# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Die Luft ist raus
       
       > Auf ihrer Wahlparty zeigt sich Le Pen schmallippig, kündigt aber an, „den
       > Kampf weiterführen“ zu wollen. Der Champagner „Marine Présidente 2022“
       > bleibt zu.
       
 (IMG) Bild: Verabschiedet sich nach wenigen Sätzen rasch wieder von der Bühne: die unterlegene Marine Le Pen
       
       PARIS taz | Um 20.49 Uhr huscht [1][Marine Le Pen], so blass wie ein
       Gespenst, eine schmale Stiege zu ihren Getreuen im ersten Stock hinauf.
       Hier im Pavillon d’Armenonville, einem ehemaligen Jagdschlösschen im
       weitläufigen Bois de Boulogne im exklusiven Westen von Paris, wollte die
       nun schon zum dritten Mal unterlegene ewige und rechtsextreme
       Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National allen Umfragen zum
       Trotz für sich und 500 geladene Gäste die Champagnerkorken knallen lassen. 
       
       Hier um die Ecke ist die selbsternannte Beschützerin des „wahren
       Frankreichs“ vor fast 54 Jahren auch zur Welt gekommen, im wohlhabenden
       Neuilly-sur-Seine, alles andere als proletarisch ist ihre Herkunft.
       
       Um 20.01 Uhr sind [2][rund 58 Prozent] der Wähler für Macron und nur knapp
       42 Prozent für Le Pen. „Ich akzeptiere das Ergebnis“, sagt sie schmallippig
       nur ein paar Minuten später, als sie auf das Podium steigt mit der
       Aufschrift „Für alle Franzosen“. Fast mechanisch liest sie eine kurze,
       extrem unspontane Rede vom Blatt ab und kündigt an, weiterkämpfen zu
       wollen. Dass es mit dem Cuvée „Marine Présidente 2022“ nichts werden würde,
       hatte Madame sich wohl schon vorher ausgerechnet.
       
       „Es hätte ein Geist der Freiheit durch Frankreich wehen können, es ist
       anders gekommen“. Marine Le Pen hätte sich, wäre sie Präsidentin geworden,
       unter anderem die „Freiheit“ genommen, Menschen, die im Land leben und
       arbeiten, aber keinen französischen Pass haben, Wohnung und
       Sozialleistungen zu streichen. [3][Sie hätte die französische Verfassung]
       demontiert und sie hätte muslimischen Frauen wohl verboten, ihr Kopftuch in
       der Öffentlichkeit zu tragen. 
       
       ## Auch Macrons Party kommt nicht so recht in Gang
       
       Es ist noch einmal anders gekommen – „fünf bessere Jahre im Dienste unseres
       Landes“ strebt in seiner sehr übersichtlichen Dankesrede vor dem Eiffelturm
       der wiedergewählte Macron an, der sich als Präsident „aller Geschlechter“
       sieht. Kein Vergleich mit seiner rauschenden, monarchisch anmutenden
       Siegesparty 2017 am Pariser Louvre. Dass Macrons Programm „Nous tous“ (Wir
       alle) gleich ab Montagfrüh eine permanente Zerreißprobe für das Land werden
       wird, spürt man schon auf den Fernsehbildern vom Eiffelturm, die das Team
       von Le Pen dann doch noch ins Pressezentrum im Park einspeisen lässt. So
       recht will die Party auch bei dem ebenfalls polarisierenden Macron, der für
       viele Wähler:innen aus purer Vernunft schließlich die zweite Wahl war,
       nicht in Gang kommen – letztlich dominiert bange Erleichterung statt
       ekstatischem Jubel. 
       
       Zurück ins Jagdschlösschen. Im Hintergrund des Podiums steht krude winzig
       auf Französisch der Schriftzug „Präsidentschaftswahlen 2022“. Im
       Vordergrund dampft in einer Gruppe der 67-jährige Taxifahrer Dominique
       seine E-Zigarette bei einem Krabbenschnittchen. „Ich bin in vierter
       Generation Pariser, auch wenn in dieser Stadt des Luxus nicht viele Marine
       wählen“. Le Pen habe ein Herz und mache sich einen Kopf für die „einfachen
       Leute“, aber besonders die „verwöhnte Jugend“ hier wolle das nicht
       kapieren. „Die werden schon noch sehen, Macron vollendet sein Teufelswerk
       des Sozialabbaus“.
       
       ## Die „Harmonie“ nehme man ihr „leider nicht ab“
       
       Maryam, Kassiererin bei Lidl in der Pariser Banlieue, nickt, „wir leiden
       seit fünf Jahren unter Macron, jetzt geht es weiter, da hilft auch kein
       linker Mélenchon“. Die Schwarze Frau, die vor fünf Jahren aus der
       Elfenbeinküste nach Frankreich kam und nach eigenen Angaben „unter Macron
       eingebürgert“ wurde, verstaut die ausgeteilte französische Flagge in ihrer
       großen Handtasche, dann strebt sie zum Ausgang. „Ich bin tief enttäuscht.“
       
       Das ist auch Steven, 30, der mit seiner Frau Melanie aus der Region Lille
       zur Wahlparty angereist ist. Er trägt wie gefühlt fast alle Männer, die
       hier eindeutig in der Überzahl sind, einen marineblauen Anzug. „Marine
       steht für Sicherheit und Harmonie“, sagt er, „das nehmen ihr nur leider
       viele nicht ab“.
       
       Ist notiert, und wie steht es um die Finanzierung ihrer vielen vollmundigen
       Versprechen vor der Wahl? „Die hätte sie alle einlösen können, weil sie ja
       diese dummen Windräder zur Energiegewinnung alle verboten hätte.“ Und dann?
       „Dann wären 48 Millionen oder 48 Milliarden Euro freigeworden zum
       Ausgeben“. Steven stutzt kurz, dann nimmt er noch einen Schluck vom
       Marine-Champagner. „So genau weiß ich das jetzt gerade auch nicht mehr.“
       
       24 Apr 2022
       
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 (DIR) Harriet Wolff
       
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