# taz.de -- Sahra Wagenknechts neue Partei: Zeit für Klimapopulismus
       
       > In seiner Jugend lernte unser Autor, beim Handball gezielt und
       > wohldosiert zu foulen – so, dass sich niemand verletzt. Geht das auch
       > beim Klimaschutz?
       
 (IMG) Bild: Warum dürfen eigentlich immer nur Klimapolitik-Bremser mit populistischen Parolen um sich werfen?
       
       Während meiner glamourösen Vergangenheit als Handballspieler des
       erstklassigen VfL Lichtenrade gab es ab und zu eine besondere
       Trainingseinheit: Coach Dieter brachte uns B-Jugendlichen, die um die
       Berliner Meisterschaft spielten, etwas Wichtiges bei: richtig zu foulen.
       Das hieß: Du verstößt kontrolliert gegen die Regeln und akzeptierst den
       Pfiff des Schiedsrichters – aber du wehrst dich damit gegen übermächtige
       Gegner, manchmal gegen üble Prügelknaben, ohne dich oder sie dabei
       ernsthaft zu verletzen. „Ihr müsst wissen, was ihr tut“, war Dieters
       Devise. Kein schlechtes Motto, und das nicht nur beim Handball.
       
       Meine Position damals war mal rechts- und mal linksaußen. Ich weiß auch
       nicht, warum mich das jetzt ausgerechnet an Sahra Wagenknecht denken lässt.
       Aber Coach Dieter fiel mir ein, als ich all diesen Unsinn las und hörte,
       den [1][Wagenknechts Bündnis „für Vernunft und Gerechtigkeit“] zur
       Klimapolitik verzapft: Emissionshandel bringt nichts, tolle neue
       Technologie wird uns retten, Verbrenner können schön weiterbrummen, weil
       irgendwann CO2-freies Benzin vom Himmel fällt. Und Gas kann man ruhig
       wieder bei den Kriegsverbrechern in Russland kaufen.
       
       Frage: Warum dürfen eigentlich immer nur die Bremser, Verhinderer und
       Schwachmaten in der Klimapolitik mit populistischen Parolen um sich werfen?
       So kämpfen bisher der gesunde Menschenverstand, die wissenschaftliche
       Genauigkeit und die ehrliche Abwägung von widerstreitenden Interessen ja
       häufig auf verlorenem Posten, wenn ihnen jemand gegenübertritt, der aus dem
       Bauch und gegen den Kopf argumentiert.
       
       Könnten nicht auch die WeltretterInnen mal ganz einfache Lösungen für
       komplexe Fragen anbieten und sich einen Dreck darum scheren, ob diese dann
       einem Faktencheck standhalten, wenn sie damit „die Menschen abholen“?
       
       Man könnte ja – nur mal so zum Beispiel – in der nächsten Debatte über den
       Klimaschutz diesen „Menschen draußen im Land“ zurufen: Wer gegen
       ernsthaften Klimaschutz Front macht, der will euch euren Urlaub wegnehmen!
       Fragen Sie mal alle Menschen, die in den letzten Jahren ihre Ferien vor
       [2][brennenden Wäldern in Griechenland] verbracht haben; denen die Nutzung
       der Pools in Spanien wegen Dürre verboten wird; denen in Italien ihr
       Gelato in einer Minute wegschmilzt. Wollt ihr alle in Nordnorwegen am
       felsigen Strand liegen?
       
       Oder: Wer Verbrennerautos unterstützt und Solaranlagen beschränkt, der will
       euch vom fröhlichen Rasen abhalten! Denn nichts ist geizgeiler, als die
       unglaubliche Beschleunigung eines Elektroautos zu genießen, das billig mit
       dem Strom vom eigenen Dach fährt! Wer nichts gegen Plastikmüll unternimmt,
       der will euch nur die Kreuzfahrt und den romantischen Sonnenuntergang am
       Traumstrand in Bali vermiesen, der dann voller Shampooflaschen ist!
       
       Wer wie wir 60 Milliarden Euro [3][Steuergeld im Jahr für umweltschädliche
       Subventionen] ausgibt, könnte stattdessen jeder und jedem in Deutschland
       sofort 750 Euro auszahlen! Das wäre mal eine Kindergrundsicherung! Wer
       gegen Wärmepumpen mobil macht, zieht euch das Geld für die teure Gasheizung
       aus der Tasche! Dieses Geld geht an die da oben, die in ihren protzigen
       Villen ihre Pools mit Champagner füllen und mit ihren Bentleys eure
       Parkplätze in der Fußgängerzone belegen!
       
       Wen kümmern die Details, wenn man mal so richtig populistisch auf die Kacke
       hauen kann? Fair foulen zu lernen, und das als Selbst- und Weltverteidigung
       – warum nicht? Ich werde mal nach der Telefonnummer von Coach Dieter
       suchen. Danke für diese Idee, Sahra!
       
       Und alle diese Öko-Populisten würden vielleicht auch die alte Benimmregel
       vergessen, keine dummen Witze mit Namen zu machen. Denn: Was ist die
       sozialistische Bezeichnung für Autosklave? Eben.
       
       26 Oct 2023
       
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