# taz.de -- Wasserknappheit und Hitze: Ende der Poolparty
       
       > Wasser zu rationieren könnte auch in Teilen Deutschlands Normalität
       > werden. Vor allem die größten Verbraucher müssten reguliert werden: die
       > Konzerne.
       
 (IMG) Bild: Trinkwasser im Planschbecken? Könnte in Zukunft tabu sein
       
       Extreme Hitze hat verheerende Auswirkungen für die Menschen. Das beweisen
       zurzeit sowohl [1][die Hitzewelle in Italien] als auch die [2][im Jemen].
       An den Folgen dieser Hitzewellen starben in beiden Ländern im Juni
       Menschen. Und auch in Deutschland [3][zählten Forschende zwischen 2018 bis
       2020 jeweils zu Tausenden Sterbefälle], die durch die ansteigenden
       Temperaturen verursacht wurden. Besonders gefährdet sind ältere Menschen.
       
       Hitzetote sind der tragische Höhepunkte von extrem hohen Temperaturen. Doch
       Hitzewellen haben auch [4][Folgen für den Alltag, die alle Menschen
       betreffen]. Dazu zählt, dass Fluss- und Grundwasser und damit auch
       Trinkwasser knapper werden. In Italien haben Städte wie Verona aufgrund der
       anhaltenden Dürre bereits den Trinkwasserverbrauch von Privatpersonen
       reguliert. Trinkwasser darf dort bis Ende August nur noch für Essenzielles
       wie Körperhygiene oder zum Essen und Trinken genutzt werden. Wer
       Trinkwasser dennoch für andere Zwecke verwendet, wie für den Garten oder
       den Pool, muss dies zwischen 21 Uhr und 6 Uhr nachts tun. Ansonsten drohen
       Bußgelder von bis zu 500 Euro.
       
       Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Einschränkungen dieser Art auch in
       Teilen Deutschlands Realität werden könnten. Zu beobachten ist das bereits
       in Brandenburg im Wasserverband Strausberg-Erkner. Dort werden Neuverträge
       mit Privatkunden gedeckelt, also mit einer Obergrenze zur verfügbaren
       Wassermenge verkauft. Die gedeckelten Verträge in Brandenburg sind erste
       Warnhinweise. Das ungerechte an diesen Wasserrationierungen: Sie treffen
       fast ausschließlich Privathaushalte, nicht aber die Großindustrie, die – je
       nach Schätzungen – etwa zwei Drittel bis vier Fünftel des Wassers
       verbraucht.
       
       In einer Zukunft des notwendigen Verzichts im Sinne der Gemeinschaft sollte
       den größten Akteuren der freien Marktwirtschaft jedoch keine Sonderstellung
       seitens der Politik eingeräumt werden. Das Problem jedoch ist, dass man die
       Konzerne aktuell kaum regulieren kann.
       
       Aus einer Untersuchung des Recherchezentrums Correctiv geht hervor, dass
       der Wasserverbrauch vieler Konzerne bis lange in die Zukunft vertraglich
       gesichert ist. Die Tagebaue von RWE verbrauchen in etwa so viel Wasser wie
       11 Millionen Bürger:innen. Bis zum Kohleausstieg, also nach aktueller
       Gesetzeslage bis spätestens 2038, zahlt der Konzern aber nur 5 Cent pro
       Kubikmeter Wasser. Getoppt wird RWE vom Chemieriesen BASF, dem Unternehmen
       mit dem höchsten Wasserverbrauch in Deutschland. Die aktuellen Verträge
       billigen BASF bis zu 1,6 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr zu, heißt es
       in der Recherche. Das entspreche in etwa dem Verbrauch von 35 Millionen
       Privathaushalten. Kostenpunkt: 0,75 Cent pro Kubikmeter Wasser.
       
       Andere Großkonzerne zahlen vermutlich gar nichts für das abgespeiste Fluss-
       und Grundwasser, denn nicht alle Bundesländer haben gesetzliche Regelungen
       dazu. So konnte Thüringen dem Rechercheteam nicht zurückmelden, wie viel
       Grundwasser private Großverbraucher entnehmen, da das Land keine Zahlen
       dazu führt.
       
