# taz.de -- Die Wahrheit: Schweres Gerät gegen Schnarcher
       
       > Literaten, die gemeinsam auf Tour gehen, müssen auch gemeinsam leiden.
       > Ein schonungsloser Erfahrungsbericht.
       
       Ich hatte mir etwas ausgedacht, um wider den Stachel des ästhetischen
       Mainstreams zu löcken. Ich wollte der deutschen Literatur die enorme
       Impulsdichte und brachiale Energie des Heavy Metal injizieren. Den
       emotionalen Überschwang, die Vitalität, Rustikalität, den ganzen alten
       Sturm-und-Drang-Klumpatsch, aber auch das apollinische Kalkül, die
       ausgestellte Virtuosität, die handwerkliche Akkuratesse.
       
       Mir blieb nicht verborgen, dass bald auch andere in meinem Waldstück jagten
       und mir die Rolle als Oberförster streitig machen wollten. Die Kollegen
       Till Burgwächter und Axel „The Klinge“ Klingenberg versuchten sich an einem
       ähnlichen Literatur-Metal-Crossover. Um gar nicht erst in Konkurrenz
       zueinander zu treten, gründeten wir das Powertrio Read Em All und gingen
       von nun an gern gemeinsam auf Tour.
       
       Schon bei unserer ersten Lesereise mussten wir feststellen, dass unser
       guter Freund Till als Kind seine Nase in einen Zaubertrank getunkt hatte,
       denn sie war nachts zu Geräuschen fähig, die an einen Zweikampf
       ausgewachsener Brontosauriermännchen erinnerten oder an irgendwas
       Außerirdisches, humanoid jedenfalls klang das nicht mehr.
       
       Mittlerweile haben wir daraus gelernt, und unser
       Standard-Engagement-Vertrag enthält eine Klausel, der zufolge der
       Vertragspartner nicht nur für die üblichen Luxushotelzimmer und eine volle
       Schale M & Ms, ohne die braunen, zu sorgen hat, sondern auch für einen
       Heizungsraum. Eine handelsübliche Feuerschutztür ist gerade dick genug für
       Till!
       
       ## Das Schlimmste aber waren die Aussetzer
       
       Damals aber waren Klinge und ich unschuldig wie Kinder, wir konnten ja
       nicht ahnen, dass Nasen zu so etwas überhaupt fähig waren. Und so fuhr ich
       hoch mitten in der Nacht wie vom Donner gerührt und rief um Hilfe. Aber
       Klinge beruhigte mich. „Till! Es ist nur Till.“
       
       Wir riefen mehrfach seinen Namen. Hoffnungslos, er konnte uns nicht hören,
       so mitten auf dem Schlachtfeld. Nach einer halben Stunde gab Klinge auf und
       verlegte grummelnd und koddernd sein spärliches Nachtlager auf den kahlen
       Flur. Eine halbe Stunde später folgte ich ihm. Doch eine normale
       Wohnungstür war einfach kein Gegner für Till.
       
       Mit schwerstem Gerät malträtierte er weiterhin unsere langsam geplätteten
       Nerven. Das Schlimmste aber waren die Aussetzer. Man konnte hoffen, jetzt
       sei alles vorbei, man wünschte es sich so sehr, fiel fast schon in eine Art
       Erschöpfungsschlummer, aber wie ein alter Boxermotor berappelte Till sich
       und nach einer knallenden Fehlzündung machte er weiter mit seinem
       Berserkerwerk. So verging die Nacht. Laut wie ein japanischer Monster- und
       zäh wie ein französischer Problemfilm. Und wir spielten darin die
       Hauptrolle.
       
       Aber all das nahm dann ein jähes Ende, als gegen acht Uhr morgens, wir
       mussten irgendwann besinnungslos geworden sein, das Haus einstürzte. Till
       hatte all seine Nasenkräfte zu einem finalen Schnaufer gebündelt. Es klang,
       als wäre etwas sehr Großes einfach geplatzt.
       
       „Jetzt ist er tot“, sagte ich mitleidlos. „Na hoffentlich“, meinte Klinge.
       
       21 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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