# taz.de -- Naturschutz scheitert in Nairobi: Immerhin reden sie weiter
       
       > Die Verhandlungen zu einem neuen Artenschutz-Abkommen enden enttäuschend.
       > Die Mitgliedsstaaten können sich nicht auf Ziele einigen.
       
 (IMG) Bild: Auch in den Ozeanen ist die Artenvielfalt bedroht
       
       BERLIN taz | Es wird weiter verhandelt. Das ist die beste Nachricht von den
       Vorverhandlungen über ein neues, globales Naturschutzabkommen, die am
       Wochenende in Nairobi zu Ende gegangenen sind. In der kenianischen
       Hauptstadt haben die Mitgliedsstaaten der Konvention zur Biologischen
       Vielfalt (CBD) in diesem Jahr nun schon den zweiten Versuch unternommen,
       sich auf einen Verhandlungstext zu einigen, den ihre Regierungen im
       Dezember verabschieden können. Wieder hat das nicht geklappt.
       
       „Der Verhandlungstext ist an vielen Stellen mit Klammern versehen, über die
       keine Einigkeit herrscht“, sagt Thilo Maack, Naturschutzexperte bei
       Greenpeace, „den kann man so nicht an die Konferenz der Mitgliedsstaaten
       verweisen“. Ein Beispiel: 30 Prozent der Meere sollen geschützt werden – in
       Klammern ist das Wörtchen „strikt“ eingefügt. „Was soll das?“, fragt Maack,
       „entweder man schützt es, oder man schützt es nicht“.
       
       Staaten wie China, Russland, Island oder Norwegen gehe es darum,
       Meeresgebiete auf dem Papier zu schützen, dort aber weiter Fischfang zu
       betreiben oder Tiefseebergbau zu beginnen. „Es gibt da diese riesige Lücke
       zwischen Ankündigungen und Handeln“, sagt Maack.
       
       Es sei nicht gar nichts erreicht worden, sagt Yves Zinngrebe, der die
       CBD-Verhandlungen für das Leipziger Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
       verfolgt hat. „Offenbar nähern sich die Parteien einer Antwort auf die
       Frage an, wie man den Zugang zu und der Gewinnbeteiligung an genetischen
       Ressourcen organisieren kann“, sagt Zinngrebe. Unter den derzeitigen
       gentechnischen Möglichkeiten ist das eine Voraussetzung dafür, die
       ökonomischen Potentiale genetischer Ressourcen gerecht zu verteilen. Gerade
       die Entwicklungsländer sähen das als eine Bedingung für ein Abkommen an.
       Diese Annäherung beim „Access und Benefit-Sharing“ sieht Zinngrebe als
       einen Fortschritt. Allerdings: „Jenseits davon sind wir nicht deutlich
       weiter gekommen, als wir mit den Zielen von Aichi waren“.
       
       ## Die nächsten vagen Ziele drohen
       
       Die Aichi-Ziele waren 2010 bei der letzten Vertragsstaatenkonferenz im
       japanischen Nagoya ausgehandelt worden. Sie hatten Ziele zum Schutz der
       Natur vorgegeben, die die Mitgliedsstaaten bis 2020 erreichen wollten.
       Eingehalten wurde allerdings kaum etwas, die Ziele wurden zu vagen
       Absichtserklärungen. Nun droht, laut Zinngrebe, folgendes
       Schreckensszenario: Die Aichi-Ziele von 2010 bis 2020 wurden nicht
       eingehalten. Die neuen Ziele von Montreal von 2022 bis 2030 werden genauso
       vage – und setzen dem ungebremsten Artensterben ebenfalls kein Ende. Und
       2030? Treffen sich die Mitgliedsstaaten der CBD an einem anderen hübschen
       Ort und denken sich neue Ziele aus.
       
       Wer könnte das Ruder herumreißen? Die reichen Industrieländer müssten dem
       Süden mehr Geld für Artenschutz zusagen, sagen Beobachter. Und China müsste
       die Präsidentschaft ernst nehmen und Führung zeigen.
       
       27 Jun 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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