# taz.de -- Protest gegen Vonovia: Ein gieriger Vermieter
       
       > Viele Vonovia-Mieter sind geschockt über hohe, nicht nachvollziehbare
       > Nebenkostenabrechnungen. Intransparenz gehört zur Geschäftspolitik des
       > Immobilienriesen.
       
 (IMG) Bild: Anders als beim Strom haben die Miter*innen bei Fernwärme keine Chance, den Anbieter zu wechseln
       
       BERLIN taz | Immer wieder fällt die Heizung aus, empört sich Martin
       Schmidt*. Der 31-Jährige lebt mit seiner Partnerin in einem Haus am
       Maybachufer in Neukölln, das dem Immobilienriesen Vonovia gehört. Dreimal
       wurde sogar schon der Feueralarm ausgelöst, weil der Vermieter die
       notwendige Wartung der Heizanlage nicht durchführt, wie Schmidt durch
       eigene Recherchen herausgefunden hat.
       
       „Hier geht Profit eindeutig vor Sicherheit,“ so seine Erfahrung. Wenn er
       direkt beim zuständigen Vonovia-Tochterunternehmen B&O anruft, habe er
       jedes Mal mit einer anderen Person zu tun. „Das ist ganz klar deren
       Masche“, ist der Mieter überzeugt. Einmal habe ihm ein Mitarbeiter sogar
       von sich aus geraten, einen Anwalt einzuschalten – offenbar gibt es auch
       Angestellte, die den Umgang ihres Arbeitgebers mit den Mietern inakzeptabel
       finden.
       
       In vielen anderen Vonovia-Häusern erhitzt die Heizung ebenfalls die
       Gemüter. In einem Wohnblock am Tempelhofer Damm flatterten den Mietern im
       Oktober exorbitant hohe Abrechnungen ins Haus. Bis zu 6.000 Euro
       Nachzahlung sollen sie für das Jahr 2022 leisten. „Und das, obwohl wir über
       einen Monat lang überhaupt nicht heizen konnten und auch sonst immer dicke
       Pullis angezogen haben“, berichtet eine Mieterin. Ein tschechischer
       Bautrupp, mit dem eine Verständigung fast unmöglich war, habe auf der
       Suche nach Rohren riesige Löcher in die Wände geschlagen. Erst auf massiven
       Druck der Bewohnerschaft seien die Wände verputzt und neu tapeziert
       worden.
       
       Auch in anderen Stadtteilen sind Vonovia-Mieter*innen geschockt über hohe
       Heizkostenrechnungen und nicht selten eine Verdreifachung der geforderten
       Vorauszahlungen. Ein Ärgernis für viele ist außerdem, dass der Konzern Geld
       für Dienstleistungen wie Hausmeister- und Gartenarbeiten in Rechnung
       stellt, von denen die Bewohnerinnen und Bewohner nie etwas mitbekommen
       haben.
       
       Mit etwa 550.000 Wohnungen ist Vonovia der mit Abstand größte Vermieter in
       Deutschland. Allein in Berlin gehören dem börsennotierten Unternehmen über
       135.000 Wohnungen. Großaktionäre sind verschiedene Pensionskassen,
       Vermögensverwalter sowie die Investmentgesellschaft Blackrock, für die der
       CDU-Vorsitzende Friedrich Merz früher den deutschen Aufsichtsrat leitete.
       Ganz klar: Die dahinterstehenden Leute wollen Rendite sehen. Kritische
       Aktionär*innen haben ausgerechnet, dass mehr als die Hälfte dessen, was
       die Vonovia-Mieter*innen zahlen, der Vermögensbildung der Anleger*innen
       dient.
       
       ## Profitmaximierung durch intransparente Geschäftstaktikten
       
       Nach längerem Würgen hat Vonovia [1][2021 den zweitgrößten Wohnungskonzern
       Deutsche Wohnen geschluckt] – allerdings nur zu 90 Prozent. Anders als bei
       einer vollständigen Übernahme musste Vonovia deshalb keine
       Grunderwerbssteuer zahlen, die dem Staat ansonsten eine Milliarde Euro
       gebracht hätte. Mit Gemeinwohl und Kundeninteresse hat der Konzern also
       nichts am Hut; im Fokus steht ausschließlich das Interesse der
       Anteilseigner.
       
       Weil das Unternehmen immer mehr Wohnungen gekauft und hohe Dividenden
       ausgeschüttet hat, kam die Zinswende ungelegen. [2][Vonovia hat einen hohen
       Schuldenberg und ist bei Neubauten noch zurückhaltender als vorher]. Manche
       vermuten, dass die hohen Vorauszahlungen der Mieter die Kasse füllen
       sollen.
       
