# taz.de -- Schüsse auf Demonstrierende in Libyen: Aufstand gegen Kriegsführer
       
       > In Libyens Hauptstadt Tripolis kommt es zu Protesten gegen alle
       > Kriegsparteien. Plötzlich fallen Schüsse, vermummte Milizen feuern in die
       > Menge.
       
 (IMG) Bild: Libyens Milizen sind immer wieder in Übergriffe auf Zivilisten verwickelt, Tripolis im Juni 2020
       
       TUNIS taz | Die Poster zeigten Fotos der [1][verfeindeten Kriegsführer
       Libyens]: General Haftar, Regierungschef Sarradsch, Parlamentschef Saleh
       nebeneinander. Die Portraits waren durchgekreuzt und mit den Worten „Geht
       endlich“ versehen. Hunderte Demonstranten kamen am Sonntagabend auf dem
       zentralen Märtyrerplatz in Libyens Hauptstadt Tripolis zusammen und
       forderten ein Ende von Korruption und Willkürherrschaft auf allen Seiten.
       
       Obwohl die Demonstranten mit weißen Flaggen durch die Innenstadt zogen, um
       keine der in Tripolis tonangebenden Milizen zu provozieren, fielen
       plötzlich Schüsse. Vermummte Uniformierte feuerten von ihren Pick-ups, um
       die Menge zu zerstreuen.
       
       Videos von Demonstranten mit Schusswunden kursierten später auf sozialen
       Netzwerken. Brennende Mülltonnen und in kleinen Gruppen durch die Stadt
       ziehende Jugendliche erinnerten an den Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi
       2011.
       
       Es ist unwahrscheinlich, dass die Sarradsch-Regierung den Einsatz von
       scharfer Munition angeordnet hat. Das gewaltsame Vorgehen der
       regierungsnahen Milizen zeigt nun aber, wie schwierig es sein wird, den am
       Freitag verkündeten [2][Waffenstillstand] umzusetzen.
       
       ## Söldnertruppen wollen keinen Frieden
       
       Die vier großen Hauptstadtmilizen, die von der [3][Türkei] aus Syrien
       eingeflogenen Söldner und radikale Gruppen werden zwar vom Innen- oder
       Verteidigungsministerium bezahlt, handeln aber oft nur in Eigeninteresse
       und auf eigenes Kommando. Der 18-monatige Krieg um Tripolis war für die
       ausländischen Kämpfer aus Syrien, Sudan und Russland ein lukratives
       Geschäft. Der Frieden würde ihre Entwaffnung bedeuten.
       
       Doch die Bevölkerung sehnt sich nach friedlichen Verhältnissen. Zwar gibt
       es seit Juni kaum noch Kämpfe zwischen den Einheiten der Regierung im
       Westen des Landes und den Truppen von General Haftar im Osten. Dafür aber
       verschlechterten sich die Lebensumstände in vielen libyschen Städten
       merklich. Bis zu zehn Stunden täglich fiel in den Sommermonaten in Teilen
       von Tripolis die Wasser- und Stromversorgung aus, der Wert des Dinars sank
       um ein Drittel.
       
       Auch die monatlich auf rund 60 Euro begrenzte Auszahlung an Geldautomaten
       und die langen Schlangen an den Tankstellen zerren an den Nerven vieler
       Libyer. Noch warten in der Hauptstadt über 100.000 auf die Rückkehr in ihre
       Häuser, die sie während der Kämpfe im Süden der Zweimillioneneinwohnerstadt
       und des Beschusses durch die mittlerweile abgezogenen Haftar-Truppen
       verlassen mussten. In der letzten Woche starben drei Rückkehrer bei der
       Explosion von Landminen.
       
       24 Aug 2020
       
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 (DIR) Mirco Keilberth
       
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