# taz.de -- Netanjahu trifft Biden in den USA: Trotz Differenzen unerschüttert
       
       > Nach langem Warten hat Netanjahu am Rande der UN-Generalversammlung
       > US-Präsident Biden getroffen. Die Staatschefs brauchen einander
       > politisch.
       
 (IMG) Bild: US-Präsident Biden und Israels Premierminister Netanjahu am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung in New York
       
       JERUSALEM taz | Seit Jahrzehnten hat kein US-Staatschef einen israelischen
       Regierungschef so lange warten lassen: Gut neun Monate nach dessen
       Amtsantritt hat US-Präsident Joe Biden sich am Mittwoch mit Benjamin
       Netanjahu in New York getroffen. Biden betonte, er wolle die
       „demokratischen Werte, die unserer Partnerschaft zugrunde liegen,
       einschließlich der Gewaltenteilung“ ansprechen. Es waren vor allem die von
       Israels teils rechtsextremer Regierung forcierte Schwächung der Justiz
       sowie die Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland, die Biden
       Anfang des Jahres auf Distanz gehen ließen.
       
       Schon im März hatte dieser sich angesichts der Pläne für den Justizumbau
       ungewöhnlich deutlich geäußert: „Sie können so nicht weitermachen.“ Im
       [1][Juli schob er hinterher, das israelische Kabinett] sei „eines der
       extremsten, das ich je gesehen habe.“ Dass das Treffen nun so spät und
       nicht im Weißen Haus, sondern am Rande der UN-Vollversammlung stattfand:
       ein Hinweis darauf, dass die Beziehungen zu Israels wichtigstem Partner
       angeschlagen sind.
       
       Dessen war sich offenbar auch Netanjahu klar und stellte zu Beginn des
       Gesprächs fest: „Israels Verpflichtung für die Demokratie wird sich niemals
       ändern.“ Unabhängig davon betonte er ebenso wie Biden die Bedeutung einer
       möglichen Annäherung an Saudi-Arabien. „Ich glaube, unter Ihrer Führung,
       Herr Präsident, können wir ein historisches Abkommen zwischen Israel und
       Saudi-Arabien schmieden“, sagte Netanjahu.
       
       Den seit [2][neun Monaten anhaltenden Massenprotesten gegen die Reformpläne
       seiner Regierung] konnte Netanjahu aber auch in New York nicht entkommen.
       Während des Gesprächs mit Biden demonstrierten vor dem Hotel hunderte
       Menschen. „Rettet Israels Demokratie“, war auf ihren Schildern zu lesen.
       Angesichts der innenpolitischen Krise, die die israelische Gesellschaft auf
       eine Zerreißprobe stellt, wünschen sich mittlerweile rund 70 Prozent der
       Israelis einen Kompromiss.
       
       ## Biden braucht einen Erfolg
       
       Denn auch außenpolitisch steht viel auf dem Spiel. Für Netanjahu war die
       ausbleibende Einladung aus Washington eine Schmach. Für Israel ist das gute
       Verhältnis zu den USA fundamental wichtig. Das kleine Land erhält jährlich
       Finanzhilfen in Milliardenhöhe für seine Verteidigung. Davon wird unter
       anderem das Abwehrsystem „Iron Dome“ mitfinanziert, das Raketenangriffe aus
       dem Gazastreifen oder dem Libanon abfängt. Mit Blick auf die Beziehungen
       beider Länder stellte Biden klar, sein Bekenntnis zu Israel sei trotz
       „einiger Differenzen“ unerschütterlich.
       
       Für einige seiner außenpolitischen Vorhaben ist der US-Präsident auf die
       israelische Regierung angewiesen, etwa um die Normalisierung zwischen
       Israel und Saudi-Arabien voranzutreiben. Im kommenden Jahr stehen in den
       USA Präsidentschaftswahlen an und bisher habe Bidens Regierung kaum etwas
       vorzuweisen, sagt Yonatan Freeman, Experte für internationale Beziehungen
       an der Hebräischen Universität Jerusalem. „Biden braucht einen Erfolg. Und
       eine Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien steht dabei ganz oben
       auf der Liste.“ Unter Vermittlung von Bidens Vorgänger [3][Donald Trump
       hatte Israel im Rahmen der sogenannten Abraham-Abkommen] seine Beziehungen
       zu mehreren arabischen Staaten normalisiert.
       
       Aber dafür möchte die saudische Regierung in Riad wohl Zusagen Israels an
       die Palästinenser. Wie Netanjahu diese von seinen palästinenserfeindlichen
       Koalitionspartnern wie Finanzminister Bezalel Smotrich oder dem Minister
       für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir bekommen möchte, ist bisher
       unklar. Die lehnen jedes Entgegenkommen in dieser Frage weitgehend ab.
       
       Und auch aus seiner eigenen Partei, dem Likud, hatten kurz vor dem Treffen
       zwölf Parlamentsabgeordnete in einem offenen Brief vor Zugeständnissen an
       Riad gewarnt. Dass Biden und Netanjahu sich nun ein Stück weit
       entgegengekommen sind, ist eine Sache. Was Israels Regierungschef mit nach
       Hause nehmen will – und was er davon durchsetzen kann – steht auf einem
       anderen Blatt.
       
       20 Sep 2023
       
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