# taz.de -- Rücktritt des Präsidenten von Kosovo: Keine Opferrolle mehr > Kosovos Präsident Thaci ist wegen Kriegsverbrechen angeklagt und will > zurücktreten. Für seine politische Läuterung spricht das aber nur > bedingt. (IMG) Bild: Präsident Hashim Thaçi will von seinem Posten zurück treten Auf den ersten Blick mag es ein Erfolg des Sondergerichts in Den Haag sein, das sich mit Kriegsverbrechen der ehemaligen UÇK-Spitze im Kosovo beschäftigt: Präsident [1][Hashim Thaci] will zurücktreten. Laut Anklage seien Thaci, der ehemalige politische Führer der UÇK, und neun weitere Angeklagte für fast 100 Morde und weitere Kriegsverbrechen verantwortlich. Spätestens mit Thacis Rücktritt muss sich die mehrheitlich albanische Gesellschaft des [2][Kosovo] der Frage stellen, welche Schuld sie an dem grausamen Unabhängigkeitskrieg gegen Serbien in den 1990er Jahren trug, in dem über 10.000 Menschen starben. Lange Zeit verharrte man hier in der Opferrolle – doch Opfer und Täter gab es auf beiden Seiten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Der Großteil der kosovarischen Albaner*innen sah das Gericht lange kritisch – es wolle den Befreiungskampf des [3][Kosovo] diffamieren. Thaci, der seit der Unabhängigkeit 2008 im Land die Fäden in der Hand hält, begrüßte die Einrichtung des Gerichts 2015 zunächst: Kosovo könne so den Forderungen des Westen nachkommen und gleichzeitig den gerechten Sieg der UÇK beweisen. Das allein zeigt, wie Thaci das Gericht bewertet: als bloßes Instrument, um die eigene politische Position zu stärken. Wer jetzt denkt, dass sich Thaci mit seinem Rücktritt reuig und kooperativ dem Gericht stellt und Platz für neue, unbelastet Politiker*innen macht, denkt zu optimistisch. Zum einen hätte er bereits 2010 zurücktreten müssen, als ein Bericht eines Juristen schwere Vorwürfe gegen ihn erhob. Zum anderen hat Thaci mehrfach versucht, die Befugnisse des Sondergerichts zu beschneiden. Überhaupt ist Vorsicht geboten: Als der ehemalige Ministerpräsident und ebenfalls einstige UÇK-Funktionär Ramush Haradinaj vor dem UN-Tribunal gegen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien angehört wurde, kamen wichtige Zeug*innen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Selbst wenn Thaci nicht so weit geht: Einen Freispruch wird er für sich zu nutzen wissen. 5 Nov 2020 ## LINKS (DIR) [1] /Anklage-gegen-Kosovos-Praesidenten/!5697087 (DIR) [2] /Dialog-zwischen-Kosovo-und-Serbien/!5698978 (DIR) [3] /Visar-Morina-ueber-seinen-Film-Exil/!5702893 ## AUTOREN (DIR) Jana Lapper ## TAGS (DIR) Kosovo (DIR) Hashim Thaci (DIR) Sondertribunal (DIR) Kriegsverbrechen (DIR) Kosovo (DIR) Kosovo (DIR) Kosovo (DIR) Kosovo (DIR) serbische Minderheit im Kosovo ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Parlamentswahl im Kosovo: Erdrutschsieg für linke Opposition Die Partei Vetëvendosje des Ex-Premiers Albin Kurti erringt laut ersten Auszählungen 48 Prozent der Stimmen. In Prishtina feiern die Menschen. (DIR) Vor Parlamentswahl im Kosovo: Stimmen der Diaspora in Gefahr Für Kosovar:innen im Ausland wird die Registrierung zur Abstimmung noch komplizierter. Dabei ist diese Gruppe oft wahlentscheidend. (DIR) Nach Anklage gegen Hashim Thaçi: Präsident von Kosovo tritt zurück Nach der Bestätigung einer Anklage wegen Kriegsverbrechen räumt Hashim Thaçi seinen Posten. Bislang beteuert er seine Unschuld. (DIR) Anklage gegen Kosovos Präsidenten: Elite im Abseits Das Sondergericht in Den Haag erhebt Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen den amtierenden Präsidenten des Kosovo. Das wurde auch Zeit. (DIR) Vorladung vors Kosovo-Strafgericht: Premier Haradinaj tritt zurück Der Ministerpräsident von Kosovo gibt sein Amt auf. Doch wohl nicht nur, weil er vor dem Kosovo-Strafgericht erscheinen soll, wie er behauptet.