# taz.de -- Sicherheitsgipfel des Berliner Senats: Die schwarz-roten Zaunkönige
       
       > Beim Berliner Sicherheitsgipfel einigt man sich auf einen bunten Strauß
       > Maßnahmen. Im Görlitzer Park findet derweil ein Anti-Gipfel statt.
       
 (IMG) Bild: Gefühlt Lichtjahre entfernt vom Roten Rathaus: Teilnehmerin einer Veranstaltung im Görlitzer Park
       
       BERLIN taz | Die Sonne brennt am Freitagnachmittag auf den Görlitzer Park
       in Kreuzberg. So stark, dass die OrganisatorInnen der Gegenveranstaltung
       [1][zum „Berliner Sicherheitsgipfel“] anfangs Mühe haben, die BesucherInnen
       aus dem Schatten des ehemaligen Pamukkale-Brunnens herauszulocken. Auf der
       improvisierten Bühne gegenüber wechseln sich Redebeiträge mit Hiphop ab,
       eingeladen hat die Initiative gegen rassistische Polizeigewalt „Ihr seid
       keine Sicherheit“ (ISKS), das Bündnis „Wrangelkiez United“ und das Alia
       Mädchenzentrum, um zu kritisieren, was aus ihrer Sicht die Verschärfung
       einer ohnehin schon prekären Situation darstellt.
       
       Dass der Senat im Görlitzer Park für mehr Sicherheit sorgen wolle, sei eine
       zynische Behauptung, sagt Rana, Sprecherin des Alia Mädchenzentrums. „Der
       Regierende Bürgermeister will mehr Polizeipräsenz, die aber nur noch mehr
       Racial Profiling und rassistische Gewalt bringen wird.“ Der deutsche Staat
       verstecke sich hinter dem angeblichen Schutz von Frauen, um seinen
       Rassismus zu kaschieren – auch in der Debatte, die zuletzt nach dem
       Bekanntwerden einer Gruppenvergewaltigung im Park losgetreten wurde. Um die
       Sicherheit von Frauen in Lagern für Geflüchtete beispielsweise gehe es
       dagegen nie.
       
       Es gehe nicht darum, die Vergewaltigung zu verschweigen, betont eine andere
       Rednerin, aber „was die Menschen brauchen, ist Sicherheit, und Sicherheit
       heißt keine Polizei“. Alle Teilnehmenden waren sich darin einig, dass die
       AnwohnerInnen und ParknutzerInnen mit ihren Bedürfnissen und Sorgen bei dem
       vom Senat einberufenen „Sicherheitsgipfel“ keine Rolle spielen und nicht
       gehört werde sollen.
       
       Redner Muhammad, der als Sozialarbeiter im Görli arbeitet, spricht von der
       Armut und den fehlenden Chancen vieler im Park – „sie wollen nicht hier
       sein, aber sie haben keine anderen Optionen“ –, die die Politik nutze, um
       diese Menschen zu kriminalisieren.
       
       ## Der punktlastige Plan des Senats
       
       Kurz zuvor und – gefühlt – in einem anderen Universum hatte im Roten
       Rathaus eine Riege aus dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU),
       Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Justizsenatorin Felor Badenberg
       (parteilos, für die CDU) und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) das
       Dokument „Ein sicheres Berlin. Machen.“ vorgestellt. Punktlastig ist das
       Papier nicht nur im Titel: Es führt nicht weniger als 30 Maßnahmen in
       verschiedenen Bereichen auf.
       
       Der Katalog startet mit einem wahren Füllhorn der Prävention, von mit
       Personal besetzten Toiletten im Görlitzer Park wie auch am Leopoldplatz in
       Wedding, Konsummobilen und „Nachtcafés mit Ruhemöglichkeit“ bis zu mehr
       ParkläuferInnen und „zusätzlichen Angeboten wie Gastronomie und
       Sportanlagen“. Im Park soll der Beschnitt von Büschen und Bäumen mehr
       Sichtachsen herstellen, auch die Beleuchtung soll erhöht werden.
       
       Unter Punkt 15 versteckt sich eines der bislang umstrittensten Instrumente:
       „Im kriminalpräventiv erforderlichen Umfang“, heißt es dort, „wird der
       Görlitzer Park umfriedet und temporäre Schließungen werden ermöglicht.“ Das
       solle vor allem nachts geschehen, um „Betäubungsmittel- und einhergehende
       Gewalt- und Eigentumsdelikte einzudämmen“.
       
       „Selbstverständlich werden wir diesen Zaun errichten“, sagte
       SPD-Innensenatorin Spranger. Wann die große Umfriedungsaktion per Zaun samt
       Drehkreuzen an den Eingängen kommt, für die auch Teile der Mauer des
       Görlitzer Parks abgerissen werden? Komplett unklar. Die Kosten? Komplett
       unklar.
       