       ## Wahrscheinlichkeit für Hitzejahre steigt
       
       Staatliche Wassereinschränkungen würden also vermutlich nicht die größten
       Verbraucher treffen. Mit jedem Zehntelgrad Erwärmung steigt die
       Wahrscheinlichkeit für Hitzejahre und damit die Wasserknappheit sukzessive
       an. Der ebenfalls immer öfter vorkommende Starkregen nützt dem
       Grundwasserspeicher, woraus der Großteil des Trinkwassers entnommen wird,
       wenig. Im Gegenteil: Das Wasser versickert nicht, sondern fließt über die
       Flüsse ab. Anstelle von Starkregen bräuchte es anhaltenden, leichten
       Regen, der Jahr für Jahr regelmäßig fällt. Das wird durch die Klimakrise
       immer unwahrscheinlicher.
       
       Expert:innen wie die Nabu-Pressereferentin Alexandra Rigos in Berlin
       rechnen damit, dass das Italien-Szenario auch in Teilen Deutschlands real
       wird. Wann genau, ist schwer abzuschätzen. Doch wenn sich die Dinge so
       weiterentwickeln wie bisher, so Rigos, werde [5][Trinkwasser irgendwann
       nicht mehr zum Planschen im Pool] oder zum Blitzeblankwaschen des Autos
       genutzt werden können.
       
       Es ist eine echte Umweltsauerei, sein Auto mit Unmengen von Leitungswasser
       zu waschen oder das Planschbecken im Garten jeden Tag neu zu befüllen. Aber
       es ist eine noch größere Sauerei, die immer knapper werdende Ressource
       Wasser fast ausschließlich an die Industrie zu verscherbeln.
       
       ## Verteilung knapper Ressourcen
       
       Die Situation in Deutschland und in Italien ist nicht vollends
       vergleichbar, nicht alles spricht für die gleichen Auflagen hierzulande.
       Das marode Versorgungsnetz in Italien verliert 42 Prozent seines Wassers
       laut einer Studie des italienischen Versorgungsamtes Istat. Viel
       Trinkwasser versickert wegen undichter Leitungen und Zisternen auf dem Weg
       zum Ziel.
       
       Das deutsche Versorgungsnetz ist deutlich besser in Schuss. In einigen
       Teilen versickere zwar auch hier viel Trinkwasser, doch seien es bis vor
       die Haustür eher um die 10 Prozent, schätzt Grundwasserforscher Andreas
       Hartmann von der TU Dresden. Das ändert aber nichts daran, dass die
       Ressource schwindet.
       
       Auch wenn Einschränkungen wie in Italien für die meisten Menschen in
       Deutschland noch Zukunftsmusik sind: Wenn sie notwendig werden, ist eine
       gerechte Aufteilung der knapper werdenden Ressource Wasser wichtig für das
       Vertrauen in die Demokratie. Die Verteilung knapper Ressourcen ist
       schließlich eine der Kernaufgaben demokratischer Systeme.
       
       8 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Duerre-in-Italien/!5862219
 (DIR) [2] /Hitzewelle-im-Jemen/!5863569
 (DIR) [3] https://www.tagesschau.de/inland/hitzetote-105.html
 (DIR) [4] /Studie-zu-Hitze-und-Gesundheit/!5859130
 (DIR) [5] /Hitzewelle-in-Deutschland/!5859621
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Enno Schöningh
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wassermangel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) klimataz
 (DIR) Dürre
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Jemen
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Mittelmeer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Forscherin über Hitze und Klima: „Ich habe keine Angst vor der Zukunft“
       
       Friederike Otto ist sich sicher, dass wir schon in der Gegenwart mitten in
       der Krise stecken. Sie erklärt, wie Extremwetter soziale Ungleichheit
       verschärft.
       
 (DIR) Bürgermeister über Hochwasserhilfen: „Das Geld kommt bei zu wenigen an“
       
       Der Wiederaufbau nach der Ahrflut 2021 stockt. Der Bürgermeister von
       Stolberg macht dafür vor allem die komplexe Bürokratie verantwortlich.
       
 (DIR) Hitzewelle im Jemen: 47 Grad, kein Strom, keine Kühlung
       
       Im jemenitischen Gouvernement Hodeidah klettern die Temperaturen in
       lebensgefährliche Höhen. Es gibt kaum Strom, sich abzukühlen ist fast
       unmöglich.
       
 (DIR) Studie zu Hitze und Gesundheit: Klimakrise kostet Schlaf
       
       Steigende Temperaturen gehen auch auf Kosten der Schlafqualität, sagt eine
       Studie. Besonders betroffen sind ärmere und ältere Menschen.
       
 (DIR) Hotspot der Klimakrise: Mach's gut, Mittelmeer
       
       Laut Uno-Bericht ist der Mittelmeerraum Hotspot des Klimawandels.
       Waldbrände, Hitze und Dürre nehmen zu. Abschied von einem Sehnsuchtsort.