# taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Komposition als spontane Demokratie
       
       > Das Trio Accanto widmet sich mit seiner atonalen Kammermusik dem letzten
       > lebenden Vertreter der New York School Christian Wolff.
       
 (IMG) Bild: Christian Wolff bei einer Performance 2007
       
       Er ist der letzte lebende Vertreter der New York School. Christian Wolff
       zählte zum Zirkel von Avantgarde-Pionieren um John Cage, Morton Feldman und
       Earle Brown, einer der einflussreichsten Gruppen von US-amerikanischen
       Komponisten des 20. Jahrhunderts.
       
       Wolff soll unter anderem das bei Pantheon Books, dem Verlag seiner Eltern
       Helen und Kurt Wolff, herausgebrachte Buch „I Ging“ seinerzeit Cage
       geschenkt haben, mit spürbaren Folgen für dessen Kompositionsweise.
       
       Wolff, der seit 1999 zur Akademie der Künste in Berlin gehört, war und ist
       der am wenigsten offensichtlich radikale in dieser radikalen Schule. Das
       heißt nicht, dass er konventionelle Musik schreiben würde, was immer das
       sein soll.
       
       Als Komponist weitgehend Autodidakt, lernte er bei seiner Klavierlehrerin
       Grete Sultan und bei Cage, beruflich war er vorwiegend Altphilologe. Er
       lehrte am renommierten Dartmouth College, im Englischen nennt sich sein
       Fach „classics“.
       
       Man könnte auch Wolffs Ansatz in dem Sinn klassisch nennen, dass er sich
       weniger stark an der Grenze zwischen Ton und Geräusch abarbeitet wie sein
       Kollege Cage, sondern die Töne oft in recht herkömmlicher Weise spielen
       lässt.
       
       Dafür ist bei ihm die Grenze zwischen exakt ausformulierter und
       improvisierter Musik umso mehr Thema in seinen Werken, ein Aspekt, der bei
       Wolff politisch motiviert ist und mit Fragen des Verhältnisses von
       Kollektiv und Individuum zu tun hat.
       
       Das Trio Accanto mit der Besetzung Saxofon, Klavier und Schlagzeug arbeitet
       seit Jahren mit Christian Wolff zusammen, in ihrer jüngsten Einspielung
       widmen sich die drei Musiker ausschließlich seiner Musik. Das 2017
       entstandene „Trio IX“ hat er ihnen gewidmet, es ist freundliche,
       unaufdringlich atonale Kammermusik, scheinbar durch nichts zu erschüttern
       und darin auf beiläufige Art erhaben.
       
       Für die Aufnahme saß Wolff mit im Studio, um die Aushandlungsprozesse zu
       begleiten, aus denen vor allem die „Exercises“ hervorgingen. Spontane
       Entscheidungen der Musiker bestimmen die Form der Stücke, bei denen sie aus
       kleinen musikalischen Figuren auswählen. So kann Demokratie klingen.
       
       24 Oct 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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