# taz.de -- Herkunft von NS-Raubkunst: Noch zu viel ist unerforscht
       
       > Im Kulturausschuss des Bundestags wird debattiert, wie die
       > Provenienzforschung zukünftig erfolgreicher gestaltet werden kann.
       
 (IMG) Bild: Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel mit Varianten des bildes „Reiter am Strand“ von Max Liebermann.
       
       BERLIN taz | „Transparenz, Transparenz, Transparenz!“ Die Botschaft, die
       der Historiker Julius H. Schoeps dem Ausschuss für Kultur und Medien
       zuruft, ist denkbar kurz. Die Offenlegung von Forschungsergebnissen und
       Zwischenberichten zu einzelnen Kunstwerken lasse die eigens gegründete
       Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ bis heute vermissen, beklagte Schoeps am
       Mittwoch in Berlin.
       
       Der Kulturausschuss hatte Sachverständige zum Thema geladen, wie
       Provenienzforschung gestärkt werden könne, insbesondere der Umgang mit
       NS-Raubkunst. Der [1][“Schwabinger Kunstfund“], eine Kollektion des
       Kunstsammlers Cornelius Gurlitt von rund 1.500 Werken, die im November 2013
       öffentlich wurde, hatte Aufsehen erregt. Vermutet wurde, dass ein Großteil
       der Werke NS-Raubkunst sei. Immerhin war Gurlitts Vater Hildebrand einer
       der wichtigsten Kunsthändler der NS-Zeit.
       
       Eine international besetzte Taskforce sollte die Herkunft der Werke klären
       – Ergebnis: Ganze fünf Werke sind bisher als NS-Raubkunst identifiziert.
       „Aus meiner Sicht hätte mehr kommen müssen“, sagte Schoeps. Ingeborg
       Berggreen-Merkel, Leiterin der Taskforce, warb um Verständnis. Für viele
       sei die Bilanz enttäuschend, räumt sie ein. Immerhin habe sich aber bei
       über 500 Werken herausgestellt, dass es keine Raubkunst sei. Auch bei der
       Transparenz bat Berggreen-Merkel um Nachsicht: Persönlichkeits- und
       Eigentumsrechte von Privatpersonen setzten der Forderung nach Offenheit
       enge Grenzen.
       
       Die Taskforce wird zwar Ende des Jahres ihre Arbeit einstellen, so wie es
       von Beginn an geplant war, allerdings werde es ein Folgeprojekt geben,
       versprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). In welcher Form,
       muss noch geklärt werden. Grütters wies darauf hin, dass das im Januar 2015
       gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste jährlich 6 Millionen Euro vom
       Bund erhalte. Das Zentrum solle die Provenienzforschung zusammenführen und
       ein Netzwerk schaffen, um schneller und effizienter zu arbeiten. Allerdings
       räumte Uwe M. Schneede vom Stiftungsrat ein, das Zentrum sei immer noch
       nicht voll arbeitsfähig.
       
       Dass alle Aktivitäten international beobachtet werden, darauf wies Hermann
       Parzinger hin, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. „Im Ausland
       achtet man sehr genau, was passiert.“ Ein starkes Signal vermisst dabei
       Fachanwältin Jutta von Falkenhausen. „Deutschland muss aufhören zu glauben,
       das Thema Raubkunst national aufklären zu wollen.“ Sie plädierte für eine
       stärkere Position von Opfern und internationalen Organisationen, auch in
       den Kuratorien und Vorständen. Sonst könne der Eindruck entstehen,
       Deutschland wolle die Opfer nicht dabei haben.
       
       ## Universitäten besser einbinden
       
       Julius H. Schoeps beklagte, dass siebzig Jahre nach der NS-Herrschaft nur
       zehn Prozent der Museen erforscht seien und verwies darauf, dass viele
       kleine Museen oft nicht über die nötigen personellen Ressourcen verfügten.
       Schoeps bestand zudem auf die Unabhängigkeit der Forscher. Andernfalls
       diene Provenienzforschung an Museen oft genug nur der Abwehr von
       Restitution, nicht ihrer Durchsetzung.
       
       Einig waren sich die Sachverständigen auch, dass Universitäten stärker
       eingebunden werden müssen, etwa durch Stiftungsprofessuren. Dass es darum
       nicht zum Besten steht, wird klar, als Monika Grütters auf die
       Forschungsstelle Entartete Kunst der Freien Universität Berlin anspricht.
       Die Einrichtung werde nicht mehr von der Ferdinand-Moeller-Stiftung
       finanziert. Damit stünden auch Lehrveranstaltungen zur Provenienzforschung
       vor dem Aus. Ihr Haus werde die Forschungsstelle unterstützen, so Grütters.
       Eine Kofinanzierung durch das Land Berlin oder die FU Berlin sei zwar noch
       offen, die Einrichtung für 2016 aber gesichert.
       
       Die Mehrheit der Sachverständigen sprach sich gegen gesetzliche
       Neuregelungen aus. SPD und Linke hingegen befürworten das. Sigrid Hupach
       (Linke) bekräftigte nach der Anhörung, dass Archivalien digitalisiert und
       Forschungen zugänglich gemacht werden müssten. Denn Transparenz sind wir
       „den Opfern und ihren Erben schuldig“.
       
       4 Dec 2015
       
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