# taz.de -- Rechte Vorfälle an Brandenburgs Schulen: Mehr Haltung gefordert
       
       > Rechtsextreme Musik im Unterricht, Hakenkreuze auf Schulbänken. Das
       > wollen Lehrkräfte und Schüler*innen nicht mehr ertragen und
       > demonstrieren.
       
 (IMG) Bild: Bunt gegen rechtsextreme Tendenzen: Demo am 9. Mai vor dem Schulamt Cottbus
       
       COTTBUS taz | Max Teske und Laura Nickel haben sich aus der Deckung gewagt.
       „Es tut uns leid, dass wir den Dienstweg nicht eingehalten haben“, sagt
       Teske in einem Redebeitrag auf einer Demonstration vor dem Schulamt
       [1][Cottbus] am vergangenen Dienstag. Ein lokaler Ableger des
       Unteilbar-Bündnisses hatte dazu aufgerufen. „Jedoch tut es uns nicht leid,
       dass wir mit dem Brandbrief an die Öffentlichkeit gegangen sind.“
       
       Ende April hatten die beiden Lehrkräfte mit einem anonymen Brief über das
       steigende Aufkommen rechtsextremer Haltungen an ihrer [2][Schule in Burg]
       im Spreewald die Öffentlichkeit alarmiert: Demokratiefeindliche Parolen und
       Hitlergruß auf dem Schulflur, rechtsextreme Musik im Unterricht und
       Hakenkreuze auf Schulbänken gehörten zum Alltag.
       
       Die wenigen Lehrer*innen und Schüler*innen, die sich dagegen
       positionierten, würden bedroht und ausgegrenzt. Die Schulleitung habe die
       Vorfälle verharmlost oder gar ignoriert.
       
       Erst nachdem der RBB über den Brandbrief berichtet hatte, habe die
       Schulleiterin einen Fall zur Anzeige gebracht, bei dem ein Schüler vor
       versammelter Klasse „Arbeit macht frei“ gerufen haben soll. Am Dienstag
       traten Teske und Nickel erstmals mit Name und Gesicht auf, nachdem das
       Bildungsministerium öffentlich versichert hatte, dass ihnen keine
       dienstrechtlichen Konsequenzen drohten.
       
       „Wer vor Fällen mit Extremismus an Schulen nicht die Augen verschließt,
       handelt im Sinne von Demokratie und Toleranz“, so das Ministerium.
       
       ## „Gesichert rechtsextreme“ AfD-Jugend
       
       Inzwischen sind ähnliche Vorfälle an Schulen in Ostdeutschland an die
       Öffentlichkeit gedrungen: Eine Klasse aus Berlin-Kreuzberg musste unter
       Polizeischutz aus einem [3][Ferienlager im brandenburgischen Heidesee]
       abreisen, nachdem ortsansässige Jugendliche sie rassistisch beleidigt und
       bedroht hatten.
       
       An der Allende-Oberschule im sächsischen Bautzen wird die Personalie Paul
       Neumann überprüft. Neumann sitzt für die AfD in Stadtrat und Kreistag und
       engagiert sich bei der Jungen Alternative, die kürzlich vom
       Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde – und
       leitet ein Ganztagsangebot an der Schule.
       
       Auf die bundesweite Berichterstattung folgten Reaktionen nach bekanntem
       Muster. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung (SPD) gibt sich erschrocken
       und warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft, Bundesinnenministerin Nancy
       Faeser (SPD) fordert eine schnelle Aufarbeitung, die AfD übt sich in
       Täter-Opfer-Umkehr und Wirtschaftsvertreter*innen sorgen sich um das
       Image der Region.
       
       Am Rande eines Termins vor wenigen Tagen in Eisenhüttenstadt hatte
       Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) dann noch „Versäumnisse
       der Schulsozialarbeit“ im Fall Burg angeprangert. Dabei hatten die
       Lehrkräfte im Rahmen ihres anonymen Hilferufs darauf hingewiesen, dass die
       Schule nur eine Sozialarbeiterin habe, die das Problem allein nicht stemmen
       könne.
       
       Stübgen stellte auf Nachfrage von Reporter*innen der BZ die Frage in
       den Raum, ob es rechtsextreme Vorfälle an vielen Lausitzer Schulen gebe,
       und betonte, er hoffe auf einen Einzelfall.
       
