# taz.de -- Reform der Fachkräfte-Einwanderung: Ein Berufsabschluss muss sein
       
       > Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf zur Fachkräfte-Einwanderung
       > vor. Sie hofft auf 75.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten.
       
 (IMG) Bild: Nancy Faeser und Hubertus Heil wollen Regelungen für die Einwanderung Qualifizierter erleichtern
       
       BERLIN taz | Es soll ein Meilenstein sein, um die dringend benötigte
       Arbeitsmigration aus Ländern außerhalb der EU nach Deutschland anzukurbeln:
       Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch den [1][Gesetzentwurf zum neuen
       Fachkräfteeinwanderungsgesetz]. „Wir wollen, dass Fachkräfte schneller nach
       Deutschland kommen können“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
       bei der Vorstellung des Entwurfs, „uns fehlen Hunderttausende von
       Fachkräften in der Pflege, im Handwerk, im IT-Bereich.“
       
       Das Gesetz erleichtert die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern, den
       sogenannten Drittstaaten, für Hochschulabsolventen und Fachkräfte mit
       anerkanntem Berufsabschluss, aber auch für langjährige
       Berufspraktiker:innen und Leute mit anderen Voraussetzungen, um in
       Deutschland Arbeit zu finden. Die Regelungen könnten die Einwanderung
       qualifizierter Drittstaatsangehöriger um jährlich 75.000 Personen erhöhen,
       sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
       
       Laut dem Entwurf wird die Zuwanderung von Hochschulabsolvent:innen im
       Rahmen der Blauen Karte EU gefördert, weil die Gehaltsschwellen für die
       Einstellung dieser Beschäftigten, auch für Berufsanfänger:innen, abgesenkt
       werden. Der Familiennachzug für Zuwanderer mit der Blauen Karte EU wird
       erleichtert, weil gleichzeitig mit dem Antrag auf eine Blaue Karte EU auch
       der oder die Partner:in einen Antrag auf Familiennachzug stellen kann und
       über diese Anträge „gleichzeitig“ entschieden wird.
       
       Für Fachkräfte mit einem auch in Deutschland anerkannten Berufsabschluss
       wird es zudem möglich sein, hier „jede qualifizierte Beschäftigung“ ausüben
       zu können, sagte Faeser. Wer also aus einem Drittstaat, etwa aus einem
       Staat im Westbalkan kommt und einen auch in Deutschland anerkannten
       Abschluss als Maurer:in besitzt, könnte hier dann auch als Tischler:in
       arbeiten.
       
       ## Anerkennung erst im Inland
       
       Ein Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsabschlüsse kann
       zudem – anders als bisher – auch im Inland begonnen werden. Beschäftigte
       und Arbeitgeber verpflichten sich dabei in einer sogenannten
       Anerkennungspartnerschaft, gemeinsam eine Nachqualifikation bis zur vollen
       Anerkennung des Berufsabschlusses durchzuführen.
       
       In der [2][flankierenden Beschäftigungsverordnung] ist festgehalten, dass
       Ausländer:innen aus Drittstaaten auch einreisen dürfen, wenn sie eine
       mindestens zweijährige Berufsqualifikation im Ausland erworben haben, zwei
       Jahre Berufserfahrung haben und über ein Arbeitsplatzangebot in Deutschland
       verfügen, dessen Gehalt mindestens 45 Prozent der jährlichen
       Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt, das
       sind im Monat circa 3.200 Euro brutto. Von dieser Gehaltsschwelle wird
       abgesehen, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist.
       
       Elfriede Kerschl, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München
       zuständig für Arbeitsmigration, sieht diese Einschränkungen kritisch. „Die
       Gehaltsschwelle ist zu hoch für viele Berufe, etwa in der Dienstleistung“,
       sagt Kerschl der taz, „und die zweijährige Berufsausbildung im
       Herkunftsland sollte keine zwingende Voraussetzung sein“.
       
       Kellner:innen zum Beispiel, die viel Berufserfahrung aus dem Ausland
       mitbringen, „die haben nicht unbedingt eine zweijährige Ausbildung im
       Heimatland absolviert. Die haben dann vielleicht nur ein paar Kurse
       gemacht, aber viel Berufserfahrung in guten Hotels, das müsste als
       Voraussetzung genügen, wenn ein Arbeitsplatzangebot vorliegt“, so Kerschl.
       
       ## Chancenkarte mit Punktesystem
       
       Im Gesetzentwurf wird auch eine „Chancenkarte“ eingeführt, wonach
       Arbeitsmigrant:innen aus Drittstaaten, die eine zweijährige Ausbildung
       im Herkunftsland durchlaufen haben und hinreichende Deutschkenntnisse
       vorweisen können, für ein Jahr zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland
       kommen können. Sie müssen selbst für ihren Unterhalt sorgen können und nach
       bestimmten Kriterien mindestens sechs Punkte erreichen.
       
       Für drei Jahre Berufserfahrung im Ausland gibt es beispielsweise drei
       Punkte, für gute Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 gibt es drei Punkte,
       für ein Alter von unter 35 Jahren gibt es zwei Punkte. Alternativ zu den
       Deutschkenntnissen kann man auch Englischkenntnisse vorweisen, die müssen
       aber auf einem sehr guten Niveau liegen.
       
       Anine Linder ist bei der DIHK Service Gmbh der Deutschen Industrie- und
       Handelskammer Leiterin des Projekts „Hand in Hand for International
       Talents“.Die Mitarbeiter:innen versuchen seit mehr als zwei Jahren in
       dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt, Fachkräfte aus
       Brasilien, Indien und Vietnam für Unternehmen in Industrie und Handel zu
       gewinnen. Viele Bewerber:innen und viele Arbeitgeber:innen
       unterschätzten den zeitlichen Aufwand, die deutsche Sprache zu lernen und
       einen Mitarbeiter aus einem Drittstaat in das Unternehmen zu integrieren,
       sagt Linder.
       
       ## Spracherwerb ist eine Hürde
       
       Die Bearbeitungsprozesse, auch bei den Botschaften, müssten „dringend
       beschleunigt und digitalisiert werden“. Bisher wurden nur 57
       Bewerber:innen im Rahmen des Projekts tatsächlich nach Deutschland
       vermittelt. Ein Drittel der Bewerber:innen springe vorher ab, vor allem
       wegen des Spracherwerbs, sagt Linder.
       
       Die Präsidentin der Caritas, Eva Maria Welskop-Deffaa, warnte anlässlich
       des geplanten Einwanderungsgesetzes, die aktuell gültigen
       Wohnraumerfordernisse führten derzeit dazu, dass Niedrig- und
       Durchschnittsverdiener in Großstädten „kaum eine Chance haben, ihre
       Familien nachzuholen“. Auch die Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung für
       die ganze Familie führe dazu, dass es zum Beispiel für eine
       Krankenschwester in München „unmöglich ist, ihre Familie nachzuholen“, so
       Welskop-Deffaa.
       
       Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hatte vorgerechnet, dass
       Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Arbeitskräften
       brauche, um den demografischen Rückgang zu kompensieren. Heil wies darauf
       hin, dass vor der Coronapandemie jährlich 315.000 Arbeitskräfte aus dem
       Ausland herkamen, davon aber der weit überwiegende Teil aus EU-Ländern, die
       das neue Gesetz nicht betrifft.
       
       29 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/weiterentwicklung_fachkraefteeinwanderung.html
 (DIR) [2] https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/verordnung-zur-weiterentwicklung-der-fachkraefteeinwanderung.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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