# taz.de -- Urteil zu Polizeigewalt im Hambi: „Nicht sachgerechter Einsatz“
       
       > Das Landgericht Aachen hat dem Opfer einer Polizeiattacke im Hambacher
       > Forst Schadenersatz zugesprochen. Eine weitere Rüge für Laschets
       > Regierung.
       
 (IMG) Bild: Polizeikräfte sichern den Wald, während Aktivisten sich in Baumhäusern verschanzt haben
       
       AACHEN taz | Die Amtshaftungskammer des Landgerichts Aachen hat dem Opfer
       einer Polizeiattacke im Hambacher Wald gestern Recht gegeben. Das Gericht
       rügte „Rechtsfehler beim [1][Polizeieinsatz“, der weder angemessen noch
       sachgerecht gewesen sei.] Das Land Nordrhein-Westfalen muss dem Kläger,
       Todde Kemmerich, 3.350 Euro Schadenersatz zuzüglich Zinsen zahlen.
       
       Das ist die nächste juristische Ohrfeige für das Land NRW in Sachen
       Hambacher Wald nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vergangene
       Woche. Dieses hatte erklärt, [2][die Begründung „Brandschutz“,] mit der die
       von KlimaaktivistInnen errichteten Baumhäuser 2018 in dem von
       Braunkohlebaggern bedrohten Wald polizeilich geräumt worden waren, sei nur
       vorgeschoben gewesen und die Polizeiaktion damit rechtswidrig. Auch dort
       sind jetzt Schadenersatzklagen von Menschen möglich, deren Hab und Gut
       dabei vernichtet wurde.
       
       Filmemacher Kemmerich war Ende 2016 vom Einsatzleiter einer Hundertschaft,
       dem 1. Polizeihauptkommissar Dietmar Z., angesprungen und brutal zu Boden
       geworfen worden, als er im Hambacher Wald unterwegs war. Kemmerich erlitt
       diverse Verletzungen und war längere Zeit in therapeutischer Behandlung.
       Die Kamera, mit der er den Angriff gerichtsverwertbar gefilmt hatte, wurde
       zerstört.
       
       Die Aufnahmen blieben erhalten und spielten bei der Würdigung der
       „körperlich geführten Auseinandersetzung“ (Richter) eine wesentliche Rolle.
       Das Zivilgericht stellte fest: Kemmerich ging schon rückwärts wie
       angewiesen, von einem Platzverweis, den die Polizei zwingend hätte
       aussprechen müssen, ist nichts zu hören. Klare Dienstvergehen also. Auch
       war nichts zu sehen von Absperrungen für angebliche Rodungen.
       
       ## Der Mann mit der orangenen Weste
       
       Dazu kamen Filme, die offenbar ein RWE-Sicherheitsmann gemacht hatte, wie
       die typische orangene Weste nahelegt. Der Richter nannte das Material aber
       „das polizeiliche Video“. Das erstaunte Augenzeugen. „Aber“, sagte eine,
       „das passt ja auch: Polizei, Justiz, Politik, RWE, Werkschutz, ist hier
       doch eh alles eins“. Merkwürdig allerdings: Ob ein RWE-Mann die Kamera so
       zielsicher von der Szene weggedreht hätte, genau in dem Moment, als der
       Angriff auf Kemmerich begann?
       
       Kemmerich freute sich über das Urteil, einerseits: Endlich sei der
       Polizeieinsatz nicht einfach durchgewunken worden, nachdem sich diverse
       Staatsanwaltschaften vier Jahre lang vor strafrechtlichen Anklagen gegen
       Dietmar Z. gedrückt hätten. Andererseits: „Die widerlichen Straftaten nach
       dem Überfall, wie zweimal in die Fresse schlagen und die
       Schlagstockattacken nicht zu verurteilen, bleibt ein Skandal, eine
       Katastrophe.“
       
       Diese Übergriffe, bei denen Kemmerichs Kamera nicht mehr lief, schienen der
       Kammer nicht bewiesen. [3][Bei der mündlichen Verhandlung vor sechs Wochen
       standen Aussagen gegen Aussagen.] Allerdings ließ der Richter nach dem
       Urteil jetzt durchblicken, er tendiere durchaus dazu, Kemmerich und seinen
       Zeugen zu glauben. Die Entscheidung obliege aber den Strafgerichten. Ob die
       Staatsanwaltschaft nach diesem Urteil erneut tätig wird, ist offen. Dafür
       spricht wenig.
       
       Gegen das Urteil können sowohl Kemmerich als auch das Land Berufung
       einlegen. Die Rechtsvertreterin des Landes NRW, eine Aachener
       Familienanwältin, war zur Urteilsverkündung nicht erschienen.
       
       14 Sep 2021
       
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