# taz.de -- Wagenknecht-Partei gegründet: Die vage Welt der Wagenknecht
       
       > Am Montag hat Sahra Wagenknecht in Berlin ihre neue Partei der Presse
       > vorgestellt. Auch die Spitzenkandidaten zur Europawahl gab sie bekannt.
       
 (IMG) Bild: Kurioses Trio: Wagenknecht begrüßt Klaus Ernst (einst links) Thomas Geisel (bisher SPD) beim Gründungsakt ihrer neuen Partei
       
       BERLIN taz | Den Umgang mit Medien beherrscht sie. Dass Sahra Wagenknecht
       im Januar ihre Partei gründet, war bekannt. In der vergangenen Woche wurde
       dazu eine Pressekonferenz angekündigt, hoch offiziell im Haus der
       Bundespressekonferenz in Berlin. Am Freitag wurde öffentlich, wer dort
       neben Sahra Wagenknecht auf dem Parteipodium sitzen würde: [1][Fabio De
       Masi] zum Beispiel, ehemaliger Linken-Politiker, Finanzexperte und
       Cum-Ex-Aufklärer. Außerdem der ehemalige SPD-Oberbürgermeister von
       Düsseldorf, Thomas Geisel, ein Überraschungscoup.
       
       Beide sollen bei der Europawahl im Juni als Spitzenkandidaten für das neue
       [2][„Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“] antreten,
       gab Wagenknechts Weggefährtin Amira Mohamed Ali bei der Pressekonferenz am
       Montag bekannt. Die Partei war erst am Vormittag in einem Berliner Hotel
       gegründet worden. Zu den rund 40 Gründungsmitgliedern gehören Sahra
       Wagenknecht und Mohamed Ali, die beide zu Vorsitzenden gewählt wurden.
       
       Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde der Bauingenieur und
       Wirtschaftswissenschaftler Shervin Hagsheno, zum Generalsekretär der
       ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Leye gewählt. Als
       Geschäftsführer amtiert nun der ehemalige Linken-Geschäftsführer in
       Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön.
       
       Das Medienaufgebot ist so groß wie im Oktober, als Wagenknecht mit ihren
       Getreuen an selber Stelle ihren Austritt aus der Linkspartei und die
       Gründung eines Vereins verkündet hatte, der die Parteigründung vorbereiten
       sollte. Damals saß der badische IT-Unternehmer Ralph Suikat mit auf dem
       Podium. Er wurde nun zum Schatzmeister der Partei ernannt. Bisher hat er
       bereits 1,4 Millionen Euro an Spenden eingesammelt, als Startkapital für
       die Partei.
       
       Sympathie für Bauernproteste 
       
       Programmatisch habe sie „nicht so viel Überraschendes anzubieten“, gesteht
       Wagenknecht zunächst. Ein detailliertes Programm ihrer Partei werde erst
       zum Parteitag vorliegen und noch mit Experten erarbeitet. Einige Grundzüge
       wurden aber schon bei der Vereinsgründung im Oktober vorgestellt. Ihre
       Partei solle langsam und kontrolliert wachsen. „Wir gucken uns jeden an,
       der kommt“, um nicht Glücksritter und Hasardeure anzuziehen, die sich gar
       nicht mit den Zielen der Partei identifizieren. Das sei eine
       „Mammutaufgabe“, aber: „Wir sind zuversichtlich, zu allen drei Wahlen mit
       kompetenten Landeslisten antreten zu können.“
       
       Fehlende konkrete Inhalte kompensiert [3][Wagenknecht mit Populismus].
       „Hier vor der Tür protestieren die Bauern“, sagt sie. Die Regierung habe
       „keinen Plan, außer ihnen das knappe Geld aus den Taschen zu ziehen“. Über
       diese „Arroganz im Berliner Regierungsbezirk“ seien sie zu Recht wütend.
       „Ich bin froh, dass die Menschen sich jetzt wehren“, so Wagenknecht.
       Natürlich seien Traktoren in Berlins Mitte auch eine „Demonstration der
       Macht“, sagt sie lächelnd. Aber das gehöre nun mal zu einer Demokratie und
       zeige, „dass Protest sinnvoll und wichtig ist“.
       
       Stolz ist Wagenknecht darauf, zwei Quereinsteiger an der Spitze ihrer
       Partei zu haben. Neben Ralph Suikat ist das Shervin Hagsheno, der an der
       Universität in Karlsruhe lehrt. „Auch ich habe in den vergangenen Jahren
       Vertrauen verloren“, sagt er. In die Außen-, Bildungs- und
       Wirtschaftspolitik, deshalb habe er sich dem Bündnis von Sahra Wagenknecht
       angeschlossen. Ins selbe Horn [4][stößt Thomas Geisel]: Deutschland sei
       „ein Sanierungsfall geworden“. Die Energiewende und Digitalisierung komme
       nicht voran, der soziale Zusammenhalt sei gefährdet.
       
