# taz.de -- Fetischmodel über sexuelle Neigungen: „Kinky sein ist meine Religion“
       
       > Mit einem Schwanz kann man keine Frauen hypnotisieren, sagt BDSM-Starlet
       > Rain DeGrey. Feministinnen seien allerdings „fucking bullshit“.
       
 (IMG) Bild: „Der Körper ist das beste Spielzeug, das du je haben wirst“, sagt Rain DeGrey. „Wenn du richtig mit ihm spielst, lässt er dich Gott sehen.“
       
       taz: Frau DeGrey, Sie sagen von sich selbst, Sie seien kinky, also jemand,
       der unkonventionelle Neigungen hat. Seit wann wissen Sie das? 
       
       Rain DeGrey: Ich war schon im Alter von acht Jahren kinky. Damals fand mich
       meine Mutter, als ich mir einen Kissenbezug über den Kopf stülpte. Ich
       sagte: „Ich ziehe ihn mir über den Kopf und stelle mir vor, dass mich der
       böse Mann entführt.“ Du wirst kinky geboren, genau, wie du homosexuell
       geboren wirst. Ich hatte lange große Angst davor, von der Gesellschaft
       verurteilt zu werden, ich habe meine Neigung verleugnet. Eines Tages war
       ich es leid, nicht wirklich ich selbst zu sein.
       
       Und dann? 
       
       Ich ging ins Internet und fand bei Myspace ein paar Bondage-Profile.
       Daraufhin schrieb ich einem dieser Typen eine Nachricht. Ich mochte die
       Art, wie er fesselt. Es stellte sich heraus, dass er Lew Rubens heißt und
       für [1][kink.com] arbeitete. Kurz danach hatte ich mein erstes Shooting.
       Das war eher ein Unfall. Ich wollte nie Model sein. Ich war aber kinky. Das
       war mein Lebensstil. Und plötzlich hatte ich den besten Job der Welt.
       
       Sie haben viele verschiedene Jobs. 
       
       Derzeit arbeite ich in etwa so 50 Stunden pro Woche unter anderem als
       Talentdisponentin, Chauffeurin, Garderobiere, Fotografin, Regisseurin und
       persönliche Assistentin für Intersec Interactive. Wir haben jetzt sechs
       Websites und drehen fünf bis sechs Tage pro Woche.
       
       Was sind die negativen Seiten Ihrer Arbeit? 
       
       Ich nehme das nicht als Arbeit wahr. Es ist immer Spaß. Stellen Sie sich
       das vor: Sie wollen eine Gangbang-Fantasie ausleben. Wie wollen Sie fünf
       Männer anrufen, die alle am gleichen Abend Zeit haben, keine
       Geschlechtskrankheiten haben, gut in Form sind und deren Schwänze im
       richtigen Moment funktionieren? Das ist quasi unmöglich. In meinem Job geht
       das.
       
       Sie haben am Set nie mit einem unangenehmen Mann gearbeitet? 
       
       Ich habe sechs Jahre gemodelt und war an Hunderten Drehs beteiligt. Davon
       waren gerade mal 12 oder 13 Männer beteiligt, und bei den meisten davon war
       mein Freund auch mein Partner am Set. Ich mache also nicht wirklich Porno.
       Ich mag es nicht, dass Leute denken: „Das ist bloß ein Porno-Girl“, nur
       weil sie mich in der Nähe eines Penis gesehen haben.
       
       Warum stört Sie das? 
       
       Die Freunde von mir, die nach Los Angeles gegangen sind und angefangen
       haben, Pornos zu drehen, sterben innerlich. Ich bin Fetischmodel. Es ist
       etwas Reines und Ehrliches am Fetischismus. Wenn du dich aufs Ficken
       beschränkst, verliert es etwas von der Reinheit.
       
       Sehen das Ihre Nicht-kinky-Freunde auch so? 
       
       Ich habe keine. Kinky sein ist meine Berufung, meine Religion. Kink ist wie
       eine Blase. Alles, was ich machen möchte, befindet sich in dieser Blase.
       Ich hänge mit Leuten darin ab und arbeite mit ihnen. Ich will diese Blase
       nicht verlassen. Denn sobald ich das tue, verurteilen mich die Leute. Sie
       sind unhöflich, gemein und sehen auf mich herab. Und das hasse ich. Die
       Leute sind Arschlöcher.
       
       Mit diesen Leuten streiten Sie sich dann auch oft auf [2][Twitter]. 
       
       Ja, das mache ich vor allem mit Männern, die mir Schwanzbilder schicken.
       Die denken, dass eine Frau nur einen Schwanz sehen muss, um den Verstand zu
       verlieren. Ein Schwanz ist nichts Magisches. Man kann mit einem Schwanz
       keine Frauen hypnotisieren. Ich antworte diesen Männern, denn wenn ich auch
       nur einen ein bisschen weniger dumm machen kann, gibt mir das Hoffnung für
       die Welt. Denn wenn nur ein Mann sich darüber klar werden kann, wie
       unangemessen und grob das ist, macht er das vielleicht mit der nächsten
       Frau nicht mehr.
       
       Das ist ein sehr pädagogischer Ansatz. 
       
       Ich bin eine Erzieherin. Es ist nicht Bestandteil meines Jobs, Idioten zu
       tolerieren. Ab und zu schreiben mir auch Leute, die meine Seele retten
       wollen. Die denken, dass ich mich quälen lasse, weil ich das Geld brauche
       und missbraucht werde. Nein, ich toleriere niemanden, der meine Grenzen
       überschreitet. Es gibt Männer, die meine Shootings kaufen, weil sie sehen
       wollen, wie Frauen verletzt werden. Das ist aber nicht meine Arbeit.
       