       ## „Das ist frech“
       
       „Mit Verlaub, Herr Minister, das ist frech“, kommentiert eine Rednerin auf
       der Demonstration am 9. Mai Stübgens Aussagen. Die jüngsten Vorkommnisse
       seien weder Einzelfälle noch ein jugendspezifisches Phänomen, sondern
       spiegelten ein gesamtgesellschaftliches Problem wider. Studien wie zuletzt
       die [4][Leipziger Autoritarismus-Studie 2022] belegen die Thesen der
       Demonstrierenden.
       
       Zur Demo sind rund 150 Menschen gekommen, darunter viele Jugendliche,
       Eltern mit Kleinkindern, aber auch ältere Menschen. Das Ehepaar Sonja und
       Frithjof Newiak aus Cottbus beispielsweise, beide 71 Jahre alt und
       Mitglieder der Linkspartei. Sonja Newiak realisiert über einen
       ehrenamtlichen Buchclub regelmäßig Projekte an Schulen. „Es braucht mehr
       als Lippenbekenntnisse aus der Politik“, fordert sie. Rassismus sei nicht
       nur ein Problem an Schulen.
       
       Die meisten der Forderungen richtet das Bündnis direkt an das Schulamt,
       appelliert aber auch an das übergeordnete Bildungsministerium und die
       Schulleitungen. Es brauche mehr Sozialarbeiter*innen an den Schulen
       und eine bessere Schulung der Lehrkräfte zu Rechtsextremismus, Rassismus,
       Sexismus und Homophobie. Schulen dürften keine Orte der Angst sein, das
       könne nur gelingen, wenn das Personal adäquat auf Diskriminierungsvorfälle
       reagieren könne.
       
       Zudem werden demokratische Leitbilder, Schutzkonzepte und eine verlässliche
       Kooperation mit der Polizei gefordert. Wichtig finden Max Teske und Laura
       Nickel, dass Lehrkräfte, Schulleitungen und Behörden eine klare Haltung
       gegen rechtsextreme Stimmen entwickeln. Nur so könnten Vorfälle ernst
       genommen und pädagogisch aufgearbeitet werden.
       
       Der am Mittwoch vereidigte neue Bildungsminister Brandenburgs, Steffen
       Freiberg (SPD), steht vor großen Aufgaben. Ein Mitglied der afrodeutschen
       Gruppe Cottbus bringt das Niedersorbische Gymnasium in Cottbus als
       positives Beispiel an. Nach zwei „massiven rassistischen Vorfällen“ habe
       der neue Direktor sofort ein Gespräch zwischen Lehrer*innen, Eltern und
       betroffenen Schüler*innen initiiert.
       
       ## Zunächst auf taube Ohren gestoßen
       
       Während die verantwortlichen Politiker*innen sich entsetzt und
       überrascht geben, wirken die Demonstrierenden in Cottbus wütend und
       zugleich erleichtert, dass die Problematik, mit der sie seit Jahren leben,
       endlich eine Bühne bekommt. Sie scheinen entschlossen, etwas zu ändern.
       
       „Wir reichen Ihnen die Hand“, sagen sie in Richtung Schulamt. Uwe Mader,
       Leiter des Cottbusser Schulamts, reicht ihnen zum Schluss tatsächlich die
       Hand und nimmt ein Dokument mit den Forderungen symbolisch entgegen. Er hat
       knapp anderthalb Stunden den Redebeiträgen gelauscht, an vielen Stellen
       applaudiert.
       
       „Wir nehmen Ihre Bedenken und geschilderten Probleme sehr ernst und werden
       Sie unterstützen.“ Mader würdigt auch den Mut von Max Teske und Laura
       Nickel, die sich erst an Medien gewendet hatten, nachdem sie in Teilen
       ihres Kollegiums und bei der Schulleitung auf taube Ohren gestoßen waren.
       
       Dass Personen, die sich gegen rechts positionieren, unter Beobachtung von
       eben jener Seite stehen, zeigt sich auch am Dienstag in Cottbus: Während
       der Kundgebung taucht der Cottbusser AfD-Chef Jean-Pascal Hohm mit einem
       Begleiter auf und macht von der Bahnhofsbrücke aus Fotos von der Menge.
       „Damit war zu rechnen, dass die aufkreuzen“, raunt eine Demoteilnehmerin
       ihrem Begleiter zu.
       
       10 May 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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