# taz.de -- Leuchten der Menschheit: Zweckfreies Leuchten
       
       > Zum „Internationalen Jahr des Lichts“ der Unesco hat die Malerin Silke
       > Silkeborg die Gruppenausstellung „150 Watt“ organisiert.
       
 (IMG) Bild: Das Licht und was Hamburger KünstlerInnen draus machen.
       
       HAMBURG taz | 150 Jahre ist es her, seit die erste, dauerhaft
       funktionsfähige Glühbirne patentiert wurde. Ein dünner Glaskörper, zwei
       Drähte plus Glühfaden, dann der Strom – und es ward Licht. Auf Wunsch zu
       jeder Nacht- und Tageszeit. Künstlich. Von wo aus es kein allzu weiter Weg
       ist zu einer künstlerischen Beschäftigung mit dem menschlich hergestellten
       Licht, in fortlaufender Konkurrenz zum Sonnenlicht, das einfach ist.
       
       In diesem Jahr soll dafür jedweder Raum gegeben werden, nicht nur, um das
       nun unbegrenzte Licht als Grundlage technischer Innovationen zu feiern,
       sondern auch, um es künstlerisch zu hinterfragen – dank des
       „Internationalen Jahrs des Lichts und lichtbasierter Technologie“. In
       Hamburg hat das die Malerin Silke Silkeborg übernommen, die mit „150 Watt“
       eine Gruppenausstellung im [1][Künstlerhaus] Sootbörn auf den Weg gebracht
       hat.
       
       Dabei haben die von Silke Silkeborg kuratierten KünstlerInnen nichts mit
       den „Lichtkünstlern“ zu tun, die so oft gebucht werden, wenn mit ein wenig
       Lichtspektakel etwa einfahrende Kreuzfahrtschiffe begrüßt werden sollen.
       „Das Meiste davon ist mindestens grenzwertig, oft ist es der reine Kitsch“,
       sagt sie und erzählt schaudernd vom Berliner Lichtfestival, als man das
       Brandenburger Tor unter anderem mit Blumenmotiven bestrahlte.
       
       Sie selbst wird ein grundlegend anderes Programm bieten; eines, das unsere
       Lichtversessenheit mal milde, mal entschieden analysiert. Eines, das sich
       auf den Weg macht, den Eigensinn des Lichts zu erkunden und seines
       Gegenteils, des Dunkels. Dabei hat sich Silkeborg bei der Auswahl von einer
       Art Dreierschritt leiten lassen: Da sind zunächst Arbeiten von
       KünstlerInnen, die ausschließlich zum Thema Licht arbeiten – wie Jürgen
       Albrecht mit seinen Videolichtkästen, in die man hineingesogen wird wie in
       eine neue Welt.
       
       Bei anderen ist das Licht (auch das Sichtbare; auch das Flüchtige) immer
       wieder mal Thema, wie bei der Filmemacherin Vanessa Nica Mueller, die in
       „Halbe Nacht“ die Kamera scheinbar ziellos durch die nächtliche und
       weitgehend menschenleere Stadt streifen lässt. Oder bei Dirk Meinzer,
       dessen Werk „Immer des Nachts V“ zunächst als unspektakuläres Punkte-Bild
       daher kommt. Doch dimmt man das Licht, fängt das Bild an zu leuchten und
       die eben noch unscheinbaren Punkte verknüpfen sich zu einem System.
       
       Wieder andere haben etwas eigens für die 150-Watt-Ausstellung erarbeitet –
       wie Julia Frankenberg, die Baumstämme mit LED-Leuchten bestückte. Silke
       Silkeborg selbst ist mit einer malerischen Position vertreten: städtisches
       Licht aus der Flugzeugperspektive wahrgenommen und dann händisch wie
       getupft nachempfunden. Die nicht enden wollende Lichterwelt, gesehen aus
       größter Höhe, gebannt auf Leinwand – größer kann der Gegensatz kaum sein.
       
