# taz.de -- Stahlindustrie im Saarland: Der bange Blick nach vorn
       
       > Für den klimafreundlichen Umbau der Produktion setzt die saarländische
       > Stahlbranche auf Milliarden vom Bund. Die stehen nun auf der Kippe.
       
 (IMG) Bild: Schlüsselindustrie bangt um Zukunft: Protestzug von StahlarbeiterInnen in Völklingen Mitte Oktober
       
       FRANKFURT/MAIN taz | „Es ist jetzt Feuer unterm Dach“: Stahlmanager Stefan
       Rauber wählte vor seinem Termin in Berlin dramatische Worte. Der Chef der
       Muttergesellschaft der saarländischen Stahlindustrie, der Stahl-Holding
       Saar (SHS), traf am Donnerstag im Bundeswirtschaftsministerium
       Staatssekretär Udo Philipp (Grüne).
       
       Rauber kämpft um die bereits zugesagten, allerdings noch nicht bezifferten
       Milliardenhilfen für den Umbau der saarländischen Stahlindustrie hin zur
       Produktion mit grünem Strom und Wasserstoff. Die stehen seit zwei Wochen
       auf der Kippe.
       
       Das Geld sollte [1][aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, den das
       Bundesverfassungsgericht gekippt hat]. Weder die
       Wirtschaftsministerkonferenz vergangene Woche noch die Regierungserklärung
       von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag im Bundestag haben Klarheit
       gebracht.
       
       14.000 Arbeitsplätze hängen im Saarland direkt und weitere 6.000 indirekt
       von der Zukunft der Stahlindustrie ab. Verantwortliche aus Politik,
       Wirtschaft und Gewerkschaften warnen vor dem drohenden Verlust des
       Industriestandorts.
       
       ## „Die Deadline ist jetzt“
       
       „Man könnte noch ein paar Jahre mit Kokskohle weitermachen und dann müsste
       man die Stahlproduktion einstellen“, sagt dazu der IG-Metall-Bezirksleiter
       Jörg Köhlinger, der zugleich Vizechef des SHS-Aufsichtsrats ist. Köhlinger
       verlangt, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zügig einen
       neuen Finanzierungsweg findet: „Die Deadline ist jetzt!“
       
       Das Saarland steht vor großen Herausforderungen. [2][Die
       Automobilproduktion von Ford am Standort Saarlouis] läuft 2025 aus. In der
       Transformation hin zur Elektromobilität müssen die zahlreichen kleinen und
       großen saarländischen Zulieferbetriebe der Automobilindustrie neue
       Geschäftsmodelle entwickeln. Viele von ihnen kämpfen um ihre Existenz.
       
       Die Stahlproduktion gilt dabei als Schlüsselindustrie. „Unser Saarland hat
       ein Herz aus Stahl“ stand auf dem Banner der IG Metall, mit dem Tausende
       Beschäftigte im September bei einer Mahnwache für den Erhalt ihrer
       Arbeitsplätze demonstrierten.
       
       Ende November gingen in Völklingen 20.000 Menschen auf die Straße – mehr
       als in der saarländischen Stahlindustrie beschäftigt sind. „Es gibt eine
       große Solidarität im Saarland, alle ziehen an einem Strang!“, sagt dazu
       IG-Metall-Bezirksleiter Köhlinger.
       
       ## In Frankreich entstehen CO2-arme Eisenbahnschienen
       
       Im weit verzweigten Saarstahl-Konzern hat der Umbau der Produktion mit dem
       Ziel der CO2-Vermeidung längst begonnen. Seit 2020 wird in Hochöfen am
       Standort Dillingen erstmals in Deutschland Wasserstoff in industriellem
       Maßstab eingesetzt.
       
       Im französischen Hayange produziert das Schienenwerk Saarstahl Rail
       Eisenbahnschienen mit reduzierten CO2-Emissionen. 700 Millionen Euro hat
       das Management in den vergangenen 15 Jahren nach eigenen Angaben in die
       Modernisierung der Anlagen investiert.
       
       Auch für die traditionsreichen Standorte setzt das Unternehmen auf die
       grüne Transformation. Elektrische Lichtbogenöfen sollen in Dillingen und
       Völklingen ab 2027 jährlich 3,5 Millionen Tonnen grünen Stahl produzieren,
       ab 2030 sollen dabei die CO2-Emissionen um jährlich 4,9 Millionen Tonnen
       reduziert werden.
       
       Bereits vor einem Jahr hatte der Aufsichtsrat das Konzept beschlossen, das
       den Förderanträgen zugrunde liegt. 3,5 Milliarden Euro will das Unternehmen
       investieren, doch damit der CO2-arme Stahl trotz höherer Produktionskosten
       auf den Märkten konkurrenzfähig bleibt, muss der Bund liefern: „Wir gehen
       fest davon aus, dass die Bundesregierung die Fördergelder für die
       saarländische Stahlindustrie bewilligen möchte“, erklärte Stahlmanager
       Stefan Rauber gegenüber der taz und fügte hinzu: „Kürzungen jeglicher Art
       würden das Projekt unwirtschaftlich und damit nicht durchführbar machen.“
       
       ## Auch der landeseigene Transformationsfonds wackelt
       
       Die Transformation der Stahlindustrie hängt dabei auch vom Erfolg der
       Wasserstoffstrategie ab, die Unternehmen den Zugang zu Wasserstoff sichern
       soll. „Grüner Wasserstoff und grüner Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen
       sind die Basis des Erfolgs“, so Rauber. Er betont: „Wir als saarländische
       Stahlindustrie haben unsere Aufgaben erfüllt. Nun muss die Bundesregierung
       schnellstmöglich die Finanzierung realisieren.“
       
       Die saarländische Landesregierung will ihren Anteil an den Fördermitteln
       aus dem landeseigenen Transformationsfonds finanzieren. Der müsse im Lichte
       des Verfassungsgerichtsurteils nachgebessert werden, räumte
       Landeswirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) ein: „Die jährliche
       Feststellung einer Notlage ist eine notwendige Änderung“, so Barke, der an
       den Gesprächen in Berlin teilnahm.
       
       Ob es weiteren Änderungsbedarf gibt, soll Anfang Dezember bei einer
       Expertenanhörung im Saarbrücker Landtag ermittelt werden. Die
       oppositionelle CDU-Fraktion hat allerdings noch nicht entschieden, ob sie
       gegen den schuldenfinanzierten Transformationsfonds des Landes klagt.
       
       1 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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