# taz.de -- Neues Infektionsschutzgesetz: Parlament als Bremsklotz
       
       > Das neue Infektionsschutzgesetz wurde zu eilig durchgewunken. Es wäre
       > auch angebracht gewesen, dem Parlament mehr Rechte zu geben.
       
 (IMG) Bild: Angela Merkel spricht mit Abgeordneten im Bundestagsplenum
       
       Faktisch entscheiden die Ministerpräsidenten der Bundesländer und die
       Kanzlerin in ihrer regelmäßigen Runde, wie es in der Pandemie weitergeht.
       Die Akteure dieses Gremiums sind natürlich demokratisch durch Wahlen
       legitimiert – doch dieses Gremium ist in der Verfassung nicht vorgesehen.
       Das Parlament wiederum hat bei den konkreten Entscheidungen nichts zu
       melden. Dieser Missstand wurde kürzlich klar, als Kanzlerin Merkel im
       Bundestag vortrug, was beschlossen, aber eben vom Bundestag nicht mehr zu
       ändern war.
       
       Die Regierung neigt dazu, im Parlament einen Bremsklotz zu sehen, der das
       Nötige durch langwierige Debatten verzögert. Zudem fußte die
       Pandemiebekämpfung bislang auf Verordnungen – ein angesichts der Tragweite
       der Maßnahmen für die Demokratie unerfreulicher Zustand. Deshalb ist gut,
       dass der Bundestag jetzt ein Gesetz beschließt, das dies ändert. Aber die
       Art, wie dies passiert, ist verstörend, das Ergebnis unbefriedigend.
       
       Zu Beginn der Pandemie war Gefahr im Verzug und schnelles Handeln des
       Staates gefragt. Das neue [1][Infektionsschutzgesetz] wird aber ein
       Dreivierteljahr nach Ausbruch der Pandemie verabschiedet. Und doch muss es
       plötzlich ganz schnell gehen. Das Gesetz wurde nach der Expertenanhörung
       eilig ausgebessert. Doch wo Einschränkungen von Bürgerrechten verhandelt
       werden, ist Zeitdruck schädlich.
       
       Mag sein, dass die Coronamaßnahmen rechtlich nun auf festerem Grund stehen
       und Gerichte Einschränkungen nicht so leicht kippen werden. Für das
       Parlament ist das kein guter Deal. Die SPD wollte mehr [2][Mitsprache des
       Bundestags] – die Union sperrte sich dagegen: Der Handlungsspielraum der
       Regierung dürfe nicht eingeschränkt werden. Das aber ist eine Logik des
       Notstands, die nicht mehr passt, wenn die Einschränkungen noch monatelang
       erforderlich sind.
       
       Kein Missverständnis: Es geht nicht darum, dass das Parlament eine gute
       Figur macht, um volkspädagogisch auf [3][Querdenker] einzuwirken. Diese
       Szene entfernt sich immer mehr von jedem vernünftigen Diskurs. Sie wird
       nicht ausgegrenzt, sie grenzt sich selbst aus. Außerdem kapern zusehends
       Rechtsextreme die Proteste. Die Groko aber verpasst mit diesem Gesetz eine
       Gelegenheit. Nachvollziehbare Kriterien für Anticoronamaßnahmen?
       Fehlanzeige. Ob Restaurants offen sind oder geschlossen werden, das werden
       weiterhin Kanzlerin und MinisterpräsidentInnen entscheiden. Das Parlament
       darf später darüber debattieren. Es wäre klug gewesen, dem Bundestag mehr
       Rechte zu geben. Das ist an der Union gescheitert, die SPD hat klein
       beigegeben. Man wird sich das merken.
       
       18 Nov 2020
       
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