# taz.de -- Reporter über verdeckte Recherche: Geschäftsmodell Klimaleugnung
       
       > Das Netzwerk Correctiv zeigt, wie die US-Organisation Heartland
       > Klima-Propaganda verbreitet. Verbindungen reichen bis nach Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Klimawandelbedingtes Hochwasser? Da hilft nur noch Anschieben
       
       taz: Frau Huth, Herr Peters, Sie haben verdeckt [1][recherchiert, wie
       Netzwerke von Klimawandelleugnern organisiert sind], speziell, wie sich die
       US-amerikanische Lobbyorganisation Heartland finanziert, strategisch
       Desinformationen verbreitet und auch in Deutschland ihre Finger im Spiel
       hat. Was genau haben Sie herausgefunden?
       
       Jean Peters: Wir konnten zeigen, dass die internationalen
       Klimawandelleugner bereit wären, Spenden von deutschen Unternehmen aus der
       Automobilindustrie oder der Energiewirtschaft zu verschleiern, dafür auf
       die deutsche Politik Einfluss zu nehmen und gezielt mit manipulativen
       Methoden Falschinformationen zu verbreiten. Außerdem gibt es über Heartland
       eine Verbindung zum deutschen, ebenfalls als Klimaleugner-Verein bekannten
       Eike-Institut bis hin [2][in den Deutschen Bundestag zur AfD.]
       
       Woran machen Sie das fest? 
       
       Katarina Huth: Das Herzstück unserer Recherche ist ein schriftliches
       Angebot von Heartland, in dem sie uns gegen Bezahlung ganz konkrete
       Maßnahmen zur Verbreitung von Desinformationen zu Klimathemen anbieten. Da
       steht beispielsweise drin, dass sie von selbsternannten Experten und
       ehemaligen Beratern des Weißen Hauses wissenschaftlich wirkende
       Fake-News-Artikel, sogenannte In-depth Policy Papers, lancieren, in einer
       Livestream-Konferenz deutsche Umweltprobleme „diskutieren“ oder
       klimawandelleugnende Thesen über eine junge [3][AfD-nahe] YouTuberin
       verbreiten lassen können.
       
       Wie sind Sie vorgegangen, um an diese Informationen heranzukommen? 
       
       Katarina Huth: Unsere Coverstory war, dass wir von einer strategischen
       PR-Firma mit Sitz in Berlin seien und für einen Kunden aus der deutschen
       Automobilindustrie 500.000 Euro in eine entsprechende Kampagne anonym
       investieren wollen. Wir haben eine Website gebaut, Visitenkarten gedruckt
       und uns Zweithandys angeschafft. Eigentlich wollten wir in unseren Rollen
       das Geld an das Eike-Institut spenden, von dem bekannt ist, dass einige
       Mitglieder für die AfD arbeiten. Aber James Taylor, Chefstratege bei
       Heartland, das sehr eng mit dem Eike-Institut verbandelt ist, wollte uns
       überreden, es lieber direkt an sie zu geben. Pikanterweise saß ein Kollege
       vom Eike-Institut an einem Tisch nebenan – es war für uns erstaunlich, dass
       selbst Kollegen einer so eingeschworenen Szene sich offenbar auch
       gegenseitig hintergehen.
       
       Wo fand dieses Gespräch statt, und wie verlief es? 
       
       Jean Peters: Das war im Herbst bei der Heartland-Konferenz in Madrid, die
       sich als „Gegengipfel“ zur COP25 versteht. Wir waren schon zuvor bei einem
       Eike-Treffen in München, wo wir auch Mitglieder von Heartland kennengelernt
       haben. Ein gewisses Vertrauen war bei diesem Wiedersehen also schon da. Auf
       unsere Nachfrage, wie wir die Spende verschleiern könnten, nannte Taylor
       ohne Umschweife den Donors Trust in den USA. Unsere Recherchen zeigen, dass
       der immer mehr Gelder aus der Militär-, Kohle-, Gas-, und Ölindustrie an
       Heartland weiterzuleiten scheint.
       
       Damit hat er bestätigt, [4][was schon länger vermutet wird.]
       
       Katarina Huth: Dass klimawandelleugnende Institutionen in den USA sich von
       der fossilen Industrie finanzieren lassen, lässt sich teilweise recht
       einfach rekonstruieren, weil in den USA anders als in Deutschland Spender
       veröffentlicht werden müssen. Der Donors Trust ist eine Organisation, die
       Spendenquellen verschleiert. Das Geld kommt von Exxon Mobil, der Bradley
       Foundation, den Koch Brothers oder auch der Mercer Stiftung, die die
       Trump-Kampagne gemeinsam mit Cambridge Analytica finanziert hat. Also alles
       Leute aus dem libertären Spektrum, die Interesse an fossiler Energienutzung
       und libertären und [5][rechten Strömungen] haben. Die offiziellen
       Spendensummen nehmen in den letzten Jahren ab, während die über den Donors
       Trust kommenden Gelder zunehmen – 2018 zahlte der 2,8 Millionen US-Dollar
       an Heartland. Taylor hat uns übrigens auch bestätigt, dass Spenden fürs
       Klimawandelleugnen in den letzten Jahren stark zunehmen und inzwischen zwei
       Drittel bis drei Viertel des Budgets von etwa 6 Millionen Dollar jährlich
       ausmachen. Früher hat Heartland, übrigens bei weitem nicht die einzige oder
       größte Institution ihrer Art in den USA, aber die aggressivste, vor allem
       durch Desinformationskampagnen für Tabakkonzerne wie Philip Morris
       verdient. Heute lohnt sich offenbar das Business mit Klima-Fake-News.
       
