# taz.de -- Waffenembargo in Libyen: Bundeswehr-Panzer für den König
       
       > In Libyen herrscht eine brüchige Waffenruhe. Auch weil Jordanien Waffen
       > liefert. Deutschland schweigt. Und liefert weiter Panzer nach Jordanien.
       
 (IMG) Bild: Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Schlüsselübergabe für Marder-Panzer an das jordanische Militär 2016
       
       Seit zehn Jahren gilt für das Bürgerkriegsland Libyen ein Waffenembargo der
       Vereinten Nationen. Nur wenige wissen das besser als Außenminister Heiko
       Maas (SPD) und seine Mitarbeiter. Bis Ende 2020 leiteten Spitzendiplomaten
       aus Deutschland sogar das zuständige Komitee des UN-Sicherheitsrats, das
       sich mit dem Libyen-Embargo beschäftigt. Dort kommen auch immer wieder die
       vielen Verstöße gegen den Einfuhrbann zur Sprache. Also wissen Maas und
       seine Leute auch, welche Länder in besonders eklatanter und – so ein
       UN-Bericht – „unverfrorener Weise“ das Embargo verletzen: die Vereinigten
       Arabischen Emirate (VAE), die Türkei und Jordanien.
       
       So stand es jedenfalls in einem UN-Expertenbericht zu dem Thema im Dezember
       2019. Die Bundesregierung bemüht sich seitdem nach Kräften, diese
       Erkenntnis zu ignorieren. Nach Recherchen der taz hat sie sogar noch im
       Jahr 2020 Kriegsgerät an den jordanischen König Abdullah II. liefern lassen
       und dessen Regime in einem Bericht an den Bundestag als Hort der Stabilität
       bezeichnet.
       
       Dabei leistete Jordanien ähnlich wie die Emirate in Libyen immer wieder
       Militärhilfe für den aufständischen Warlord Chalifa Haftar, dessen Milizen
       den Osten Libyens kontrollieren. Mal schickten die Jordanier gepanzerte
       Kampffahrzeuge, mal bildeten sie im April 2019 im eigenen Land sogar
       Kämpfer für ein als salafistisch geltendes Bataillon der Haftar-Milizen
       aus. Im Mai 2018 und September 2020 fanden laut eines aktuellen UN-Berichts
       von März 2021 zwei weitere solche Ausbildungsrunden für Haftar-Truppen
       statt. Die Jordanier, so bilanzierten die UN-Experten bereits Ende 2019 in
       ihrem Bericht an das damals von einem deutschen Diplomaten geleitete
       UN-Komitee, hätten „wiederholt“ gegen das Embargo verstoßen.
       
       Und trotzdem lieferte Deutschland im Rahmen der vom Auswärtigen Amt
       mitgetragenen sogenannten Ertüchtigungshilfe dem Königreich Jordanien auch
       im Jahr 2020 weitere 25 Schützenpanzer vom Typ Marder – ausgemusterte
       Kettenpanzer der Bundeswehr von jeweils über 30 Tonnen Gewicht, die vom
       Hersteller Rheinmetall modernisiert und auf sandfarbenen Wüstentarnanstrich
       umlackiert wurden. Während also die Jordanier eigenes Kriegsgerät gen
       Libyen schickten – ergänzte Deutschland ungerührt die Bestände der Armee
       des Königs. Angestoßen hatte die Bundesregierung die Ertüchtigungshilfe für
       Jordanien bereits 2016. Fast 100 Millionen Euro Steuermittel sind seither
       dafür geflossen.
       
       „Der Auslieferungszeitraum erstreckt sich auf die Jahre 2016 bis 2020“,
       bestätigte Rheinmetall jetzt auf Fragen zu den Marder-Lieferungen. Der taz
       liegt ein vertraulicher Bericht des Auswärtigen Amts und des
       Verteidigungsministeriums vom März 2020 an den Verteidigungsausschuss des
       Bundestages vor. Auch in diesem Bericht, verfasst von den Staatssekretären
       Andreas Michaelis und Benedikt Zimmer, wurden die Lieferungen für Jordanien
       für 2020 ausdrücklich genannt. Der Gesamtwert der Hilfen für das Königreich
       betrage in diesem Jahr 23,4 Millionen Euro. Als „stabiler Anker in der
       politisch volatilen Nahostregion“ und als Teil der internationalen
       Koalition gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ verdiene Jordanien
       diese Förderung, hieß es in dem Report. Die Embargobrüche des angeblich so
       verlässlichen Ankerlandes in Libyen vermerken die Mitarbeiter von Heiko
       Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht.
       
       Dabei entdeckte die zuständige UN-Expertengruppe im Mai 2019 sogar Belege,
       dass die Jordanier Panzerfäuste aus eigener Produktion nach Libyen
       verbracht hatten. Deutsche Panzerabwehrwaffen wiederum waren im Jahr 2018
       im Rahmen der Ertüchtigungshilfe von Deutschland an Jordanien geliefert
       worden. Der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner findet es
       „merkwürdig, dass die Embargobrüche in dem Bericht nicht erwähnt wurden“.
       Dadurch werde auch die parlamentarische Debatte „auf ein falsches Gleis
       gesetzt“.
       
       Merkwürdig auch, weil immerhin Kramp-Karrenbauers parlamentarischer
       Staatssekretär Peter Tauber im Dezember 2020 ein Bekenntnis zum
       Libyen-Embargo abgegeben hatte: „Die Bundesregierung setzt sich für die
       strikte Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Libyen
       ein“, versicherte Tauber in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.
       
       Das Auswärtige Amt will detaillierte Fragen zu der Ertüchtigungshilfe für
       den Bündnispartner Jordanien trotz dessen Embargobrüchen nicht beantworten.
       Die Zusammenarbeit unterliege „der Vertraulichkeit“.
       
