# taz.de -- Protest gegen Bau der A 100 in Berlin: Verkehrswende bleibt Straßenkampf
       
       > Rund 500 Menschen demonstrieren am Sonntag gegen den Weiterbau der A100.
       > Das Klimabündnis will der drohenden schwarz-roten Regierung Kontra geben.
       
 (IMG) Bild: Protest am Sonntag in Berlin
       
       BERLIN taz | „Der Wind, der den Demonstrant*innen am Sonntag entgegen
       bläst ist eisig – und das nicht nur in meteorologischer Hinsicht. Die
       Aussicht auf eine [1][Landesregierung aus CDU und SPD] treibt die Berliner
       Klima- und Verkehrswendebewegung in Scharen auf die Straße: Trotz
       Schneetreibens folgen am Sonntagmittag mehr als 500 Menschen dem Aufruf
       eines breiten Bündnisses, das zu einer Fahrraddemonstration gegen den
       geplanten Ausbau der Stadtautobahn A100 aufgerufen hatte.
       
       „Klimaschutz können wir uns unter Schwarz-Rot abschminken“, konstatiert ein
       Redner bei der Auftaktkundgebung an der Hatun-Sürücü-Brücke in Neukölln.
       Unter lautem Geklingel und dröhnenden Bässen bewegt sich die Fahrradkolonne
       dann gegen 14.30 Uhr auf der von Wahlplakaten für den [2][Volksentscheid
       Berlin Klimaneutral] 2030 gesäumten Sonnenallee in Richtung Hermannplatz.
       
       Auch hier auf der Zwischenkundgebung ist die Meinung einhellig: Während man
       unter Rot-Grün-Rot noch Ansprechpartner*innen mit einem offenen Ohr
       für Klimaschutzanliegen hatte, drohe nun eine „Koalition der Untoten“ – mit
       überholten Ideen aus vergangenen Zeiten, die dennoch nicht totzukriegen
       seien.
       
       Welche das sind, hat Berlins CDU-Chef und möglicher neuer Regierender
       Bürgermeister Kai Wegner [3][am Wochenende bekannt gegeben]: Neben dem
       höchst umstrittenen Ausbau der A100 will Wegner auch die eigentlich qua
       Volksentscheid ausgeschlossene Randbebauung des Tempelhofer Felds per
       „Befragung von oben“ durchsetzen – obwohl das Landesrecht dies gar nicht
       hergibt.
       
       ## Schnellerer Neubau von Autobahnen geplant
       
       Die Wut der Klimaschützer*innen richtet sich am Sonntag jedoch nicht
       nur gegen Wegner, sondern auch gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing
       (FDP). Denn zur gleichen Zeit berät das [4][Bundeskabinett auf einer
       zweitägigen Klausur] im Schloss Meseberg in Brandenburg das
       „Infrastruktur-Beschleunigungsgesetz“. Es sieht unter anderem einen
       schnelleren Neubau von Autobahnen vor. Nicht nur Bundesumweltministerin
       Steffi Lemke (Grüne) befürchtet, dass dadurch umweltpolitische Belange
       unter die Räder kommen.
       
       Für das Bündnis Wald statt Asphalt, das für das Wochenende bundesweit zu
       Autobahnblockaden aufgerufen hatte, sind Wissings Pläne „ein Skandal“.
       Demnach soll mehr als 140 Autobahnprojekten mit einer Gesamtlänge von über
       1.300 Kilometern ein „überragendes öffentliches Interesse“ attestiert
       werden, sodass sie mit verkürzter Bürger*innenbeteiligung und
       Umweltverträglichkeitsprüfung durchgewunken werden können.
       
       Laut Umweltschutzverband Bund würde dies eine zusätzliche CO2-Belastung von
       mehr als 400.000 Tonnen pro Jahr und eine direkte Bedrohung von 80
       Naturschutzgebieten bedeuten.
       
       Ganz abgesehen von den hohen Ausgaben: In Berlin kostet die Stadtautobahn
       rund 220.000 Euro – pro Meter. Und das für ein Projekt, das nach Ansicht
       von Verkehrsforscher Andreas Knie völlig unnötig ist. „Die Wissenschaft
       sagt ganz klar, dass wir nicht noch mehr Autobahnen brauchen. Das, was wir
       haben, reicht aus“, sagt Knie zu den Fahrraddemonstrant*innen, die
       mittlerweile auf einem eigens für sie abgesperrten Abschnitt der
       Stadtautobahn angekommen sind und dem starken Wind trotzen. Die A100 weiter
       auszubauen sei angesichts der veränderten gesellschaftlichen Mobilität aus
       der Zeit gefallen und völliger „Irrsinn“, sagt Knie.
       
       ## Letzte Hoffnung Klima-Volksentscheid
       
       Während Knie redet, seilen sich im Hintergrund Klimaaktivist*innen
       von der Autobahnbrücke ab und hissen ein Banner mit der Aufschrift:
       „Abhängen ist kein Verbrechen“. Zuvor hatte eine junge Aktivistin den
       Anwesenden erklärt, wie man das am besten – und sichersten – anstellt.
       
       Der im Anschluss geplante How-to-Klimakleber-Workshop der Letzten
       Generation konnte allerdings nicht stattfinden, weil die Polizei bei den
       Aktivist*innen – wenig überraschend – Sekundenkleber gefunden hatte.
       Daraufhin hielten sie die jungen Menschen so lange in einer Maßnahme fest,
       bis die Kundgebung beendet ist.
       
       Das Demo-Bündnis, das unter anderem aus Fridays For Future, Changing
       Cities, Greenpeace und dem BUND besteht, zeigt sich trotzdem zufrieden.
       „Jetzt, wo klar ist, dass die Stadtregierung gegen die Klimaschutzbewegung
       arbeiten wird, sind Vernetzung untereinander und der Druck von der Straße
       umso wichtiger“, sagt Sprecher Tadzio Müller zur taz. Die A100 könne dabei
       so etwas wie das Symbol der Umweltbewegung werden, hofft er.
       
       Große Hoffnung setzen die Demonstrant*innen auch in den
       Klima-Volksentscheid am 26. März. Der könnte den Senat – egal unter wessen
       Führung – dazu verpflichten, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. Man
       gehe davon aus, dass jeder Senat den Willen der Bevölkerung umsetzen werde,
       so das Bündnis. „Ein klimaneutrales Berlin können wir nur gemeinsam
       erreichen – unabhängig von politischen Zugehörigkeiten“, so Sprecherin
       Jessamine Davis.
       
       5 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
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