# taz.de -- Sport stört den Neujahrsfrieden: Rülpser aus dem Ally Pally
       
       > Der omnipräsente TV-Sport nimmt keine Rücksicht auf die „Zeit zwischen
       > den Jahren“: Er erobert die gemütlichen Tage rücksichtslos.
       
 (IMG) Bild: Hort der Trunkenbolde: Dart-Profi Damon Heta zieht ins Ally Pally ein
       
       [1][Zwischen den Jahren], das ist die Zeit von Weihnachten bis zum 6.
       Januar, mitunter auch jene von der Wintersonnenwende am 21. Dezember bis zu
       jenem Dreikönigstag, an dem in der evangelischen Kirche auch die
       „Erscheinung des Herrn“ gefeiert wird; in manchen Gegenden wird auch von
       Raunächten oder Innernächten gesprochen.
       
       An diesen Tagen änderten sich über Jahrhunderte die Weltläufe, das Getriebe
       der Geschaftlhuberei verlangsamte sich, der Zeiger der Zeit schien sich nun
       durch Aspik zu bewegen, langsamer, stockender. Die Beschwörung des
       Stillstands hatte Konjunktur. Romantische Gemüter priesen Ruhe,
       Besinnlichkeit und innere Einkehr.
       
       Was aber einmal der kalendarische Imperativ zu einem Stopp des Normalen,
       des alltäglichen Wahnsinns war, das ist längst im Orkus einer modernen
       Weihnachtshektik verschwunden. Die konsumistische und kulinarische Orgie,
       die sich da am Weihnachtsbaum abspielt unter Binge-Watching der neuesten
       Serien und einer kaum beispielhaften Streitkultur, das hat wenig zu tun mit
       der sprichwörtlichen Zeit zwischen den Jahren. Und der Sport trägt seinen
       Teil zur neuen Unruhe, ja zum Kulturbruch bei.
       
       ## Umgehen der Deprivation
       
       Die Ereignisse überschlagen sich am Ersten und Zweiten Weihnachtsfeiertag,
       und nicht nur da: Darts-WM, Fußball in der Premier League, US-Sport,
       Vorberichte zum Skispringen. Um nur die wichtigsten Übertragungen auf Sky
       und Dazn zu nennen.
       
       Früher, als sich noch nicht mehrere Sport-Streamingdienste um das Publikum
       prügelten, da dürstete der Sportfan nach Tagen der sensorischen sportlichen
       Deprivation darauf, sich die Vierschanzentournee anzuschauen. Die ganze
       Familie hockte vorm Fernseher, sah Jens Weißflog in Oberstdorf fliegen oder
       Sven Hannawald in Garmisch-Partenkirchen.
       
       Skispringen gilt aber mittlerweile als hinterwäldlerisch, das
       Durchschnittsalter der Bakken-Freunde liegt über 60, und wer sich von
       diesen Altlasten befreien will, schaut halt ins Londoner [2][Ally Pally,
       den Unort der schnöden Pfeilewerferei], die eigentlich nichts anderes ist
       als ein Massenbesäufnis, bei dem nur der bärbeißige Zählmeister an der
       Wurfscheibe keinen intus zu haben scheint.
       
       Das wirkt in der Überbetonung des Ordinären fast schon blasphemisch, denn
       wo sich der Gedankenfixpunkt der „Zeit zwischen den Jahren“ befindet, da
       ist das Ally Pally am anderen Ende des Kontinuums. Und es geht immer weiter
       mit Toren, Punkten, Fouls, Dunks, Tackles, Saves und all dem Zeug, das uns
       24/7 frei Haus geliefert wird, als gehe die Welt unter, wenn kein Ball
       rollt, kein Puck übers Eis zischt.
       
       Ganz bescheiden sei an dieser Stelle angemerkt: Könnte es nicht ein
       bisschen weniger sein? Wenigstens zwischen den Jahren? Nur ein My?
       
       29 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_den_Jahren
 (DIR) [2] https://www.sportschau.de/darts/darts-wm-fazit-deutsche-spieler-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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