# taz.de -- Wirtschaft von Schottland: Weiter abhängig von London
       
       > Vor dem Referendum herrscht die Sorge über die künftige Währung des
       > Landes. Das Pfund wollen die Briten nicht teilen, ein Euro-Beitritt ist
       > unrealistisch.
       
 (IMG) Bild: Selbst in einem unabhängigen Staat würde die Queen weiter durch die Hände der SchottInnen gehen.
       
       BERLIN taz | Wem gehört das britische Pfund? Diese Frage wird sich in
       Großbritannien schon bald stellen, denn am 18. September stimmen die
       Schotten über ihre Unabhängigkeit ab. Falls sie sich aus dem Vereinten
       Königreich verabschieden sollten, entstehen komplizierte Währungsprobleme.
       
       Schottlands Premierminister Alex Salmond betreibt die Unabhängigkeit seines
       Landes, will aber das britische Pfund behalten. Doch diese Idee trifft
       bisher nicht auf Gegenliebe: Die Regierung in London hat mehrfach betont,
       dass sie sich eine Währungsunion mit einem eigenständigen Schottland nicht
       vorstellen kann. Doch was würde passieren, wenn die Schotten das britische
       Pfund offiziell nicht mehr verwenden dürfen, das sie seit 307 Jahren
       gemeinsam mit den Engländern benutzen?
       
       Salmond gibt sich gelassen und sieht gleich drei verschiedene Varianten für
       einen „Plan B“. Erstens: Schottland könnte einfach weiterhin das Pfund
       benutzen, auch ohne Einwilligung aus London – so wie Ecuador den Dollar
       verwendet oder Montenegro den Euro. Zweitens: Schottland könnte sich eine
       eigene Währung zulegen und diese dann zu einem Kurs von 1 zu 1 an das
       britische Pfund koppeln. Drittens: Schottland tritt dem Euro bei.
       
       Die Separatisten haben einen genauen Zeitplan ausgearbeitet. Falls die
       Schotten für die Unabhängigkeit stimmen, soll es 18 Monate dauern, bis der
       Abschied aus dem Vereinigten Königreich vollzogen wird, um alle
       organisatorischen Details zu klären. Doch so viel Zeit dürfte bei den
       Währungsfragen nicht bleiben.
       
       Die meisten Finanzexperten rechnen damit, dass es sofort zu einer
       gigantischen Kapitalflucht käme. Viele schottische Sparer hätten Angst,
       dass ihr Vermögen an Wert verliert, wenn sie nicht mehr zum britischen
       Währungsraum gehören. Also würden sie ihr Geld ins Ausland transferieren.
       Bei den schottischen Banken würden riesige Löcher klaffen – die die
       schottische Regierung selbst nicht füllen könnte. In der Übergangszeit
       würde das britische Pfund weiterhin als Währung gelten, aber Pfund kann nur
       die Bank of England drucken.
       
       ## Eine Kopie der Eurozone
       
       Theoretisch wäre zwar denkbar, dass sich die schottische Regierung die
       nötigen Pfund auf den internationalen Finanzmärkten leiht – aber wer würde
       dem angehenden Rumpfstaat noch Geld geben, wenn dessen Banken pleite sind?
       
       Das paradoxe Ergebnis dürfte sein, dass die Bank of England die
       schottischen Banken stützen müsste, um zu verhindern, dass das
       Währungschaos im Norden auf die gesamte Insel übergreift.
       
       Auch den schottischen Banken ist klar, dass sie ein Votum für die
       Unabhängigkeit Schottlands nicht überleben würden: Lloyds und die Royal
       Bank of Scotland haben schon angekündigt, ihre Zentralen sofort nach London
       zu verlegen, falls die Separatisten gewinnen.
       
       Wie dieses Szenario bereits zeigt, ist es schwer vorstellbar, dass Schotten
       und Engländer ihre Währungsunion auflösen. Sie können sich politisch
       trennen – aber nicht ökonomisch. Salmond weiß das, weswegen er seine
       Alternativpläne nie spezifizierte. Ein Eurobeitritt etwa erledigt sich von
       selbst, wenn man sowieso im Pfund bleiben muss.
       
       Aber was ist die schottische Unabhängigkeit noch wert, wenn man das
       britische Pfund behält? Der Nobelpreisträger Paul Krugman warnt, dass sich
       die Schotten in eine Position begeben, die an die Krisenländer in der
       Eurozone erinnert. So wie die Spanier und Portugiesen der EZB ausgeliefert
       sind, die sie kaum beeinflussen können, so müssten sich die Schotten ohne
       Mitspracherecht den Beschlüssen der Bank of England beugen.
       
       Salmond kennt diese Argumente, ist aber nicht beunruhigt, weil er sich auf
       einen anderen Nobelpreisträger stützen kann. Die schottische Regierung hat
       eine Expertenkommission beschäftigt, der auch Joseph Stiglitz angehörte.
       Ergebnis: Im Falle einer Unabhängigkeit sei eine „Sterling-Zone“ am besten.
       Vielleicht bekommt die Eurozone also eine Kopie. Ausgerechnet im heutigen
       Großbritannien.
       
       ##
       
       15 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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