# taz.de -- Schutz der biologischen Vielfalt: Eine Allianz für Biodiversität
       
       > Deutschland tritt bei einem Videogipfel am Montag einer neuen globalen
       > Naturschutzkoalition bei. Deren Ziele reichen nicht, sagen
       > Kritiker:innen.
       
 (IMG) Bild: Sandsturm in der Sahelzone in Mali: Wüstenbildung gefährdet die biologische Vielfalt
       
       BERLIN taz | Naturschützer:innen hoffen, dass es der Auftakt zu einem guten
       Jahr für die Biodiversität ist: Am Montag wird Bundeskanzlerin Angela
       Merkel beim internationalen „One Planet Summit“ über den [1][Zusammenhang
       zwischen der weltweiten Pandemiegefahr und dem Verlust von Biodiversität]
       sprechen.
       
       Dabei wird sie per Videoschalte wohl auch Deutschlands Beitritt zur
       sogenannten High Ambition Coalition (HAC) verkünden. Ein Sprecher des
       Bundesumweltministeriums teilte mit, man habe dies auf Bitten des
       Bundeskanzler:innenamts im Vorfeld vorbereitet. „Im Ressortkreis besteht
       Einigkeit, dass Deutschland der Koalition beitreten wird“, sagte er.
       
       Bei dieser neu ins Leben gerufenen „Allianz der Willigen“ handelt es sich
       um eine Gruppe von bislang etwa 40 Staaten, die sich für ein ambitioniertes
       Abkommen beim coronabedingt [2][verschobenen Gipfel der UN-Konvention über
       biologische Vielfalt (CBD)] einsetzt. Unter Führung von Frankreich und
       Costa Rica will die Koalition die Unterschutzstellung von 30 Prozent des
       Planeten durchsetzen. Ein solches Vorhaben treibt bereits die EU, die der
       HAC-Gruppe ebenfalls angehört, [3][im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie]
       voran.
       
       Zwar würden zunächst „keine direkten zusätzlichen finanziellen
       Verpflichtungen eingegangen“, erklärte das Umweltministerium. Der Beitritt
       zum HAC-Bündnis sei nach [4][Deutschlands Unterzeichnung des „Leader's
       Pledge for Nature“] Ende September dennoch ein konsequenter Schritt beim
       Einsatz für den Schutz der biologischen Vielfalt, des Klimas und der
       Pandemievorsorge. Das sehen auch Umwelt- und Naturschützer:innen so. „Es
       ist eine Konferenz mit Signalwirkung“, sagte Eberhard Brandes,
       geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland. „Eine intakte Natur ist
       der Schlüssel für die menschliche Gesundheit. Es ist sehr begrüßenswert,
       dass diese Erkenntnis jetzt auch auf der höchsten politischen Ebene
       angekommen ist.“ Die Bekenntnisse müssten sich jedoch auch in mehr
       finanzieller Unterstützung für den Naturschutz und konkreten Gesetzgebungen
       widerspiegeln.
       
       ## Erstmals Fokus auf Biodiversität
       
       Initiiert wurde der als Startschuss für die HAC-Gruppe dienende One Planet
       Summit schon 2017 – maßgeblich vom französischen Präsidenten Emmanuel
       Macron im Zusammenhang mit der damaligen UN-Klimakonferenz in Bonn. Nun
       findet der Gipfel, abermals auf Einladung Frankreichs, zum ersten Mal mit
       dem Fokus auf Biodiversität statt. Es nehmen neben Staats- und
       Regierungschefs auch führende Vertreter:innen internationaler
       Organisationen wie der Weltbank, des Wirtschaftssektors und von NGOs teil.
       
       [5][Auf der Website zum One Planet Summit heißt es], die Coronakrise habe
       auf dramatische Weise vor Augen geführt, wie wichtig die Natur für das
       tägliche Leben und Wirtschaften ist. Die Schädigung der Ökosysteme sei
       beispiellos und werde zunehmend schwere Auswirkungen haben. „Diesen Trend
       umzukehren ist eine große Herausforderung für das kommende Jahrzehnt: Wir
       müssen unser gesamtes Verhältnis zur Natur neu überdenken.“
       
       ## Kein Ziel erreicht
       
       Auf der Agenda steht neben dem Schutz terrestrischer und – unter Leitung
       Großbritanniens – auch mariner Ökosysteme, die Förderung der Agrarökologie,
       insbesondere die Umsetzung der [6][sogenannten Grünen Mauer Afrikas im
       Sahel] zum Schutz vor fortschreitender Wüstenbildung. Hinzu kommen die
       Themen Pandemieprävention – womöglich ein Schub für den Natur- und
       Artenschutz – und die leidige Problematik der Finanzierung neuer Projekte
       durch öffentliche wie private Investitionen.
       
       Die globale Biodiversitätskrise gilt unter Expert:innen als ähnlich
       bedrohlich wie die Klimakrise – zumal sich beide gegenseitig verstärken.
       2019 veröffentlichte der Weltbiodiversitätsrat IPBES einen viel beachteten
       Bericht, der unter anderem vor der Bedrohung einer Million Arten warnte.
       2020 meldeten die Vereinten Nationen in ihrem „Global Biodiversity
       Outlook“, dass [7][kein einziges der 20 Ziele der
       UN-Biodiversitätskonvention für die Zeit von 2011 bis 2020 erfüllt] wurde.
       Die Beratungen der mehr als 190 Mitgliedstaaten für ein Folgeabkommen bis
       2030 kommen momentan schleppend voran. Der entscheidende Gipfel soll nach
       aktueller Planung im Herbst im südchinesischen Kunming stattfinden.
       
       Das von der HAC-Gruppe unterstützte Ziel der UN zum verbindlichen Schutz
       von 30 Prozent der gesamten Land- und Meeresoberfläche der Erde wird von
       vielen Expert:innen und Naturschützer:innen begrüßt. Bisher sind es etwa 15
       Prozent der Land- und 7 Prozent der Meeresflächen. Es gibt jedoch auch
       Kritik: Manche [8][halten das Ziel für zu wenig ambitioniert]. Andere
       hingegen lehnen es ab, weil es ihrer Einschätzung nach zulasten vor allem
       der indigenen Bevölkerung im Globalen Süden geht. So warnten Umwelt- und
       Menschenrechtsorganisationen wie die NGO Survival International im
       September 2020 in einem [9][offenen Brief, dass 300 Millionen Menschen] im
       Namen des internationalen Naturschutzes aus ihrer Heimat vertrieben werden
       könnten. Außerdem ist noch gar nicht definiert, was genau als Schutzgebiet
       gelten soll.
       
       11 Jan 2021
       
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 (DIR) [5] https://www.oneplanetsummit.fr/en/news-17
 (DIR) [6] /Doku-ueber-gewaltiges-Oekoprojekt/!5719895
 (DIR) [7] /UN-Bericht-zu-globaler-Biodiversitaet/!5709830
 (DIR) [8] /Studie-zu-Klima--und-Artenschutz/!5708240
 (DIR) [9] https://assets.survivalinternational.org/documents/1959/final-en-ngo-concerns-over-the-proposed-30-target-for-protected-areas-and-absence-of-safeguards-for-indigenous-people-and-local-communities-200901.pdf
       
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