       Generell hat sie sich als Kuratorin ausschließlich für Hamburger
       KünstlerInnen entschieden, die noch nie zusammen ausgestellt haben. „Es
       gibt in Hamburg zwar um die 2000 Künstler, aber meistens bleiben bestimmte
       Künstlergenerationen unter sich, verteilen sich auf bestimmte
       Künstlerhäuser und stellen bevorzugt zusammen aus. Das kann man schließlich
       mal ändern. Und schauen, was sich dann an unerwarteten Gemeinsamkeiten, an
       neuen Sichtachsen ergibt.“
       
       Gut gewählt ist auch der Austragungsort: das Künstlerhaus Sootbörn in
       Hamburg-Niendorf. Mithin ein Stadtteil, der so gar nicht auf dem Stadtplan
       der Hamburger Kunstfreunde liegt, die meist lieber durch Neustadt, St.
       Pauli oder Altona wandeln. Nun aber geht es nach Nordwesten zu einer
       Straßenkehre gleich neben einer Startbahn des Hamburger Flughafens. Doch
       Silkeborg nennt das Haus einen der schönsten Orte der Stadt – „einen
       geheimen Ort“.
       
       Die Künstlerin hat in den letzten Jahren immer wieder die Seiten
       gewechselt. War Malerin, war Kuratorin. Hat von 2011 bis 2012 die Galerie
       der Hamburger Kunsthochschule geführt und dort das Ausstellungsprogramm
       gestemmt – von der Auswahl der Künstler über die Pressetexte bis zur
       Hängung.
       
       „Ich wusste am Anfang nicht, wie man Anträge stellt, wie man begründet
       wieso und warum man welche Künstler ausstellen will und wie man dafür
       Gelder einwirbt“, sagt sie. Und hat nun all das gelernt und bietet auch
       eine weitere Erklärung der für die Schau gewählten Zahl „150“ : Bei mäßiger
       Beschäftigung wie leichtem Gehen – etwa von einem Kunstwerk zum nächsten –
       strahle der Mensch 150 Watt Körperwärme ab; im Schlaf seien es nur 70.
       
       Aber ob Helligkeit oder Dunkelheit – sie schätzt und mag zunächst beides.
       Doch wenn ihr am proklamierten Jahr des Lichtes etwas zu denken gibt, dann,
       dass ihm nicht selbstverständlich das Jahr der Dunkelheit folgt. „Was sind
       wir nur für lichtsüchtige Tiere!“, entfährt es ihr. Okay – das Sehen sei
       nun mal unser Lieblingssinn. Was uns aber nicht daran hindern sollte, auch
       den anderen Sinnen zu trauen, um der Dominanz des Lichtes zu widerstehen.
       
       Die konnte sie sehr schön 2014 beobachten, als sie im Rahmen eines
       Ausstellungsprojektes mit Hamburger Kunststudenten in Islands Hauptstadt
       Reykjavik weilte – zur Sonnensommerwende. „Und dann“, sagt sie, „stehst du
       da, es wird einfach nicht dunkel, und trotzdem ist überall das Licht an.“
       Ja, warum eigentlich?
       
       1 Apr 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://kuenstlerhaus-sootboern.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Keil
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ausstellung
 (DIR) Unesco
 (DIR) Licht
 (DIR) zeitgenössische Kunst
 (DIR) Künstlerin
 (DIR) Reeperbahn
 (DIR) LED
 (DIR) Gegenwartskunst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Vernissage im Künstlerhaus Sootbörn: Die Kunst-Oase am Airport
       
       Das Künstlerhaus Sootbörn behauptet sich seit 30 Jahren im dezentralen
       Hamburg-Niendorf. Trotz Nähe zum Rollfeld ist es ein wildromantischer Ort.
       
 (DIR) Malen in der Nacht: Sich ins Dunkle wagen
       
       Silke Silkeborg malt Städte und Landschaften in der Nacht. Das Beleuchtete
       wird zum Blickfang. Sie sieht aber auch, dass uns die Nacht verloren geht.
       
 (DIR) Hamburger Kiez Kulturerbe?: Gegen den Zauber
       
       St. Pauli soll denselben Ruhm erlangen wie ein Brot aus Armenien. Ginge es
       nach einer Initiative, soll der Stadtteil immaterielles Kulturerbe der
       Unesco werden.
       
 (DIR) LED-Auswahl per App: Welche Leuchtdiode passt zu mir?
       
       Der LED-Markt boomt. Sehr sogar. Eine App soll durch die enorme
       Produktvielfalt der ökologischen Leuchtmittel führen.
       
 (DIR) Selbstbeobachtung beim Masturbieren: Wie auf psychoaktiven Substanzen
       
       Die Ausstellung „One-self“ von Sidsel Meineche Hansen im Bremer
       Künstlerhaus setzt auf unwillkürlichen Kontrollverlust.