       Jean Peters: Außerdem hat Taylor genau erklärt, wie sie Fake News machen.
       Sie achten beispielsweise genau darauf, wen sie zitieren, und schreiben
       Artikel so, „als wäre es für die New York Times oder andere linke
       Zeitschriften“. Der Trick dabei ist, dass Meinungsbeiträge nicht als solche
       zu erkennen sind, sondern nachrichtlich verfasst sind. Selbst wenn
       kritische Leser sehen, dass ein Text vom Heartland Institute kommt, hört
       sich das faktisch an, erklärte er uns. Solche Veröffentlichungen von
       gekauften Wissenschaftlern, darunter auch selbst erstellte Wählerumfragen,
       die er uns auch für Deutschland anbot, werden dann an Politiker und andere
       Policy Makers verschickt. Konkret wurde uns beispielsweise ein Artikel von
       John Dunn und Steven Milloy angeboten, in dem Dieselabgase und
       Kohlekraftwerke als gesundheitlich und ökologisch unproblematisch
       präsentiert werden sollen. So einen tiefen Einblick in die Maschinerie der
       Klimaleugner haben wir noch nie bekommen können.
       
       Und junge Leute sollen solche Thesen über YouTube erreichen? 
       
       Katarina Huth: Ja, das ist eine neue Zielgruppe. Diese AfD-nahe
       YouTube-Meinungsmacherin ist 19 Jahre alt, und in dem schriftlichen Angebot
       ist ein Budgetposten für sie aufgeführt. Das Angebot war, dass sie eine
       „Serie von lebendigen und überzeugenden Videos“ für uns macht. Wir haben
       Taylor gefragt, ob wir auch die Texte für sie schreiben können – er
       versprach, dass wir ohne Probleme Schlüsselwörter und eine Richtung
       vorgeben können.
       
       Es wirkt fast naiv, wie sie alles einfach zugesagt haben. 
       
       Katarina Huth: Ja, das ist wirklich absurd. Auf unserer fingierten Website
       waren fünf verschiedene Schriftarten, die Coverstory ist unter großem
       Zeitdruck entstanden. Wir können uns das nur dadurch erklären, dass sie
       scharf auf das Geld waren.
       
       Jean Peters: Es ist ja andererseits auch beruhigend, dass sie offenbar
       nicht so professionell aufgestellt sind. Auf jeden Fall zeigt diese
       Selbstverständlichkeit auch, dass es ein ganz normales Business ist –
       Taylor sagte wörtlich, dass sie für ganz viele Spender Themen setzen.
       
       Glauben die wirklich, dass der Klimawandel nicht existiert, oder steckt
       eher wirtschaftliches Interesse dahinter? 
       
       Katarina Huth: Das lässt sich kaum beantworten, aber bei Taylor schien es
       eher ein Business zu sein. Aber gerade bei der Eike-Konferenz in München
       hatten wir den Eindruck, dass viele der fast ausnahmslos älteren Männer aus
       Ängsten heraus das wirklich glaubten. Und es ist auch nicht nur
       schwarz-weiß und aus bösen Motiven, einige kommen vielleicht aus der
       Industrie und sehen ihr ganzes Lebenswerk durch die Forderungen der
       Klimabewegung bedroht, da kann man als empathischer Mensch auch mitfühlen.
       Und unterschiedliche Meinungen gehören natürlich zur politischen Diversität
       und einer funktionierenden Demokratie dazu. Doch Fake News werden
       spätestens dann gefährlich, wenn sie auf Bundesebene politischen Einfluss
       gewinnen.
       
       War die verdeckte Recherche schwierig, gar gefährlich? 
       
       Katarina Huth: Anfangs war es fast unterhaltsam, und es kamen kaum
       kritische Fragen, wobei ich als Frau es schwer hatte, überhaupt ernst
       genommen zu werden. In Madrid wurde es dann schon schwieriger, ein paar Mal
       wären wir fast aufgeflogen. Schlucken mussten wir auch, als beim Abendessen
       von allen am Tisch der Holocaust relativiert wurde oder Frauen generell als
       „zu emotional“ diffamiert wurden.
       
       Haben Sie jetzt Angst vor persönlichen Anfeindungen? 
       
       Jean Peters: Das ist fast schon normal bei solchen Themen. In Deutschland
       muss man da inzwischen leider mit Vergewaltigungs- beziehungsweise
       Morddrohungen rechnen. Wir schützen uns davor so gut wie möglich und müssen
       es ansonsten in Kauf nehmen dafür, dass jetzt belegt ist, wie diese
       Institutionen Spenden verschleiern und die Maschinerie der
       Klimaleugnerindustrie bis nach Deutschland reicht.
       
       4 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://correctiv.org/top-stories/2020/02/04/die-heartland-lobby/
 (DIR) [2] /Klimaleugner-bei-der-Klimakonferenz/!5556295
 (DIR) [3] /Verhaeltnis-der-AfD-zu-den-Medien/!5495583
 (DIR) [4] /Energiekonzerne-bezahlen-Klimaleugner/!5019312
 (DIR) [5] /Rechtspopulisten-und-der-Klimawandel/!5572456
       
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