# taz.de -- Kommentar Meinungsfreiheit Türkei: Neue Dimension der Humorlosigkeit
       
       > Abermals wurden in der Türkei zwei Karikaturisten wegen
       > Majestätsbeleidigung verurteilt. Der Richterspruch deckt auch eine
       > Schwäche Erdogans auf.
       
 (IMG) Bild: Kritik ist anderswo: Recep Tayyip Erdogan.
       
       Widerspruch, Kritik, gar Spott über die Herrschenden wird im türkischen
       Reich des Recep Tayyip Erdogan nicht mehr geduldet. Das ist im Prinzip
       nichts Neues, hat aber in der letzten Zeit eine neue Dimension erreicht.
       
       Ging es früher um Korruptionsvorwürfe oder andere schwere Beschuldigungen
       in den Medien, auf die der frühere Ministerpräsident und heutige Präsident
       Erdogan mit Repression reagierte, sind es heute zunehmend Klagen wegen
       Beleidigung des Staatsoberhauptes, mit denen die letzten Widerständler
       mundtot gemacht werden sollen.
       
       Überproportional häufig trifft es dabei Karikaturisten. Es ist noch nicht
       lange her und scheint doch schon fast vergessen, als die westliche Welt und
       mit ihr auch der türkische Ministerpräsident in Paris aus Trauer und
       Protest gegen die Morde an den Karikaturisten von Charlie Hebdo auf die
       Straße ging.
       
       Karikatur, Satire allgemein, müsse besonders geschützt werden. Präsident
       Erdogan sah das schon im Falle von Charlie Hebdo nicht unbedingt so, erst
       recht aber nicht, wenn sich türkische Karikaturisten mit ihm
       auseinandersetzen.
       
       Am Mittwoch wurden, wieder einmal muss man schon sagen, zwei bekannte
       Spötter wegen Majestätsbeleidigung verurteilt. Bahadir Baruter und Özer
       Aydogan arbeiten beide für das Satiremagazin Penguen, die größte und
       bekannteste Satirezeitschrift der Türkei.
       
       Sie hatten Erdogan nach seiner Wahl zum Präsidenten im Sommer letzten
       Jahres für die Titelseite gezeichnet und ihn dort per Sprechblase fragen
       lassen, warum zur Feier seiner Amtseinführung keine Journalisten
       geschlachtet worden seien. Wegen einer flapsigen Bemerkung im Gericht wurde
       Bahadir Baruter gleich noch einmal wegen Beleidigung der Justiz mit einem
       Verfahren überzogen.
       
       Jeder der sich mit dem Präsidenten anlegt und sei es noch so humorvoll,
       muss mit heftigen Sanktionen rechnen. Kritischer Journalimus ist im
       Fernsehen und den großen Zeitungen kaum noch möglich. Deshalb weichen die
       Leute aufs Internet aus, doch auch wegen ihrer Tweets werden jetzt häufig
       Menschen vor Gericht gestellt.
       
       So depremierend die Situation ist, zeigt es doch auch Eins: der scheinbar
       so mächtige Erdogan fürchtet den Spott seiner Untertanen.
       
       26 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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