# taz.de -- Superspreader Gottesdienst: Beten und arbeiten
       
       > Alles muss ab Montag schließen, damit das Coronavirus sich nicht mehr so
       > schnell ausbreiten kann. Und was ist mit den Kirchen?
       
 (IMG) Bild: Gemeinsam mit Dutzenden Gottesdienstbesucher:innen zu beten bleibt erlaubt
       
       Um das Coronavirus einzudämmen, wurde in den vergangenen Monaten auf
       Eigenverantwortung statt Beschränkungen gesetzt. Das Ergebnis? Steigende
       Infektionszahlen und erste Krankenhäuser an ihren Belastungsgrenzen. Es ist
       also verständlich, dass Bund und Länder diese Woche einen „Lockdown light“
       beschlossen haben.
       
       Auf der Terrasse vor dem Restaurant einen Burger essen, ein Museumsbesuch
       mit Abstand und Maske, ein Konzert in der zu nur 30 Prozent besetzten
       Elbphilharmonie anhören – all das ist nun verboten. Gemeinsam mit Dutzenden
       Gottesdienstbesucher:innen auf knarzenden Holzbänken zu knien und zu beten
       [1][ist dagegen weiterhin erlaubt]. Ebenso wie dem Orgelspiel in einer
       Kirche zu lauschen, wenn man es nur als Gottesdienst und nicht als Konzert
       deklariert.
       
       Es ist absurd, Gottesdienste von den Coronabeschränkungen auszunehmen. Die
       Kirchen haben sich trotz Hygienevorschriften in den letzten Monaten als
       Superspreader hervorgetan.
       
       200 Infizierte nach einem Gottesdienst in einer Baptistengemeinde in
       Frankfurt am Main, 24 positiv Getestete nach einer Andacht in einer
       Karlsruher Freikirche. Stralsund, Westertimke, Berlin-Neukölln: Die Liste
       der Orte von Gottesdiensten als Infektionsherden [2][ließe sich weiter
       ausführen]. Infektionsfälle solchen Ausmaßes gab es in Kinos, Theatern oder
       Opernhäusern nicht.
       
       ## Kein Grundrecht auf Präsenz
       
       Warum also dürfen Gottesdienste weiterhin stattfinden? Bayerns
       Ministerpräsident Markus Söder argumentiert mit dem Grundrecht auf
       Religionsfreiheit. Ohne Frage ein hohes Gut. Doch erstens gibt es kein
       Grundrecht auf Präsenzgottesdienste – wie alles andere könnte man auch
       diese ins Digitale verlegen.
       
       Und zweitens werden auch andere Grundrechte während der Pandemie
       beschnitten. Vom Grundrecht auf Berufsausübung können aktuell
       beispielsweise nur wenige Künstler:innen Gebrauch machen.
       
       Die Entscheidung, alle kulturellen Einrichtungen zu schließen, Kirchen aber
       offen zu lassen, ist also eine Prioritätenabwägung – und reinste
       Lobbypolitik. Inspirieren ließen sich Bund und Länder bei ihrer
       Entscheidung wohl von benediktinischen Klöstern des Spätmittelalters, denn
       das, was wir im November tun dürfen, ist: beten und arbeiten.
       
       Sicher, auch in Kinos und Co. wird es in den letzten Monaten zu Infektionen
       gekommen sein. Die Einrichtungen temporär zu schließen kann also eine
       sinnvolle Maßnahme sein. Aber dann muss es konsequenterweise auch heißen:
       Macht die Kirchen zu!
       
       30 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
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