Weg
       der einzige gangbare ist.
       
       ## Bidens Ungeduld wächst
       
       Die Hoffnung liegt auf den USA. Mit jedem Tag wird deutlicher, dass Israels
       Abhängigkeit um vieles größer ist, als Israels Regierung wahrhaben will.
       Netanjahu versucht seinen Wähler*innen weiszumachen, er bestimme über
       den Fortgang des Krieges. Dabei sind die Zeichen aus den USA deutlich. Noch
       stehen die Amerikaner an der Seite Israels, mit Flugzeugträgern,
       Waffenlieferungen in Milliardenhöhe und breitem Rücken, mit dem sie
       Kritiker*innen fernhalten.
       
       Doch die [6][wachsende Ungeduld von US-Präsident Joe Biden] ist deutlich
       spürbar und seine Forderung ist klar: Am Ende des Krieges muss der Weg für
       eine Zweistaatenlösung geebnet werden. Wenn Netanjahus Regierung diese
       Vorstellung nicht mitträgt, muss sie verändert werden. Die Regierung
       wohlgemerkt. Nicht die Vision. Ob Abbas mit seiner Palästinensischen
       Autonomiebehörde der Richtige ist, um Gaza zu kontrollieren, ist allerdings
       zweifelhaft. Auch im eigenen Volk mangelt es dem 88-Jährigen an Rückhalt.
       
       Gerade in den vergangenen Wochen präsentiert sich Abbas erkennbar hilflos.
       Eins ist sicher: Eine politische Lösung braucht nach allem, was passiert
       ist, Mut. Aber alles andere führt in den Abgrund.
       
       23 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Autor-Klein-Halevi-ueber-Israel/!5965041
 (DIR) [2] /Israelische-Geiseln/!5980359
 (DIR) [3] https://pcpsr.org/en/node/928
 (DIR) [4] /Angriff-auf-Israel/!5963370
 (DIR) [5] https://www.i24news.tv/en/news/middle-east/palestinian-territories/1694087919-palestinians-can-only-make-peace-with-the-israeli-right-wing
 (DIR) [6] https://www.haaretz.com/israel-news/2023-12-19/ty-article/.premium/biden-knows-that-netanyahu-is-not-a-partner-at-all-for-postwar-gaza/0000018c-81e8-d301-a3ac-87e9da380000
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
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