# taz.de -- Koloniales Erbe wird zurück gegeben: Bremen trennt sich von Skeletten
       
       > Das Übersee-Museum restituiert einem Beschluss des Senats folgend die
       > Überreste von 26 NeuseeländerInnen, die seit 1896 in Bremen ausgestellt
       > wurden
       
 (IMG) Bild: Und wer will die zurück? Leiche des Oberst Gregor von Winsen, ausgestellt im Bremer Bleikeller
       
       BREMEN taz | 120 Jahre nach ihrer Musealisierung soll das
       [1][Übersee-Museum] die Überreste von 26 NeuseeländerInnen zurück in deren
       Heimat transportieren lassen. Das beschloss der Senat am Dienstag – und
       entspricht damit Rückgabeforderungen aus Neuseeland.
       
       Es handele sich bei der nun beschlossenen Rückgabe „um eine freiwillige
       Geste der Freien Hansestadt Bremen“, betont die Senatspressestelle, „da die
       Einrede der Verjährung geltend gemacht werden könnte“. Daneben erwähnt der
       Senat jedoch die mittlerweile formulierten rechtsethischen Standards, die
       einen moralischen und fachlichen Rahmen für die hochsensible und komplexe
       Thematik der Rückgaben von „Humain Remains“ zu setzen versuchen.
       
       An der Formulierung dieser Richtlinien und Handreichungen im Auftrag des
       Deutschen Museumsbundes hat Wiebke Ahrndt, die Direktorin des
       Übersee-Museums, maßgeblich mitgewirkt. Die jetzt zu restituierenden
       Gebeine gelangten 1896 durch eine Reise ihres Amtsvorgängers Hugo
       Schauinsland nach Bremen. Es geht um Skelette der Maori und der früher auf
       den Chatham-Inseln beheimateten Moriori, die ihrerseits von den Maori
       kolonialisiert worden waren.
       
       Bereits vor zehn Jahren gab das Übersee-Museum aus eigener Initiative zwei
       Maori-Köpfe an das Te Papa Museum in Wellington zurück. Warum wartete es
       diesmal auf Anfragen? Jeder Einzelfall müsse daraufhin überprüft werden, ob
       „ein Unrechts-Kontext“ vorliege, sagt Michael Stiller, der Leiter der
       naturkundlichen Abteilung. Die Maori hätten beispielsweise auch selbst mit
       menschlichen Überresten Handel getrieben.
       
       Zudem sei es oft sehr schwierig, konkrete Ansprechpartner für geplante
       Rückgaben zu finden – insbesondere im Fall der neuseeländischen Ethnie der
       Moriori, die nun ebenfalls „zwei Skelette, 13 Schädel sowie zwölf und ein
       halber Unterkiefer“ zurück erhält, wie der Senat auflistet. Schon
       Schauinsland habe „im Prinzip niemanden mehr nach dem Einverständnis fragen
       können“, sagt Stiller. Die Moriori seien zu Schauinsland Zeiten
       weitestgehend vernichtet gewesen, der letzte Angehörige der Ethnie in den
       1930er Jahren gestorben. Dass es den Hokotehi Moriori Trust gibt, der sich
       als kultureller Erbe der Moriori verstehe, sei dem Museum bis zu dessen
       Rückgabe-Ersuchen unbekannt gewesen.
       
       Abgesehen von etwa 500 BremerInnen, deren Rückgabe bislang noch niemand
       gefordert hat – sie stammen größtenteils von der in den 1950er Jahren
       vorgenommenen Auflassung des Rembertifriedhofes -, hat das Überseemuseum
       noch Überreste von etwa 40 Menschen aus Südamerika, Asien, Ozeanien und
       Afrika in seinen Beständen.
       
       Aktive Bemühungen um die Rücküberführung in deren Heimat gibt es mit
       Ausnahme der aus verschiedenen Regionen Afrikas stammenden Human Remains
       nicht. Im Fall der AfrikanerInnen arbeite man derzeit intensiv an der
       Rückgabe, sagt Stiller. Es sei sehr schwierig, die dafür nötigen zum Teil
       mehrjährige Recherchen in den Alltag zu integrieren. Anders als bei der
       Provenienzforschung in Bezug auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
       gibt es bislang nicht die Möglichkeit, beim Bund Gelder zur Aufarbeitung
       kolonialer Altlasten zu beantragen.
       
       3 May 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.uebersee-museum.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
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