# taz.de -- Zusammenarbeit mit der AfD: Schwarze Löcher in der Brandmauer
       
       > Eine Studie zählt 121 Fälle der Zusammenarbeit demokratischer Parteien
       > mit der AfD in ostdeutschen Kommunen. Meist war die CDU beteiligt.
       
 (IMG) Bild: Landrat Robert Sesselmann von der AfD macht ein Selfie
       
       BERLIN taz | Der AfD-Politiker Robert Sesselmann ist seit vergangenem Juli
       Landrat im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Seine Wahl war [1][ein
       Schock]. Zum ersten Mal ging ein so hohes kommunalpolitisches Amt an einen
       Politiker der AfD, [2][die Partei] ist im Land als erwiesen rechtsextrem
       eingestuft. Dass sich Sesselmann knapp gegen seinen CDU-Kontrahenten
       durchgesetzt hat, könnte laut Steven Hummel auch an einer Normalisierung
       liegen, zu der zuvor der Kreistag vor Ort einen Beitrag geleistet hat.
       
       Hummel, Politikwissenschaftler von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, hat
       gemeinsam mit seiner Kollegin Anika Taschke die Zusammenarbeit von
       demokratischen Parteien mit der AfD in ostdeutschen Kommunalparlamenten
       untersucht – von Juni 2019, als sich die Gremien nach der Kommunalwahl
       konstituiert haben, bis zum vergangenen Dezember. Insgesamt sind sie dabei
       auf 121 konkrete Fälle gestoßen. Bei 52 und damit den weitaus meisten
       handelt es sich um eine Kooperation zwischen CDU und AfD. „Das zeigt die
       besondere Bedeutung des Konservatismus“, sagt Taschke.
       
       Eine Zusammenarbeit aber habe es mit allen im Bundestag vertretenen
       demokratischen Parteien gegeben. Nach der CDU folgen mit deutlichem Abstand
       FDP, SPD, Linke und Grüne. Hinzu kommen kommunale Wählervereinigungen. Als
       Kooperation gezählt würden nur formale, nachweisbare Prozesse, betont
       Taschke. „Es geht nicht um Absprachen im Hinterzimmer oder Biertrinken nach
       der Ratssitzung.“ Die hauptsächliche Form der Zusammenarbeit sei
       gemeinsames Abstimmungsverhalten, in 74 Fällen ist laut Studie dabei die
       Initiative von der AfD ausgegangen. Aufgelistet werden aber auch gemeinsame
       Fraktionsbildungen, eindeutige Absprachen und Zählgemeinschaften. „Die
       verbreitete Erzählung, dass extrem rechten Anträgen nicht zugestimmt wird,
       ist empirisch nicht zutreffend“, sagt Hummel. Er geht zudem von einer
       großen Dunkelziffer aus.
       
       Die meisten Fälle, insgesamt 46, stammen aus Sachsen. Das könnte aber auch
       daran liegen, dass Hummel dort bereits eine frühere Untersuchung
       durchgeführt hat. Man erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, heißt es
       zudem.
       
       ## Die drohende Normalisierung
       
       Allein in Sonneberg sind laut Studie sieben Fälle von Zusammenarbeit
       dokumentiert. Einer davon: eine Resolution gegen überhöhte Energiepreise.
       Die AfD hat sie im November 2022 eingebracht, Sesselmann hat sie begründet.
       Alsdann wurde sie vom Kreistag einstimmig angenommen. Ein zweiter Fall:
       eine Resolution gegen Windkraftanlagen im Sonneberger Land, den die AfD im
       Februar 2020 in den Kreistag einbrachte. Die CDU/FDP-Fraktion, so Hummel,
       sei der Ansicht gewesen, dass die Resolution nicht weit genug ging, habe
       sie entsprechend verschärft und ihr dann gemeinsam mit der AfD zugestimmt.
       
       Eine Zusammenarbeit wie in diesen beiden Fällen sei brandgefährlich, sagt
       Taschke: „Damit wird der Normalisierung extrem rechter Parteien und ihrer
       Positionen Vorschub geleistet.“ Auch bestehe die Gefahr, dass sich die
       Zusammenarbeit von der Kommunalpolitik auf die Landes- und Bundesebene
       fortpflanze. Zu behaupten, im Kommunalen gehe es nur um vermeintlich
       unpolitische Sachthemen, sei falsch: „Man darf AfD-Politiker vor Ort nicht
       von ihrer Partei und den Aussagen ihrer Bundespolitiker trennen.“
       
       Während Resolutionen wie in Sonneberg keine unmittelbaren politischen
       Auswirkungen haben, ist dies bei anderen Beispielen durchaus der Fall. In
       der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung etwa machten AfD und CDU im
       Oktober 2023 gemeinsam einen Beschluss rückgängig, mit dem sich die
       Brandenburger Stadt zum „Sicheren Hafen“ erklärt hatte. Mit der
       Bereitschaft der Stadt, freiwillig Geflüchtete aufzunehmen, ist es demnach
       vorbei.
       
       13 Mar 2024
       
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