       Klar müsse aber sein, so Spranger: Sobald der Zaun steht, wird der Park
       nachts abgesperrt, vom ersten Tag an. Später werde man die Maßnahme
       evaluieren. Und wenn der Park denn dereinst „befriedet“ ist, könne man die
       Maßnahme ja auch wieder aufheben.
       
       ## ASOG-Novelle und Bodycams
       
       Zugleich soll es künftig nicht nur mehr polizeiliche Präventionseinsätze
       und den Einsatz eines „mobilen Videoanhängers“ geben. Im Rahmen einer
       alsbald vorgesehenen Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und
       Ordnungsgesetzes (ASOG) und des „Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren
       Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des
       Landes Berlin“ sollen auch die Einsatzmöglichkeiten von Bodycams
       ausgeweitet und mehr Videoüberwachung an „kriminalitätsbelasteten Orten“
       ermöglicht werden.
       
       Präventivgewahrsam soll künftig bis zu fünf Tagen möglich sein. Der Einsatz
       von Tasern und der sogenannte finale Rettungsschuss als „Ultima Ratio, um
       Menschen in höchster Gefahr für Leib und Leben zu schützen“, sollen
       „rechtssicher geregelt“ werden.
       
       Der Regierende Bürgermeister war am Freitag der Mann für die markigen
       Worte: „Es gibt mehr Prävention. Und vor allem kommt jetzt neu auch
       Repression hinzu“, so Wegner. „Angsträume“ müssten „schnellstmöglich der
       Vergangenheit angehören“, „Zustände wie im Görlitzer Park oder am
       Leopoldplatz“ seien „untragbar“. Der Görlitzer Park sei ein „Symbol für
       falsch verstandene Toleranz“, die „unseren starken Rechtsstaat“ untergrabe
       und Vertrauen zerstöre. Wegner: „Damit ist jetzt Schluss.“
       
       Innensenatorin Spranger sprach von einem „interdisziplinären Ansatz“, mit
       dem man Kriminalität „nachhaltig bekämpfen und ihrer Entwicklung
       entgegenwirken“ werde. Während sie sich über die vereinbarte Stärkung der
       Sicherheitsbehörden freute, betonte Justizsenatorin Felor Badenberg die
       Ausweitung des „Brennpunkttäterkonzepts auf weitere kriminalitätsbelastete
       Orte und geeignete Deliktsgruppen“. Straftaten von Mehrfachtätern würden
       künftig von der derselben Person in der Staatsanwaltschaft bearbeitet.
       
       ## Grüne kritisieren fehlende Mittel im Haushalt
       
       Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch hebt in einer ersten Reaktion nicht
       zuletzt auf die sozialen Aspekte des Elf-Seiten-Papiers des Senats ab.
       Schwarz-Rot habe eingesehen, dass es „mehr Sicherheit im öffentlichen Raum
       nur mit sozialen Hilfen“ gebe. Das sei der „eigentliche Erfolg“ des
       Sicherheitsgipfels und „vor allem ein [2][Verdienst der grünen
       Bezirksbürgermeisterinnen]“ Stefanie Remlinger (Mitte) und Clara Herrmann
       (Friedrichshain-Kreuzberg). Die beiden, so Jaraschs Einschätzung, waren
       „offensiv auf den Regierenden Bürgermeister zugegangen“.
       
       Noch aber seien die Maßnahmen, die sich auch nicht nur auf zwei Orte
       beschränken dürften, nicht in den Haushaltsentwurf eingeflossen, moniert
       Jarasch: „Die Bezirke brauchen nicht nur warme Worte, sondern handfeste
       finanzielle Zusagen.“ Die Grünen-Politikerin fordert einen
       „50-Millionen-Fonds für urbane Sicherheit“, der „unkompliziert ausgereicht“
       werden könne.
       
       Gar nicht so viel anders fällt die Einschätzung in den Reihen der Polizei
       aus. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, teilt
       mit, es handele sich „in erster Linie um Absichtserklärungen, die wir in
       großen Teilen bereits im Koalitionsvertrag finden und die es mit Leben zu
       füllen gilt“. Man freue sich über „wertschätzende Worte“, die angekündigten
       Gesetzesnovellen und auch die versprochenen Präventionsmaßnahmen.
       
       „Angesichts der unklaren Haushaltslage“ und vielen unbesetzten
       Sozialarbeits-Stellen in den Bezirken sei aber „zu befürchten, dass wieder
       allein die Polizei den Ankündigungen nachkommen wird“. Weh forderte einen
       „regelmäßigen Sicherheitsgipfel“, auf dem die Umsetzung der Pläne evaluiert
       werden solle.
       
       Im Görlitzer Park machte man sich derweil Gedanken, was polizeilicher
       Gewalt entgegenzusetzen sei: „Filmt die Polizei bei ihren Einsätzen, um
       Beweismittel in Verfahren zu haben“, rief eine Rednerin der Initiative „Go
       Film the Police“ die Anwesenden auf. Das sei erlaubt, auch wenn die Behörde
       gerne das Gegenteil behaupte.
       
       8 Sep 2023
       
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