       Geübt pariert Wagenknecht anschließend die Fragen der Journalistinnen und
       Journalisten. Warum tritt sie bei der Europawahl nicht selbst als
       Spitzenkandidatin an? „Weil mein Platz im Bundestag ist“, sagt Wagenknecht.
       Sie werde aber viel im Wahlkampf dabei sein. Es gehe schließlich „auch um
       das bundespolitische Signal“ an die Ampel.
       
       Handele es sich bei ihrem Bündnis um eine linke Partei? Viele Menschen
       könnten mit diesen „Labels“ nicht mehr viel anfangen, sagt Wagenknecht.
       „Links“ werde heute mit Themen wie Gender und „Lifestyle-Fragen“ in
       Verbindung gebracht. Zugleich würden sogar Waffenlieferungen in
       Krisengebiete heute als linke Politik gelten – ein Seitenhieb auf Annalena
       Baerbock, die gerade den Verkauf weiterer Kampfjets an Saudi-Arabien
       freigegeben hat.
       
       Bei der Klimapolitik bleibt sie vage. Der Klimawandel sei „natürlich eine
       ernste Herausforderung“, räumt sie ein. Aber Deutschland könne das nicht
       allein bewältigen, und die Ampel mache ohnehin alles falsch. Das
       Heizungsgesetz sei „nicht sinnvoll“, Fernwärme sei besser, als alte Gebäude
       mit Wärmepumpen aufzurüsten. Statt die Lkw-Maut zu erhöhen, sollten mehr
       Güter auf die Schiene verlagert und die Kapazitäten bei der Bahn erhöht
       werden. Und statt Verbrennermotoren zu verbieten, sollten Automobilkonzerne
       Anreize bekommen, verbrauchsärmere Modelle zu entwickeln.
       
       Heikel wird es auch beim Thema Migration. „Wir haben eine unkontrollierte
       Migration, die Zahlen sind zu hoch“, sagt Wagenknecht, die bisherige
       Migrationspolitik sei insgesamt „verfehlt“, das könne „jeder
       Kommunalpolitiker bestätigen“. Denn das individuelle Grundrecht auf Asyl
       bringe die Kommunen an ihre Grenzen.
       
       Wagenknecht spricht sich für Asylverfahren an den Außengrenzen und in
       Drittstaaten aus und behauptet forsch, weniger als ein Prozent aller
       Asylsuchenden würden Asyl erhalten – was so nicht stimmt und ihr von einer
       Journalistin auch Widerspruch einbringt.
       
       Fabio De Masi versucht später, abzuwiegeln: Sicher sei man nicht in allem
       einer Meinung, schließlich wolle man „Volkspartei“ sein, aber das Recht auf
       Asyl stehe außer Frage. Und, sagt er: „Mein Großvater war in Italien
       Widerstandskämpfer. Ich würde nie in eine Partei eintreten, die
       rechtsnational ist.“ Auch der Vorwurf der Russlandnähe sei „infam“.
       
       Der Co-Vorsitzende der Linkspartei, [5][Martin Schirdewan], reagierte indes
       betont gelassen auf die Gründung der neuen Partei. „Es handelt sich um
       keine neue linke Formation“, sagt er am Montag im Karl-Liebknecht-Haus, der
       Parteizentrale der Linken. Er sehe deshalb im BSW auch keine Konkurrenz und
       konzentriere sich vielmehr darauf, die Linkspartei zu stärken.
       
       Deutlichere Worte findet seine Stellvertreterin Katina Schubert. „Eine
       Partei, die mit Fantasiezahlen beim Thema Migration Stimmung macht, gibt es
       bereits schon“, kommentiert Schubert gegenüber der taz die Asylaussagen
       Wagenknechts. Aber es zeige auch deutlich, „in welchem Spektrum sich die
       Truppe verordnen wird“. Dass das BSW für den Europawahlkampf jemanden ins
       Rennen schicken wolle, „der meint, dass die Agenda 2010 nicht hart genug
       durchgezogen wurde“, sei „vieles, aber keine Opposition gegen die Ampel“,
       [6][sagte Schubert mit Blick auf Thomas Geisel.] Der ehemalige
       SPD-Politiker hält den Umbau des Sozialsstaats durch Gerhard Schröder bis
       heute für vorbildlich.
       
       8 Jan 2024
       
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