# taz.de -- Teilmobilmachung in Russland: Patrioten werden zu Pazifisten
       
       > Putin hat eine Teilmobilmachung für 300.000 Reservisten angeordnet.
       > Plötzlich positionieren sich die Menschen in Russland zum Krieg.
       
 (IMG) Bild: Die Teilmobilmachung entzweit die russische Gesellschaft
       
       Einen Tag vor der historischen Rede von Wladimir Putin war ganz Russland in
       gespannter Erwartung. Die einen warteten auf die Ankündigung der
       Generalmobilmachung. Andere waren davon überzeugt, dass ein taktischer
       Atomschlag auf die ukrainischen Gebiete Charkiw und Cherson angekündigt
       werde. Und wieder andere hofften, dass angesichts der jüngsten Misserfolge
       der russischen Truppen ein Waffenstillstand zustande käme. Doch nichts von
       alledem geschah.
       
       Nur eine „Teilmobilisierung“ wurde dann tatsächlich angekündigt. 300.000
       Bürger werden zu den Waffen gerufen. Vorladungen mit der Aufforderung, in
       die Rekrutierungsbüros zu kommen, waren interessanterweise bereits vor der
       Rede verschickt worden. Das weist darauf hin, dass die Entscheidung schon
       lange vorher getroffen und [1][die am meisten benötigten Wehrpflichtigen]
       identifiziert worden waren. Und das sind vor allem Pioniere, Panzerfahrer
       und Artilleristen.
       
       Die Rede war kein freudiges Ereignis für die „Z-Patrioten“, wie hier die
       eifrigsten Kriegsbefürworter genannt werden. Im Gegenteil, die
       allermeisten, die gerade noch für den „Krieg bis zum siegreichen Ende“
       waren, sind plötzlich zu Pazifisten geworden und haben ihre Ansichten zu
       den aktuellen Ereignissen vollständig geändert. Zwar würden sie gerne
       kämpfen, hätten aber gerade jetzt unaufschiebbare Angelegenheiten im
       Ausland zu erledigen.
       
       [2][Die einfachen Leute auf der Straße sind geteilter Meinung]. Die
       Älteren, die nicht mehr eingezogen werden können, billigen Putins
       Entscheidung, während die Jüngeren kategorisch dagegen sind. In den großen
       Städten Russlands fanden Anti-Kriegs-Demonstrationen mit den schon zur
       Tradition gewordenen Verhaftungen statt. Mit Gewalt ergriffen Polizisten
       junge Männer und Frauen, die mit Schildern „Nein zur Mobilmachung“ auf der
       Straße standen, und brachten sie in Gefangenentransportern auf die Wache.
       
       „Man muss hier auf nichts stolz sein, und dieser Krieg ist wie eine Art
       Verschwörung. Wenn gewöhnliche Soldaten und Zivilisten sterben, erklären
       beide Seiten, sie würden ernsthaft kämpfen. Aber die Wirtschaftsbeziehungen
       laufen weiter. Oder warum ist seit sechs Monaten kein Kratzer auf die
       Röhren gekommen?“, hörte ich in einem Gespräch zwischen zwei Männern um die
       40. Als sie weitersprachen, verstand ich, dass sie wohl über die durch die
       Ukraine verlaufende Gaspipeline redeten. Keiner der beiden hatte eine
       Antwort auf diese Frage.
       
       Schon am Mittwochabend hatten alle diejenigen Einberufungsbescheide
       bekommen, die sie auch bekommen sollen. Alle anderen, die bisher verschont
       geblieben sind, haben sich ein bisschen beruhigt. Bis zur nächsten Welle
       der Mobilisierung.
       
       Aus dem Russischen von [3][Gaby Coldewey]
       
       Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung]. 
       
       Ein Sammelband mit den Texten ist unter dem Titel „Krieg und Frieden. Ein
       Tagebuch“ Anfang September im Verlag [5][edition.fotoTAPETA] erschienen und
       kostet 10 Euro.
       
       23 Sep 2022
       
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 (DIR) Boris Epchiev
       
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