       Sie leiten auch einige Sexworkshops. 
       
       Ich habe eine Klasse für anale Spiele unterrichtet, eine Bondage-Klasse,
       eine Klasse für weibliche Dominanz, eine Oralsex-Klasse für Männer und
       Frauen, eine Klasse im Umgang mit Umschnalldildos. Aber ich glaube, meine
       größte Leistung ist in diesem Zusammenhang, dass ich mein Leben auf eine
       solche Weise lebe, ohne Angst und Scham. Ich hoffe sehr, dass ich Leute,
       denen es ähnlich geht wie mir in meiner Vergangenheit, die kinky sind, das
       aber verstecken und fürchten, dazu inspiriere, dasselbe zu tun. Es gibt
       generell ein großes Bedürfnis nach sexueller Ausbildung. Dieser Körper, den
       du hast, ist das beste Spielzeug, das du je haben wirst. Er ist ein
       Musikinstrument. Die Leute haben Angst, mit ihrem Körper zu spielen. Wenn
       du aber richtig mit ihm spielst, lässt er dich Gott sehen. Die Leute wissen
       nichts über ihren Körper. Es überrascht mich, wie wenig selbst Models über
       ihren Körper wissen. Es gibt leider auch kein Lehrbuch für Models. Ich
       sollte es schreiben.
       
       Für viele radikale Feministinnen alter Schule schürt insbesondere der
       BDSM-Porno den Frauenhass der Konsumenten. 
       
       Feministinnen sind fucking Bullshit. Es ist wahnsinnig anmaßend, wenn du
       mir als Frau sagst, was ich mit meinem Körper tun darf und was nicht. Ich
       glaube nicht, dass ein normaler Mann, der Frauen nicht wehtun will, losgeht
       und Frauen schlägt, nur weil er einen Film gesehen hat, in dem jemand, der
       es mag, harten Sex hat und dabei geschlagen wird.
       
       Wird der Porno denn tendenziell gewalttätiger? 
       
       Nein, er wird nur verfügbarer. In England gab es schon 1890 diese kleinen
       Bücher unterm Ladentisch, in denen Menschen beim Sex geschlagen wurden.
       Peitschen, Spanking, Züchtigung – sexuelle Neigung gab es schon damals. Es
       gab eben nur kein Internet. Die Menschen versuchen, zivilisierter zu
       werden. Wir versuchen so angestrengt, uns mit Politur einzuschmieren, um zu
       verbergen, dass wir Tiere sind. Porno macht uns nicht weniger zivilisiert.
       Er zeigt uns einen Blickwinkel darauf, wer wir sind, als Tiere.
       
       Wenn wir alle nur Tiere sind, warum werden dann in Pornofilmen vor allem
       dominierte Frauen gezeigt und eben nicht auch dominierte Männer? 
       
       Es gibt eine gewisse Tendenz, dass Pornokonsumenten nun mal Männer sind.
       Allerdings haben Männer auch Angst vor Frauen. Frauen sind eine Bedrohung.
       Sie sitzen auf etwas sehr Wertvollem, wovon die Männer nicht loskommen.
       Könnten sie doch nur einen Weg finden, sich nur mit der Pussy zu
       beschäftigen, ohne die Frau drumherum. Alle lieben es, Frauen anzusehen,
       aber einen Mann … haarig und mit heraushängendem Schwanz … Wer will für so
       etwas bezahlen?
       
       Es geht also um Ästhetik und nicht um Macht? Da würden Ihnen einige
       Feministinnen in Deutschland widersprechen, die neben dem Verbot der
       Pornografie auch das Verbot von Prostitution fordern. 
       
       Zweifellos gibt es sie, die arme Frau aus Russland, die ein Jobangebot
       annimmt und sich dann in einem anderen Land wiederfindet, wo sie dazu
       gezwungen wird, mit zehn verschiedenen Typen am Tag Sex zu haben. Aber das
       ist keine normale Sexarbeit. Viele Frauen entscheiden sich für Sexarbeit.
       Ich habe mir das ausgesucht. Ich liebe es. Natürlich bin ich keine
       Prostituierte. Aber Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt. Du
       kannst die menschliche Natur nicht verleugnen. Die Engländer sperren gerade
       pornografische Internetseiten, die Gesamtsituation scheint konservativer zu
       werden. Aber das wird nicht von Dauer sein. Sexarbeit ist aber ein
       Bedürfnis und wird bleiben.
       
       Sie sind polyamor. Kann man eine tiefe Beziehung zu mehreren Menschen
       haben? 
       
       Polyamorösität steht für verbindliche, tiefe Beziehungen. Das Problem ist,
       dass uns im Kindesalter erzählt wurde, dass es genau einen Menschen da
       draußen gibt, mit dem wir emotional, mental, sexuell und spirituell
       kompatibel sind. Und dann gehst du raus und triffst diese eine Person. Sie
       erfüllt aber nur 80 Prozent deiner Bedürfnisse. Irgendwann habe ich
       gemerkt, dass niemand perfekt ist und angefangen, diese Tatsache zu
       respektieren. Aber wenn du sie alle zusammen nimmst – 40 Prozent hier, 10
       dort und 50 da, kommst du auf 100 Prozent. Und du kannst jeden so lassen
       wie er ist, ohne ihn verändern zu wollen. Wenn du mehrere zusammensetzt,
       hast du Perfektion. Ich liebe und verehre meinen Ehemann, aber ich bin
       poly. Ich werde immer einen Freund haben. Ich will beides. Vielleicht bin
       ich gierig.
       
       12 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
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