       ## Rheinmetall hilft beim Training der Marder-Besatzungen
       
       Noch in diesem Jahr hilft der Hersteller Rheinmetall den Jordaniern
       überdies bei der Ausbildung der Marder-Besatzungen. Der Düsseldorfer
       Rüstungskonzern brüstet sich damit sogar auf der eigenen Webseite: „Im
       Rahmen des Programms der Bundesregierung zur Ertüchtigung der Streitkräfte
       Jordaniens hat Rheinmetall die Soldaten des Königreichs umfassend am
       Schützenpanzer Marder 1A3 ausgebildet“, heißt es da. Fotos zeigen Soldaten,
       die sich über das Geschütz eines der Panzer beugen – und Marder in voller
       Fahrt, die im Wüsteneinsatz eine Staubwolke hinter sich herziehen.
       
       Die Firma Rheinmetall hatte nach eigenen Angaben „neben der technischen
       auch die taktische Ausbildung auf Kompanieebene“ übernommen. „Aufgrund
       mangelnder eigener Kapazitäten“ habe die Bundeswehr Rheinmetall mit diesem
       Training beauftragt – eingeschlossen „Schießausbildung“ mit der
       20-Millimeter-Maschinenkanone, die auf den Panzern installiert ist. „Bis zu
       acht Rheinmetaller“ sowie „ehemalige Bundeswehrsoldaten mit den
       erforderlichen Qualifikationen für solches Technik- und Taktik-Training“
       habe der Konzern dafür „vor Ort“ in Jordanien eingesetzt.
       
       Laut Rheinmetall war es das erste Mal, dass die Bundeswehr ein Unternehmen
       damit beauftragt habe, „eine Kompanie zu schulen“. Und Rheinmetall
       bestätigte jetzt auf Anfrage der taz: „Die Ausbildungsmaßnahmen laufen
       derzeit noch und werden im Jahr 2021 wie geplant zum Abschluss gebracht.“
       
       Es war die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die
       im Jahr 2016 die ersten dieser Schützenpanzer an das jordanische Militär
       übergab. Ein Jahr später half das Königreich seinerseits der deutschen
       Ministerin aus der Patsche. Damals entschied die Bundesregierung, in der
       Türkei stationierte Tornado-Jets abzuziehen, weil das Land keine deutschen
       Abgeordneten mehr als Besucher auf den Stützpunkt ließ. Die Bundeswehr
       verlegte darauf ihre Tornados für den Einsatz gegen den IS auf einen
       Flugplatz östlich der jordanischen Hauptstadt Amman.
       
       Dabei war bereits im Jahr 2017 bekannt, dass das Königreich im Umgang mit
       Kriegsgerät nicht über jeden Zweifel erhaben war. Laut des
       Rüstungsexportberichts für dieses Jahr verweigerte die Bundesregierung
       damals die Ausfuhr von Munition nach Jordanien – wegen eines Risikos „der
       Abzweigung von Militärtechnologie“ oder „der Wiederausfuhr von
       Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen“. Von der Leyen lobte
       Jordanien bei einem Besuch Anfang 2018 dennoch als „eine Stimme des
       Ausgleichs und eine Stimme der Vernunft“ im Nahen Osten.
       
       Rechtlich scheint es möglich, die Ausfuhr von Kriegsgerät nach Jordanien zu
       erlauben, selbst wenn das Land ein UN-Embargo bricht – insbesondere wenn es
       keine deutschen Rüstungsgüter sind, die auf Abwege geraten. „Wenn ein Land
       mit anderen Waffen ein UN-Embargo bricht, dann ist das eventuell ein
       Gesichtspunkt für die Prüfung, aber eine Versagung eines Exports ist nicht
       zwingend“, sagt Arnold Wallraff, der früher das Bundesamt für Wirtschaft
       und Ausfuhrkontrolle (Bafa) führte und heute der Fachgruppe Rüstungsexporte
       der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ angehört, die sich für
       die beiden großen Kirchen des Landes kritisch mit dem Thema befasst.
       
       Die in der EU geltenden Kriterien für Rüstungsexport verlangen, bei
       Empfängerländern die „Einhaltung des Völkerrechts“ zu berücksichtigen.
       „Wenn die Bundesregierung es wirklich ernst meint mit ihren Bemühungen um
       Frieden in Libyen, muss sie Jordanien sofort von der
       Ertüchtigungsinitiative ausschließen“, verlangt darum Susanne Weipert, die
       Koordinatorin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, hinter der
       große kirchliche Organisationen wie Brot für die Welt und Misereor stehen.
       Ginge es nach dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz, so die Einschätzung
       von Weipert, hätte die Bundesregierung „die Genehmigung für Rheinmetall
       sofort widerrufen müssen“, nachdem Embargoverstöße bekannt geworden seien.
       
       Im Moment herrscht in Libyen ein brüchiger Waffenstillstand. Anlässlich
       seines Besuchs der Einheitsregierung am 25. März in Tripolis sprach Heiko
       Maas zwar davon, dass weiter Kämpfer, Waffen und Kriegsmaterial nach Libyen
       kommen. Er behauptete jedoch, dass es zuletzt „Fortschritte“ in dieser
       Frage gegeben habe. Nur kurz zuvor, am 8. März, hatten UN-Experten in einem
       Bericht die Lage in Libyen ganz anders bewertet: Das Waffenembargo gegen
       das Land sei „vollkommen wirkungslos“. Und als einen der
       Hauptverantwortlichen nannten sie erneut das Königreich Jordanien.
       
       3 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Martin Tillack
       
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