# taz.de -- Rassistischer Brandanschlag: Ein Fremdenfeind im Idyll
       
       > Das Landgericht Lübeck hat einen Nachbarn wegen des Anschlages in
       > Escheburg zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt – mit deutlichen
       > Worten.
       
 (IMG) Bild: Für den Verurteilten eine Idylle, aber nur ohne Flüchtlinge: Siedlung in Escheburg bei Hamburg
       
       LÜBECK taz | Kim-Alexander M. gab sich vor dem Lübecker Landgericht betont
       reumütig. „Ich kann mich für meine Tat nur entschuldigen, ich bekennen mich
       und schäme mich“, sagte M. und bat um eine „milde Strafe“. Der 39-jährige
       Finanzbeamte hatte schon zu Auftakt des Prozesses gestanden, einen
       Brandsatz in eine Flüchtlingsunterkunft in Escheburg geworfen zu haben –
       einen Tag bevor Geflüchtete dort einziehen sollten.
       
       Die Lübecker Richter sind der Bitte des Finanzbeamten nicht nachgekommen.
       Die Kammer verurteile den Beschuldigten am Montag zu einer Bewährungsstrafe
       von zwei Jahren. „Es war eine gemeingefährliche Straftat und eine
       fremdenfeindliche Tat“, sagte Richterin Helga von Lokowicz. Wird das Urteil
       rechtskräftig, verliert M. seinen Beamtenstatus.
       
       Am 9. Februar hatte M. in das benachbarte Doppelhaus durch ein kaputtes
       Fenster erst Pinselreiniger gegossen und dann den Kanister mit der
       Flüssigkeit hineingeworfen und mit Streichhölzern angezündet. Das
       Geständnis war nicht überraschend: DNA-Spuren hatten die Ermittler auf
       seine Spur gebracht.
       
       Bei seiner Einlassung vor Gericht sagte Familienvater M.: „Ich habe meine
       eigenen Werte als Beamter und Christ mit Füßen getreten.“ Die ganze
       Nachbarschaft wäre allerdings auch verärgert gewesen, dass das Amt Hohe
       Elbgeest über „ihre Köpfe“ hinweg sechs junge Männer in die Siedlung setzen
       wollte. Er wäre in Angst und Sorgen um die Frauen und Kinder gewesen.
       
       ## Anwohner beschweren sich
       
       Wenige Stunden vor dem Anschlag hatten über zehn Anwohner die
       Amtsverwaltung aufgesucht, um lautstark gegen die Unterbringung der
       Flüchtlinge zu protestieren. „Wir sind da total aufgelaufen“, beschwerte
       sich eine Zeugin, die gleich sagte, dass sie überlegt habe, die Unterkunft
       mit Wasser unbenutzbar zu machen. Zu der Gruppe gehörte auch M., der gleich
       angedeutet haben soll, das am Abend etwas passiere.
       
       Im Saal 163 des Lübecker Landgerichts beteuerte M. aber, „wie in Trance
       gehandelt“ zu haben, und entschuldigte sich erneut. Die Folgen für das
       Dorf, seine Familie und ihn selbst, wären ihm nicht bewusst gewesen. In
       seinem Plädoyer bemühte sich sein Anwalt Ralf von Busch ebenso, zu betonen,
       dass M. aus einer Mischung aus Wut, Angst und Vorurteilen gehandelt habe.
       Das, so der Anwalt, sei vielleicht verständlich, wenn befürchtet werde,
       dass das „Lebensidyll“ verloren gehen könnte.
       
       ## Reue war nicht erkennbar
       
       Die Argumentation kam beim Gericht nicht an: „Mit keinem Wort haben Sie
       erwähnt, dass Ihnen die Flüchtlinge leid tun, Sie tun sich nur selber
       leid“, sagte Richterin von Lokowicz zu dem Angeklagten. Wirkliche Reue wäre
       nicht zu erkennen. Noch jetzt würde er sich als Beschützer von Frauen und
       Kindern darstellen. Doch die unterstellte Bedrohung sei fremdenfeindlich,
       sagte sie.
       
       Eine Email von M. an das Amt diente der Vorsitzenden Richterin auch, um
       seine Fremdenfeindlichkeit zu belegen. In der Email hätte M. Informationen
       nur eingefordert, um gegen die Flüchtlingsunterkunft vorgehen zu können. Er
       wollte etwa wissen, wer den Männern die westlichen Kulturwerte beibringen
       solle, und sorgte sich um falsch abgestellten Müll.
       
       Von Lokowicz ließ nicht gelten, dass M. spontan gehandelt habe. Sie verwies
       darauf, dass M. seine Mitstreiter auf dem Amt aufgefordert hatte, am Abend
       wegzuschauen. „Er plante schon am Morgen des 9. Februar, etwas Illegales
       gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern zu unternehmen.“ Nach
       dem Urteil wollten weder M. noch sein Anwalt Stellung nehmen.
       
       11 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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