       Offensichtlich überhöhte und völlig intransparente Nebenkostenabrechnungen
       gehören zur Geschäftspolitik. Dafür hat der Konzern zahlreiche
       Tochterunternehmen gegründet, die jeweils für bestimmte Dienstleistungen
       wie Heizkostenabrechnungen oder Hausmeistertätigkeiten zuständig sind. „Die
       Belege stammen häufig aus dem eigenen Vonovia-System. Ob und wie viel Geld
       da überwiesen wurde, ist oft nicht erkennbar“, beschreibt die Methode
       Daniel Zimmermann, der beim Deutschen Mieterbund für Großunternehmen
       zuständig ist.
       
       Anders als bei Kleinvermietern seien viele Nebenkosten bei Vonovia keine
       durchlaufenden Kosten, sondern sollen zum Gewinn beitragen. Er rät allen
       Mieter*innen, die Abrechnung genau zu prüfen und bei Ungereimtheiten vom
       Recht auf Einsicht der Belege Gebrauch zu machen. Zugleich seien bei einer
       Zurückhaltung von Zahlungen jedoch unbedingt bestimmte Formalien
       einzuhalten, um nicht die eigene Wohnung zu gefährden. Kann der Vermieter
       nachweisen, dass jemand mehr als einen Monat mit der Miete im Verzug ist,
       darf er kündigen. Zimmermann rät deshalb, auf jeden Fall zu reagieren und
       im Zweifel kundige Berater*innen einzuschalten.
       
       Was die hohen Heizkostenrechnungen angeht, sieht es für viele Berliner
       Mieter*innen allerdings nicht gut aus, denn etwa 40 Prozent der
       Wohnungen in der Stadt werden mit Fernwärme versorgt. Für die hat der
       schwedische Konzern Vattenfall das Monopol. So ist es angeblich auch beim
       Vonovia-Wohnblock am Tempelhofer Damm. „Die Rechnungen von Vattenfall
       reichen wir an die Mieter*innen weiter, wir sind hier sozusagen nur der
       Vermittler“, so Vonovia-Sprecher Christoph Metzner.
       
       Eine Bewohnerin wundert sich: „Vonovia selbst hat uns vor einem Jahr
       gesagt, dass Vattenfall keine Fernwärme liefern wird, weil das Netz so weit
       entfernt ist.“ Tatsächlich zeigt auch der Energie-Atlas für Berlin, dass es
       hier keinen Netzanschluss gibt. Doch auch wo Vattenfall der Lieferant ist
       kommt es darauf an, ob das Wärme-Contracting im Mietvertrag festgeschrieben
       ist oder später vom Mieter akzeptiert wurde, wie der Bundesgerichtshof in
       zwei Urteilen entschieden hat.
       
       ## Forderung nach mehr Verbraucherschutz
       
       Tatsächlich sind die Kosten für Fernwärme auch in anderen Städten um bis zu
       300 Prozent gestiegen, berichtet Jutta Hartmann, beim Deutschen Mieterbund
       für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Ihre Organisation kritisiert die Lage
       seit langem und fordert mehr Verbraucherschutz.
       
       Die Vertragslaufzeiten der Versorger sind lang, die Kostenaufstellung
       intransparent und nicht nachvollziehbar – und anders als beim Strom haben
       die Mieter*innen bei [3][Fernwärme] keine Chance, den Anbieter zu
       wechseln. So sind sie den Preisforderungen und Konditionen des lokalen
       Monopolisten weitgehend ausgeliefert. Und die besonders schlechte
       Nachricht: „Wir rechnen für die Abrechnungen 2023 mit noch mehr Hämmern,
       denn trotz Preisbremse sind die Gas- und Fernwärmepreise sehr hoch“, so
       Hartmann. Energie zu sparen sei deshalb weiterhin sehr wichtig.
       
       Um sich besser wehren zu können, haben Mieter*nnen inzwischen das
       VoNO!via-Bündnis gegründet. Eine besonders widerständige Gruppe gibt es im
       westfälischen Witten, wo Knut Unger den MieterInnenverein leitet. Ende
       November wollte eine Delegation bei der Konzernzentrale in Bochum die
       Originalbelege einsehen – vergeblich. „Wir fordern den Vorstand der Vonovia
       auf, die Praxis der selbstproduzierten Scheinbelege einzustellen und die
       tatsächlichen Kosten unverzüglich offenzulegen“, heißt es in einer
       Mitteilung. Bis dahin wollen die Wittener die Nachforderungen nicht
       bezahlen.
       
       14 Dec 2023
       
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