# taz.de -- Schweizer EM-Überraschung: Schachspielers Poker
       
       > Im Duell der deutschen Gruppengegner zeigt sich der Schweizer Trainer
       > Murat Yakin kreativ. Die Ungarn kommen lange nicht ins Spiel und
       > verlieren.
       
 (IMG) Bild: Klammheimliche Freude: Michel Aebischer nach seinem 2:0 gegen Ungarn
       
       KÖLN taz | Trösten wird das Marco Rossi nicht. Aber dem Trainer der
       [1][ungarischen Nationalmannschaft] gebührt nach der 1:3-Niederlage gegen
       die Schweiz ein Preis für seine Ehrlichkeit. „Wir haben die Schweiz anders
       erwartet“, räumte er ein. Gerade die großen Strategen an der Seitenlinie,
       zu denen Rossi gezählt werden darf, geben ungern zu, mit etwas nicht
       gerechnet zu haben. Und gerade im europäischen Nahverhältnis könnte man
       glauben, dass alle möglichen Kniffe im Vorfeld bis aufs Letzte seziert
       wurden.
       
       Fast schon verwegen könnte man die Entscheidung des Schweizer Trainers
       Murat Yakin bezeichnen, den 27-jährigen Kwadwo Duah, der zuvor nur auf die
       Erfahrung von 45 Länderspielminuten zurückblicken konnte und in der
       bulgarischen Liga bei Ludogorez Rasgrad sowieso unter dem Radar spielt, als
       Ersatz für Breel Embolo zu bringen.
       
       Der erwies sich nach langer Verletzung später dann noch als wertvoller
       [2][Joker]. Mit dem Einsatz von Duah, der den wichtigen Führungstreffer
       erzielte, das sei zur Ehrenrettung von Rossi gesagt, konnte wirklich keiner
       rechnen, nicht mal der Schweiz-Ghanaer. „Dass er in diesem Moment wichtig
       sein wird, daran hat er selbst wohl nicht gedacht“, mutmaßte Yakin nach der
       Partie. Drei Tage zuvor hatte er ihn erst in seine Planspiele eingeweiht.
       In denen spielte auch Michel Aebischer eine besondere Rolle, der Duah beim
       Treffer so schön in Szene gesetzt hatte.
       
       Aebischer hat zwar schon ein paar Länderspiele mehr (21) absolviert, meist
       jedoch nur als Ergänzungskraft, weil der Schweizer Kader im defensiven
       Mittelfeld bestens besetzt ist, insbesondere mit [3][Granit Xhaka]. Yakin
       setzte erfolgreich auf die Flexibilität von Aebischer und versetzte ihn für
       dieses besondere Spiel erstmals ins linke Mittelfeld, von wo er aus nach
       Ballgewinn immer gefährlich in die Zentrale rückte. Dort bereitete er nicht
       nur ein Tor vor, sondern erzielte auch eines mit einem präzisen Schlenzer.
       „Ich denke, die Ungarn hatten Mühe, weil wir so variabel spielten“,
       urteilte er nach der Partie.
       
       ## Rückenwind aus Bologna
       
       Aebischer hat in vergangenen Saison als Stammkraft des FC Bologna, der sich
       überraschend in Italien für die Champions League qualifizierte, auf sich
       aufmerksam gemacht. Dort spielen auch Dan Ndoye und Remo Freuler. Alle drei
       bringen diesen Elan und diese Selbstsicherheit aus Bologna mit ins
       Nationalteam.
       
       Der 49-jährige Murat Yakin, der nach einer quälenden Qualifikationsphase
       zuletzt eher als lähmende Kraft in der Schweiz wahrgenommen wurde,
       beantwortete die erstaunten Fragen der einheimischen Presse nach seinen
       Einfällen mit einer gewissen Genugtuung. Die Frage, ob er denn gern Poker
       spiele, war vielleicht noch von Skepsis getragen, weil sie eine gewisse
       Glückskomponente mit einpreiste. Doch Yakin ging dem Fragesteller nicht auf
       den Leim. Er spiele lieber Schach, erklärte er. „Beim Poker weißt du nie,
       was der Gegner in der Hand hat.“
       
       Die Lage für den Strategen Yakin ist plötzlich höchst komfortabel. Mit
       Aebischer und Duah verfügt er nun über ein größeres Repertoire an
       Möglichkeiten. Beide sind mächtig beflügelt durch das Erfolgserlebnis.
       Insbesondere Kwadwo Duah trug seine Freude beseelt nach außen, als er zu
       seinem Tor befragt wurde, sagte er: „Diese Gefühle habe ich noch nie
       erlebt. Alles ist explodiert.“ Die beschriebenen Schwingungen haben gewiss
       ansteckende Kraft.
       
       Dazu kam, dass Breel Embolo – trotz langer Verletzungspause ohne
       Einfindungsprobleme – ins Spiel eingliederte. Selbst seine runterrutschende
       Bandage konnte ihn bei seinem Treffer, nicht aus dem Konzept bringen. Er
       ließ sie einfach auf dem Rasen hinter sich und lupfte den Ball über Ungarns
       Torhüter Péter Gulácsi. Auf der Ersatzbank hätten sich alle darüber
       „kaputtgelacht“, berichtete Silvan Widmer. Lustige Tore können sie also
       auch noch erzielen, diese Schweizer. Mal sehen, ob sie auch für die Partie
       gegen Deutschland eine Überraschung parat haben.
       
       16 Jun 2024
       
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