# taz.de -- Zukunft der Zeitung: Wie machen es die anderen?
       
       > Redaktionsfusionen, Podcasts, Bezahlschranken – so verhalten sich
       > deutsche Zeitungshäuser in digitalen Zeiten.
       
 (IMG) Bild: Wer glaubt noch an die Zukunft der gedruckten Zeitung?
       
       ## Der Spiegel 
       
       Über die Frage, wie das einstige „Sturmgeschütz der Demokratie“ sicher in
       die Zukunft kommt, sind beim [1][Spiegel ] in den vergangenen Jahren
       mehrere Chefredakteure gestolpert. Zuletzt Klaus Brinkbäumer, der nach
       knapp vier Jahren im Amt [2][Mitte August abgesetzt wurde]. Ihm folgt ab
       Herbst ein Dreigespann und echtes Novum in der Geschichte des Magazins:
       Spiegel und Spiegel Online werden künftig gemeinsam geleitet von dem
       langjährigen Spiegel-Printredakteur Ullrich Fichtner, der bisherigen
       Online-Chefredakteurin Barbara Hans und dem Noch-Chef des gedruckten und
       digitalen Manager Magazins, Steffen Klusmann. Ihnen soll gelingen, was
       bisher kein Spiegel-Chef geschafft hat: die digitale Transformation und die
       Fusion von Print- und Onlineredaktion.
       
       Dass sich die Gesellschafter zur Dreier-Online-Print-Spitze durchgerungen
       haben, zeigt, wie ernst die Lage ist. Der gedruckte Spiegel hat extrem an
       Auflage verloren. Gut 700.000 Exemplare werden derzeit noch wöchentlich
       verkauft. Das sind so wenige wie zuletzt 1966. Dazu kommen massive
       Anzeigeneinbrüche. Vor drei Jahren legte sich die Geschäftsführung selbst
       ein Sparprogramm auf: Mit der „Agenda 2018“ sollten bis 2018 15 Millionen
       Euro eingespart werden, unter anderem durch Personalabbau. Knapp 150
       Stellen fielen weg, das hatte es bis dahin beim Spiegel noch nicht
       gegeben.
       
       Umso besser geht es Spiegel Online. 2017 war dessen erfolgreichstes Jahr –
       sowohl was die Klickzahlen als auch die Einnahmen anbelangt. Das
       Onlineangebot erwirtschaftet mittlerweile ein Drittel des Gewinns der
       gesamten Spiegel-Gruppe, in fünf Jahren sollen es 40 Prozent sein.
       
       Aber auch Spiegel Online sucht weiter danach, wie sich online Geld
       verdienen lässt. In den vergangenen Jahren hat die Redaktion einiges
       ausprobiert. Da waren zum Beispiel die digitale Abendzeitung Spiegel Daily
       und die sogenannten Premiumartikel, die LeserInnen für 39 Cent pro Stück
       einzeln kaufen konnten. Ganz schön kompliziert war das und lief nicht
       besonders gut, deswegen gibt es nun [3][seit drei Monaten Spiegel+], die
       Flatrate für alle digitalen Inhalte. Für 19,99 Euro bekommen LeserInnen
       sämtliche Digitalangebote, inklusive der Premiumartikel und des E-Papers,
       also der digitalen Ausgabe des Heftes. Das scheint zu funktionieren: 94.500
       Menschen nutzen Spiegel+ schon, schrieb der Spiegel-Produktchef Stefan
       Ottlitz gerade online.
       
       Kostenfrei bietet Spiegel Online mittlerweile mehrere Newsletter zu
       Politik, Kultur und Kolumnen an, daneben auch mehrere Podcasts. Erfolgreich
       ist auch Bento, das junge Portal von Spiegel Online. Es ist ein reines
       Onlineangebot, mit eigener Redaktion und eigener Webseite. Die ist weniger
       nachrichtenstark als Spiegel Online und richtet sich an 20 bis 25-Jährige.
       Anne Fromm
       
       ## Madsack / Redaktionsnetzwerk Deutschland
       
       Der Name ist alles andere als eingängig, trotzdem hört man ihn immer wieder
       im Radio: [4][Redaktionsnetzwerk Deutschland] (RND). Das ist die
       Zentralredaktion aller Zeitungen, die zum Medienhaus Madsack gehören oder
       von ihr mit Texten und fertigen Seiten beliefert werden. Momentan sind das
       gut 30 Lokalzeitungen, dazu gehören die Märkische Allgemeine Zeitung,
       Lübecker Nachrichten, Ostsee-Zeitung, Hannoversche Allgemeine, Leipziger
       Volkszeitung.
       
