# taz.de -- „Palästina-Kongress“ in Berlin: „Betätigungsverbot“ für Varoufakis?
       
       > Die Bundesregierung soll gegen Griechenlands Ex-Finanzminister einen
       > Maulkorb verhängt haben. Die Behörden widersprechen. Die Veranstalter
       > kritisieren den Abbruch ihrer Konferenz.
       
 (IMG) Bild: Yanis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister von Griechenland
       
       Das Bundesinnenministerium soll gegen den ehemaligen griechischen
       Finanzminister Yanis Varoufakis ein Betätigungsverbot ausgesprochen haben.
       Das behauptete der Politiker am Samstag auf der Plattform X. Seine Partei
       und die Veranstalter der „Palästina-Konferenz“ sagten der taz auf Anfrage,
       das habe ihnen die Berliner Polizei mitgeteilt. Das Bundesinnenministerium
       (BMI) wollte das am Samstag gegenüber der taz aber nicht bestätigen.
       
       Der griechische Politiker sollte am Freitag bei dem umstrittenen
       „Palästina-Kongress“ in Berlin sprechen. Die Polizei hatte die
       Veranstaltung am Freitag jedoch zwei Stunden nach Beginn aufgelöst. Die bis
       zu 250 Kongressteilnehmer wurden am frühen Abend aufgefordert, den Saal zu
       verlassen. Auf der Plattform X schrieb Varoufakis am Samstagnachmittag, ihm
       sei auch untersagt worden, per Zoom zu den Teilnehmern zu sprechen. Er
       postete seine Videobotschaft, die in Berlin ausgestrahlt werden sollte,
       stattdessen bereits am Freitagabend auf der Plattform X.
       
       Neben Varoufakis wurden im Zuge der „Palästina-Konferenz“ auch gegen den
       Autor Salman Abu Sittah und den Arzt und Rektor der Universität Glasgow,
       Ghassan Abu Sittah, Betätigungsverbote ausgesprochen. Ghassan Abu Sitta,
       der in Berlin darüber berichten wollte, was er als Arzt bei seinem Einsatz
       mit Ärzte ohne Grenzen in Gaza erlebt hatte, war mehr als drei Stunden am
       Berliner Flughafen festgehalten worden. Ihm wurde die Einreise verweigert,
       er musste umgehend nach London zurückkehren.
       
       ## Varoufakis und Israel
       
       Yanis Varoufakis ist Generalsekretär der paneuropäischen Partei „Democracy
       in Europe Movement 2025 (DiEM25), die er 2016 in der Volksbühne Berlin
       vorstellte. Für diese kandidiert er für das Europaparlament. Karin de Rigo,
       die Spitzenkandidatin des deutschen DIEM-Ablegers MERA25, sagte der taz,
       „wir sind entschlossen, uns von Einschüchterungstaktiken nicht abschrecken
       zu lassen“. Man werde sich für die Rechte der Palästinenser in Deutschland
       und ab Juni auch in Brüssel einsetzen. Das Vorgehen der deutschen Behörden
       erinnere „auf unheimliche Weise an eine dunklere Periode der deutschen
       Geschichte“.
       
       Ein Betätigungsverbot ist ein scharfes Schwert, das nur in besonderen
       Fällen eingesetzt wird. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im
       September 2014 ein Betätigungsverbot gegen die Terrormiliz „Islamischer
       Staat“ ausgesprochen. Am 2. November 2023 verfügte Bundesinnenministerin
       Nancy Faeser ein Betätigungsverbot der Terrororganisation Hamas.
       
       Die Veranstalter des „Palästina-Kongresses“ in Berlin haben die das
       Vorgehen der Polizei am Freitag scharf kritisiert. Demokratische Rechte
       seien ausgehebelt worden, sagten sie am Samstag während einer
       Pressekonferenz. Die Rechtsanwältin Nadija Samour sagte am Samstag für die
       Veranstalter, die Polizei habe völlig unverhältnismäßig entschieden.
       Geringere Maßnahmen seien möglich gewesen. Jeglicher Versuch, die
       Versammlung zu schützen, sei von der Polizei torpediert worden. Es habe
       keine strafbaren Äußerungen gegeben, was die Polizei auch eingeräumt habe.
       
       ## Protest sammelt sich auf der Straße
       
       Das Betätigungsverbot sei dem Veranstalter nicht bekannt gewesen und erst
       kurz vorher mitgeteilt worden. Aus Sicht der Veranstalter war die
       Polizeimaßnahme rechtswidrig. Sie haben bei der Polizei Widerspruch
       eingelegt, um die eigentlich bis Sonntag geplante Versammlung fortsetzen zu
       können.
       
       Am Samstag demonstrierten zahlreiche Menschen gegen die Auflösung des
       Kongresses. Die Berliner Morgenpost berichtete von 1.700 Menschen mit
       Palästinaflaggen und Kufiya-Schals sowie Schildern und Plakaten
       sozialistischer Organisationen. Es waren Parolen zu hören wie „Viva, viva
       Palästina“, „Palästina will never die“ oder „Israel bombardiert –
       Deutschland finanziert“. Unweit der Demo protestierte eine kleine Gruppe
       von Menschen mit Israel-Flaggen.
       
       Die Polizei war mit rund 900 Kräften in der Stadt im Einsatz, überwiegend
       bei der Demonstration. Die Berliner Polizei hatte dazu zusätzliche Beamte
       aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern angefordert.
       
       Anmerkung: 
       
       In einer früheren Version hieß es, das BMI und die Berliner Polizei hätten
       das Betätigungsverbot gegenüber der taz bestätigt. Die Polizei hatte
       gegenüber der taz zunächst auf das BMI verwiesen, das BMI auf die Berliner
       Senatsverwaltung für Inneres. Beide hatten zunächst aber auch nicht
       dementiert, dass ein Betätigungsverbot gegen Varoufakis vorliege. Eine
       Sprecherin der Berliner Innenverwaltung antwortete auf eine entsprechende
       Anfrage am Samstagabend, ein Betätigungsverbot gegen Herrn Varoufakis sei
       vom LEA (Landesamt für Einwanderung) als nachgeordnete Behörde der
       Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht verfügt worden.
       
       13 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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