# taz.de -- Unterricht für geflüchtete Kinder: Direkt in die Schule ist besser
       
       > Hamburg sollte Kinder nicht in separate Vorbereitungsklassen schicken,
       > sagt die Linke. Sie beruft sich auf eine Studie, die Fünftklässler
       > vergleicht.
       
 (IMG) Bild: Vorbereitungsklasse für geflüchtete Schüler: ein gescheitertes Projekt?
       
       HAMBURG taz | So viele „Internationale Vorbereitungsklassen“ wie noch nie
       hat Hamburgs [1][Schulbehörde seit Beginn des Ukraine-Krieges]
       eingerichtet. Doch an diesen 357 Klassen, in denen Schüler zwölf Monate
       lang auf die deutsche Schule vorbereitet werden, gibt es fachliche Kritik,
       die die Hamburger Linksfraktion heute in die Bürgerschaft trägt.
       
       Die getrennte Beschulung dieser Kinder „verringert deren Bildungschancen“,
       heißt es [2][in einem Antrag dazu], der erst der 38. Punkt der Tagesordnung
       ist und wohl gar nicht erst debattiert wird.
       
       Und Anfang der Woche sah es so aus, als würde er von der rot-grünen
       Mehrheit nicht mal zur näheren Befassung in den Schulausschuss überwiesen.
       Das passiert nun aber doch, wie die taz am Dienstag erfuhr.
       
       Die Linke bezieht sich auf die Studie [3][“Starting off an the right
       foot“], die durch einen Zufall möglich wurde. In den Schuljahren 2015/16
       bis 2017/18 kamen so viele geflüchtete Kinder neu nach Hamburg, dass nicht
       alle in Vorbereitungsklassen Platz fanden. Gut ein Drittel wurde gleich in
       eine Grundschulklasse integriert und erhielt teils noch zusätzlich
       Deutschunterricht. Da Hamburg mit einer Testreihe namens [4][„Kermit“
       (Kompetenzen ermitteln]) alle zwei Jahre erhebt, was die Schüler in ihrer
       Schullaufbahn jeweils gelernt haben, ließ sich ein Vergleich anstellen.
       
       ## Besonders starke Effekte bei Mathe und Deutsch
       
       Das übernahm das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Die
       dortige Bildungsforscherin Lisa Sofie Höcker wertete die „Kermit“-Daten für
       den Jahrgang fünf aus den Jahren 2013 bis 2019 für zugewanderte Kinder aus.
       
       Ihr Fazit: Die Kinder, die während ihrer Grundschulzeit eine
       Vorbereitungsklasse besuchten, hatten „deutlich schlechtere Ergebnisse“.
       Und sie schafften seltener den Sprung auf ein Gymnasium. Besonders stark
       sei dieser Effekt in Mathe und Deutsch. „Um den Kindern möglichst große
       Bildungschancen zu eröffnen, sollten sie möglichst schnell in
       Regelklassen“, sagt Lisa Sofie Höckel.
       
       Eben dies empfahl auch die „Ständige wissenschaftliche Kommission“ der
       Kultusministerkonferenz im März vorherigen Jahres. Es sollte eine
       „möglichst rasche Integration“ geben und „möglichst keine
       Vorbereitungsklassen in der Grundschule und den unteren Jahrgängen des
       Sekundarbereichs“, heißt es [5][in einem Papier der 16 Forscher].
       
       Zudem bemängelt eine qualitative Studie der Universität Hamburg, dass nach
       den Vorbereitungsklassen der „[6][Quereinstieg ins Schulsystem]“ schwierig
       sei. Denn häufig wären die Regelklassen voll, und Kinder müssten an eine
       andere Schule, in ein „völlig neues Umfeld“, das wiederum meist kaum über
       ihre Bedürfnisse informiert sei, wie Erziehungswissenschaftlerin Simone
       Plöger sagt.
       
       ## Gymnasien sind besser dran
       
       Die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus kritisiert zudem, dass die
       meisten Vorbereitungsklassen an Hamburgs Stadtteilschulen sind, und nicht
       an den Gymnasien. Sie lud jüngst den [7][Bergedorfer Schulleiter Thimo
       Witting zur Diskussion], dessen Stadtteilschule schon seit 2015 auf
       separate Flüchtlingsklassen verzichtet, da ihr die negativen
       [8][Auswirkungen auf die Bildungswege schon damals bekannt] waren. Dort
       gibt es die Stelle einer Kulturmittlerin und die neuen Schüler erhalten 90
       Minuten täglich zusätzlich Deutschunterricht und Hilfe von Mentoren.
       
       Die Linke stellt in ihrem Antrag Forderungen für das nächste Schuljahr. So
       soll keine Schule mehr Vorbereitungsschüler aufnehmen müssen, als sie
       später in ihren Regelklassen integrieren kann. Damit das passt, sollen auch
       Gymnasien mehr solcher Klassen einrichten und mehr Schüler behalten.
       „Mittelfristig“ sollte die „segregierte Beschulung“ von geflüchteten
       Kindern ganz beendet werden. Für diesen Prozess, so die Linke, sollte es
       ein Expertengremium geben.
       
       Schulbehördensprecher Peter Albrecht verweist darauf, dass Hamburg viele
       Jahre Erfahrung mit der Beschulung geflüchteter Kinder hat. Und selbst die
       Autorinnen jener Studie würden anerkennen, dass die Vorbereitungsklassen in
       Zeiten hoher Zuwanderung ein „wichtiges Werkzeug zur Vermeidung der
       Überlastung des Schulsystems“ seien. Zudem bezöge die Studie sich nur auf
       die Grundschule, nicht auf die „gesamte Schulkarriere“.
       
       Das sieht auch der SPD-Schulpolitiker Nils Hansen so. Die Studie des
       Leibniz-Instituts sei noch keine Grundlage, die Abschaffung des ganzen
       Vorbereitungs-Modells zu fordern. „Insbesondere, weil das Schulsystem
       aktuell unter Volllast fährt, sollten Änderungen mit Bedacht erwägt
       werden“, sagt er zur taz. Da schieße die Linke „über das Ziel hinaus“.
       
       Gleichwohl sei eine Beschäftigung mit der Studie „wünschenswert“, da sie
       Hinweise enthalte, wie die Schulen geflüchtete Kinder besser unterstützen
       könnten. Deshalb werde die SPD den Antrag nicht ablehnen, sondern in den
       Ausschuss überweisen.
       
       26 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Flucht-aus-der-Ukraine/!5842547
 (DIR) [2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83467/praxis_der_segregierten_beschulung_von_gefluechteten_kindern_und_jugendlichen_ueberpruefen_und_mittelfristig_beenden.pdf
 (DIR) [3] https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/pressemitteilungen/detail/integration-gefluechtete-kinder-aus-vorbereitungsklassen-schneiden-schlechter-ab
 (DIR) [4] https://www.kermit-hamburg.de/index.php?id_page=7
 (DIR) [5] https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/SWK/2022/SWK-Stellungnahme_Ukraine.pdf
 (DIR) [6] https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-die-fakultaet/aktuell-2022/22-10-19-sprabue-ergebnisse.html
 (DIR) [7] https://www.linksfraktion-hamburg.de/internationale-vorbereitungsklassen-der-richtige-weg/
 (DIR) [8] /Integration-ins-Bildungssystem/!5379543
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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