# taz.de -- Kommentar Gurlitt-Erbe: Scheinheilige deutsche Kulturpolitik > Die von Nazis geraffte „entartete Kunst“ der Gurlitt-Sammlung wandert > entschädigungslos nach Bern. Offenbar will man NS-Unrecht nicht > aufarbeiten. (IMG) Bild: Kulturstaatsministerin Grütters geht den bequemsten Weg. Geschichte wiederholt sich nicht – es sei denn als Farce. Die tiefere Bedeutung dieser Erkenntnis wird mit der Übernahme der Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt durch das Kunstmuseum Bern deutlich wie selten. Schon einmal haben sich Schweizer Staatsbürger mit der von den Nazis verfemten Kunst schmücken dürfen. Das war in den 1930er-Jahren, und einige eidgenössische Händler konnten sich mit dem Verkauf des gestohlenen Eigentums gewaltig bereichern. Nun [1][profitiert ein Schweizer Museum von Kunstwerken], die ein deutscher Händler damals zusammengerafft hat. Das Unglaubliche daran: Alle Beteiligten einschließlich der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters klopfen sich auf die Schulter ob dieser weisen Entscheidung. Schließlich, so ihre scheinheilige Erklärung, blieben Werke, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen, von der Weitergabe an Bern ausgeschlossen. Diese Bilder, die einst jüdischen Privatpersonen gestohlen wurden, sollen an deren Erben gehen. Eine Taskforce arbeitet deshalb an der Suche nach der Provenienz der Bilder. Deutschland wolle seiner Verantwortung auch moralisch gerecht werden, erklärte treuherzig Monika Grütters. Als ob es nicht eine Selbstverständlichkeit wäre, Diebesgut nicht weiterzuverticken. Ist es aber nicht. Denn Hunderte anderer Werke abstrakter Kunst, die von den Nazis als angeblich „entartet“ aus deutschen Museen entfernt worden waren und später in Gurlitts Privatsammlung landeten, gehen nun umstandslos in die Schweiz. Eine Rückerstattung findet in diesem Fall nicht statt, weil das 1938 verabschiedete „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ bis heute wirkmächtig ist. Dass die Berner Kunstsammler dazu auch noch betonen, die früheren Besitzer dieser Werke würden bei Leihgaben gegebenenfalls bevorzugt berücksichtigt, kann nur noch als eine Frechheit bezeichnet werden. Die deutsche Strafjustiz bemüht sich derzeit, Jahrzehnte zu spät, die letzten noch lebenden NS-Täter vor Gericht zu stellen. Die deutsche Kulturpolitik tut dagegen einiges, um NS-Unrecht gar nicht erst aufzuarbeiten. Beides geschieht streng nach Recht und Gesetz. Man kann dieses Vorgehen rechtfertigen. Aber die Beteiligten mögen dann bitte nicht länger von moralischer Verantwortung sprechen. Sondern davon, dass sie den bequemsten Weg gehen. 24 Nov 2014 ## LINKS (DIR) [1] /Raubkunst-soll-zurueck-an-Besitzer-gehen/!150064/ ## AUTOREN (DIR) Klaus Hillenbrand ## TAGS (DIR) Schwerpunkt Cornelius Gurlitt (DIR) Monika Grütters (DIR) Raubkunst (DIR) Entartete Kunst (DIR) Schwerpunkt Cornelius Gurlitt (DIR) Raubkunst (DIR) Schwerpunkt Cornelius Gurlitt (DIR) Nazis (DIR) Kunstmarkt ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Herkunft von NS-Raubkunst: Noch zu viel ist unerforscht Im Kulturausschuss des Bundestags wird debattiert, wie die Provenienzforschung zukünftig erfolgreicher gestaltet werden kann. (DIR) „Entartete Kunst“ in Rostock: Der gute und der böse Engel Rostock verfügt über eine große Sammlung sogenannter entarteter Kunst. Sie stammt vom NS-Kunsthändler Bernhard A. Böhmer. (DIR) Raubkunst soll zurück an Besitzer gehen: Berner Museum tritt Gurlitts Erbe an Das Kunstmuseum Bern übernimmt das umstrittene Gurlitt- Erbe: „Entartete“ Kunst aus Museumsbestand soll in die Schweiz, Raubkunst soll an die Erben der Besitzer gehen. (DIR) Historiker über Gurlitt und die Folgen: „Es wird unglaublich viel verdunkelt“ Hans Prolingheuser kritisiert die Aufklärung im Fall Gurlitt. Und nicht nur die. Viele angeblich zerstörte „entartete“ Werke gebe es noch. (DIR) Der Fall Gurlitt und die Folgen: Gesetzlich korrektes Unrecht Vor einem Jahr diskutierte die Weltöffentlichkeit über Cornelius Gurlitt und die „entartete Kunst“. Seitdem hat sich wenig getan. Woran liegt das?