       Ab Oktober werden es 40 sein, dann kommen die Berliner und die
       Mitteldeutsche Zeitung dazu, genau wie der Kölner Stadtanzeiger und der
       Kölner Express. Sie alle beziehen ihre Inhalte zur überregionalen Politik,
       Wirtschaft und zum Teil auch für Sport und Vermischtes aus der
       Madsack-Zentrale in Hannover und deren Berliner Büro.
       
       In den Lokalredaktionen entstehen dann nur noch die Inhalte für die Lokal-
       und Regionalseiten. Die Idee dahinter: Der Leser in Köln liest sowieso
       nicht, was in der Leipziger Volkszeitung steht. Deswegen können die
       überregionalen Texte auch dieselben sein. „Dann ist es doch besser, wenn
       sich Lokalzeitungen auf das konzentrieren, was sie am besten können,
       nämlich die Berichterstattung über das Lokale und Regionale“, sagt Wolfgang
       Büchner, Chefredakteur des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
       
       Das spart Personal und Geld. [5][Büchner glaubt trotzdem], dass die
       Zeitungen von dem Modell profitieren. „Früher hatten viele
       Regionalzeitungen jeweils einen einzigen Korrespondenten in Berlin. Das
       Berliner Büro des RND hat demnächst 18 Redakteure. Da hat jeder sein
       Spezialgebiet, seine Expertise und seine eigenen Quellen. Das beschert
       jeder einzelnen Regionalzeitung mehr Qualität und exklusive Inhalte, als
       sie allein stemmen könnte.“
       
       Ähnlich läuft es seit Kurzem auch mit den Onlineangeboten der
       Lokalzeitungen, die am RND beteiligt sind. Bisher hatten die meisten
       Blätter eine eigene kleine Onlineredaktion vor Ort. Die hat Madsack nun
       abgeschafft oder verkleinert und stattdessen eine zentrale Onlineredaktion
       in Hannover eingerichtet, die alle Webseiten steuert.
       
       Neben Madsack arbeitet auch die Funke Mediengruppe (Westdeutsche Allgemeine
       Zeitung, Thüringer Allgemeine, Hamburger Abendblatt) mit einer
       Zentralredaktion. Kritiker des Modells glauben, dass dadurch die
       Pressevielfalt leidet. Anne Fromm
       
       ## Bild-Zeitung
       
       Der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner geht schon deutlich länger als
       die meisten tazler mit der These hausieren, dass sich „die Idee der Zeitung
       vom Papier lösen“ muss. Allerdings bezieht Döpfner das nicht in erster
       Linie auf journalistische Inhalte. Denn die klassische gedruckte Zeitung
       bestand ja immer auch aus Werbung und Kleinanzeigen. Beides läuft in der
       gedruckten Zeitung nicht mehr. Und so wurde beides bei Springer nicht nur
       vom Papier, sondern auch vom journalistischen Ballast befreit: Während Welt
       und Bild noch Journalismus machen dürfen, kommen die Gewinne längst
       woanders her: von Immowelt und Stepstone, den digitalen Stellen- und
       Immobilienanzeigen.
       
       80 Prozent der Vorsteuergewinne steuert das Digitalgeschäft bei. Und so
       lässt es sich vermutlich etwas besser verschmerzen, dass die verkaufte
       Auflage des wichtigsten Blatts des Hauses, der Bild, zurückgeht. Gewaltig
       zurückgeht. Lag sie im zweiten Quartal 1998 bei gut 4,6 Millionen
       Exemplaren täglich, waren es zehn Jahre später noch 3,4 Millionen und
       jetzt, im zweiten Quartal dieses Jahres, lag die gedruckte und verkaufte
       Auflage nur noch bei 1,643 Millionen – obwohl die B.Z. und die Fußball-Bild
       eingerechnet werden. Ein Rückgang um knapp 65 Prozent.
       
