# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Brüssel macht sich Sorgen
       
       > Präsident Macron hatte ehrgeizige Ziele für Frankreichs EU-Ratsvorsitz.
       > Sein knapper Sieg bei der Präsidentschaftswahl könnte das jetzt bremsen.
       
 (IMG) Bild: Die EU befürchtet, Macron könnte nach den Wahlen im Juni nicht mehr ungestört „durchregieren“
       
       BRÜSSEL taz | Die Champagnerkorken haben nicht geknallt, als das Ergebnis
       der französischen Präsidentschaftswahl in Brüssel bekannt wurde. Zwar
       beeilte sich die EU-Spitze, Emmanuel Macron zu seiner Wiederwahl zu
       beglückwünschen: Nur vier Minuten nach der Schließung der Wahllokale
       twitterte Ratspräsident Charles Michel schon ein „herzliches Bravo“ an den
       „lieben Emmanuel Macron“. Kurz darauf gratulierten auch Kommissionschefin
       Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.
       
       Doch in die Freude mischte sich zugleich die Sorge, dass der Präsident
       künftig nicht mehr so ungestört „durchregieren“ könnte wie gewohnt. Denn
       die EU-Gegner sind nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich längst nicht
       besiegt – im Gegenteil. Die ersten fünf Jahre unter Macron hätten
       Populisten und Extreme stärker gemacht, warnt der Fraktionschef der
       konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU): „Macron ist
       wiedergewählt, sein politisches Konzept ist gescheitert.“
       
       Der europäische Grünen-Sprecher Rasmus Andresen nennt das gute Abschneiden
       der Rechtspopulistin Marine Le Pen einen „Warnschuss für ganz Europa“. Bei
       der Parlamentswahl im Juni könnte Le Pen sogar noch stärker werden, so die
       Sorge in Brüssel. Auch Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon dürfte eine Revanche
       versuchen. Macron werde sich deshalb in den nächsten Wochen auf die
       Innenpolitik konzentrieren, erwartet ein EU-Diplomat.
       
       Für die Europapolitik ist das ein Problem. Schließlich hat Frankreich noch
       bis Ende Juni den sechsmonatigen EU-Ratsvorsitz inne. Und da stehen
       wichtige Themen auf der Tagesordnung. Der Krieg in der Ukraine, der Streit
       um ein Öl- und Gasembargo gegen Russland, die explodierenden Energiepreise
       und die Inflation rufen nach europäischen Lösungen.
       
       ## Kraft zu Reformen?
       
       Schon in fünf Wochen, Ende Mai, ist ein EU-Sondergipfel in Brüssel geplant.
       Wird Macron dann handlungsfähig sein? Wird er in der Außenpolitik wieder
       den Ton angeben, wie vor dem Ukrainekrieg? Oder bleibt Frankreich, ähnlich
       wie Deutschland, in der Defensive? Geben künftig Polen und Balten den Ton
       in der EU an, wie zuletzt im Streit um die Waffenlieferungen in der
       Ukraine?
       
       Das sind nur einige der vielen Fragen, die man sich in Brüssel stellt.
       Unklar ist auch, ob Macron noch die Kraft finden wird, die laufende
       Konferenz zur Reform der EU zu einem guten Ende zu führen. Vor allem das
       Europaparlament hofft auf einen Impuls aus Paris. Die Konferenz müsse in
       einen Reformkonvent münden und Vertragsänderungen vorbereiten, fordert der
       Rechtswissenschaftler Sven Simon. „Es wird darauf ankommen, dass sich
       Macron an seine Sorbonne-Rede erinnert“, sagt der CDU-Europaabgeordnete. In
       der Pariser Universität hatte Macron vor fünf Jahren eine tiefgreifende
       EU-Reform gefordert.
       
       Doch im Wahlkampf war davon keine Rede mehr. Auch in der Dankesrede nach
       seiner Wiederwahl am Sonntagabend legte Macron den Akzent nicht auf Europa.
       Die EU begeistert nicht mehr – dabei hat Macron einige seiner Versprechen
       bereits umgesetzt. Unter französischem EU-Vorsitz wurde die Macht der
       Internetkonzerne beschnitten, eine CO2-Grenzsteuer auf den Weg gebracht und
       die europäische Verteidigung vorangetrieben. Keine schlechte Bilanz für die
       ersten vier Monate.
       
       In den restlichen zwei Monaten will sich Macron auch noch um die Reform der
       EU-Defizitregeln, die Förderung von Frauen in Aufsichtsräten und um die
       globale Mindeststeuer kümmern. Wegen eines Vetos aus Polen konnte sie
       bisher noch nicht umgesetzt werden. „Und dann ist da noch das große Thema
       der europäischen Souveränität“, betont ein EU-Diplomat. Vor dem
       Ukrainekrieg habe man darüber nur theoretisch gesprochen. „Doch nun ist
       es ein ganz heißes Eisen geworden.“ Bis Ende Juni kommt noch viel Arbeit
       auf Macron zu.
       
       25 Apr 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Pro-Europäer
 (DIR) EU-Ratspräsidentschaft
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
 (DIR) Emmanuel Macron
 (DIR) Frankreich
 (DIR) EU-Krise
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
 (DIR) Schlagloch
 (DIR) Jean-Luc Mélenchon
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Haftstrafe für Frankreichs Ex-Premier: Fillon muss ins Gefängnis
       
       Frankreichs Ex-Premier ist wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe
       verurteilt worden. Seit dessen Skandal taumelt seine konservative Partei
       gen Abgrund.
       
 (DIR) Neugestaltung der EU: Frischekur für Europa
       
       Um ihrer Müdigkeit zu entkommen, braucht die EU eine neue Verfassung.
       Entscheidend ist, die Bürger*innen mit ins Boot zu nehmen.
       
 (DIR) Linke Wahlunion in Frankreich: Frohe Botschaft
       
       Von Kommunisten bis Grüne: Die Allianz gegen Frankreichs Präsident Macron
       steht. Für die Parlamentswahl im Juni eröffnet das neue Perspektiven.
       
 (DIR) Le Pens Klientel: Die Wut von Franzosen
       
       Europa hat für die sich öffnende Schere von Arm und Reich keine Lösungen.
       Statt Wohnungspreise zu regulieren, hält die EU Spekulanten die Tür auf.
       
 (DIR) Wahlen in Frankreich: Mélenchon – der lachende Dritte?
       
       Bei der Präsidentschaftswahl schied der linke Politiker Jean-Luc Mélenchon
       in der ersten Runde aus. Nun will er die Parlamentswahlen im Juni gewinnen.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich: Der Präsident bleibt, die Wut auch
       
       Emmanuel Macron gewinnt in der Stichwahl als Favorit der Großstädte. Doch
       durch das Land verläuft ein tiefer politischer Graben.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich: Die Luft ist raus
       
       Auf ihrer Wahlparty zeigt sich Le Pen schmallippig, kündigt aber an, „den
       Kampf weiterführen“ zu wollen. Der Champagner „Marine Présidente 2022“
       bleibt zu.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich: Am Desaster vorbeigeschrappt
       
       Macron ist nicht wiedergewählt worden, weil er überzeugt hat. Den Sieg
       verdankt er Le Pen. Vor allem linke Wähler hoffen auf eine „dritte Runde“
       bei der Wahl im Juni.