       Das ist die bittere Print-Wahrheit. Woran das liegt? „Nichts hat uns ganz
       nachweislich wirtschaftlich in der Reichweite so sehr geschadet wie unsere
       klare, menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise“, hatte der
       heutige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt Ende 2016 gesagt. Daran kann es
       heute auf keinen Fall mehr liegen. Wahrscheinlicher ist, dass sich das
       geänderte Nutzungsverhalten ganz besonders bei der Bild niederschlägt, die
       stark auf Unterhaltung und Sport setzt. Inhalte, die auch online frei
       zugänglich ganz gut zu bekommen sind.
       
       [6][Online] ist Springers Blatt stark gewachsen: Fast 376 Millionen Visits
       weist die IVW im August 2018 für bild.de aus. 400.000 Nutzer zählt bild.de
       zudem täglich für seine Bezahlinhalte Bildplus. Wie viele davon allerdings
       tatsächlich extra Geld bezahlt haben – und nicht ein Kombiangebot genutzt
       haben (Kauf die Zeitung, kriegst ’nen Bildplus-Zugang drauf) – ist unklar.
       Jürn Kruse
       
       ## FAZ 
       
       Keine gedruckte Tageszeitung im Jahr 2022 mehr? Carsten Knop, Chefredakteur
       für digitale Produkte bei der [7][Frankfurter Allgemeinen Zeitung], lacht.
       Nein, ein Szenario wie bei der taz gebe es in Frankfurt nicht. Auch nicht
       für 2033 oder 2050. „Ich gehe davon aus – und das meine ich jetzt ganz
       ernst –, dass es auch in 50 Jahren noch Zeitungen auf Papier geben wird.“
       
       Auf der Website der FAZ sind derzeit ein Viertel aller Onlinetexte
       kostenpflichtig, das seien „signifikant mehr“ als zu Beginn des Jahres,
       sagt Knop. Wer das E-Paper abonniert hat, kann auch die kostenpflichtigen
       Onlinetexte lesen. Dafür zahlen derzeit 44.000 Menschen Geld. Zusätzlich
       zahlen muss man für das Angebot Einspruch (zu juristischen Themen), das es
       auch als App-Version zu kaufen gibt. Die Podcast-Variante, also ein
       hörbares Audio-Stück des [8][Einspruchs], kostet nichts.
       
       Der Podcast zu rechtlichen Fragen war im November 2017 der erste, den die
       FAZ ins Netz stellte. Podcasts seien mittlerweile „sagenhaft wichtig“, sagt
       Knop, das habe er sich vor einiger Zeit noch nicht vorstellen können. Viele
       Medien, auch der Spiegel, Die Zeit, Die Süddeutsche [9][und die taz],
       verpacken ihre Recherchen, Geschichten und Themen mittlerweile in
       abonnierbare Hörstücke. Der Boom hat auch damit zu tun, dass die
       Möglichkeiten, unterwegs Inhalte zu streamen, sehr viel besser geworden
       sind.
       
       Im Bereich Podcasts „mussten wir Gas geben und wir tun es“, sagt Knop.
       Zuletzt an den Start gingen Digitec und FAZ Essay. Wer 25 Minuten Zeit
       mitbringt, kann sich in letzterem Podcast zum Beispiel den Essay „1968:
       Was die Revolte auf den Kopf gestellt hat – und was nicht“ vorlesen lassen.
       Ein weiteres Audioprojekt wird mit Fördergeldern von Google entwickelt, es
       soll sich vorrangig an textscheue Nutzer richten.
       
       Knop sagt, faz.net werde zu 60 Prozent auf mobilen Endgeräten gelesen,
       Tendenz stark steigend. „Der Laie auf der Straße“, so nennt er das, werde
       das angesichts des Images der FAZ „wahrscheinlich nicht vermuten“. Wie sich
       digitale Zeitungen in Zukunft machen werden, hänge auch von der Entwicklung
       der Endgeräte ab, sagt Knop. „Wir werden in fünf Jahren ganz andere haben
       als jetzt und in zehn Jahren wieder andere. Es wird ja nicht beim iPad
       bleiben.“ René Martens
       
       25 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
 (DIR) Anne Fromm
 (DIR) René Martens
       
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