# taz.de -- Abbruch der Nahost-Friedensgespräche: Entschieden wird im Hintergrund
       
       > Die Hamas lehnt weiterhin einen Kompromiss mit Israel und eine
       > Zweistaatenlösung grundsätzlich ab – wohl auch weil der Hauptfinanzier
       > Druck macht.
       
 (IMG) Bild: Israelischer Panzer an der Grenze zum Gazastreifen: Nach den gescheiterten Friedensverhandlungen wird weiter gekämpft.
       
       JERUSALEM taz/ap | Es war der Versuch Israels, einen der wichtigsten
       militärischen Führer der Palästinenserorganisation Hamas zu töten, der die
       jüngste Waffenruhe endgültig scheitern ließ: Am Dienstagabend bombardierte
       das israelische Militär das Haus von Mohammed Deif, dem Chef der
       Issedin-al-Kassam-Brigaden im Gazastreifen.
       
       Schon kurz vor Ablauf der – bis Mitternacht vereinbarten – Feuerpause waren
       aus Gaza vereinzelt Raketen auf Israel abgeschossen worden. Massiv wurden
       die Angriffe der Hamas jedoch erst nach der israelischen Attacke auf das
       Gebäude, in dem Deif vermutet wurde. Dessen 28-jährige Ehefrau und acht
       Monate alter Sohn kamen ums Leben. Ob Deif selbst überlebte, war zunächst
       unklar. Die Hamas erklärte später jedoch, er sei noch am Leben. „Uns bleibt
       keine Wahl, als zu kämpfen und zu siegen“, erklärte Izzat Rishq von der
       radikal-islamischen Organisation in Gaza.
       
       Seit Jahren steht Deif ganz oben auf der Abschussliste des israelischen
       Inlandsgeheimdienstes Schin Beth. Der Chef der militanten Hamas-Brigaden
       gilt als für die Raketenangriffe verantwortlich und für den Bau der
       geheimen Tunnel zwischen Gaza und Israel. Er ist „ein toter Mann“, erklärte
       jüngst Finanzminister Jair Lapid. Fünfmal war Deif in der Vergangenheit
       schwer verletzt Exekutionsversuchen der israelischen Armee entkommen. Für
       die Israelis ist Deif die Verkörperung alles Bösen, im Gazastreifen gilt er
       als Held.
       
       Die Al-Kassam-Brigaden streben nach einer militärischen Lösung für den
       Konflikt mit Israel. Die Befreiung Palästinas – vom Jordan bis zum
       Mittelmeer – gilt ihnen als die „höchste persönliche Pflicht für jeden
       Muslim“. Über „jeden Zentimeter“ soll „das Banner Allahs entfaltet“ werden,
       so hält es die Charta der Hamas fest.
       
       ## Dramatische internationale Isolierung
       
       Die Kämpfer Deifs terrorisieren Israel, und sie waren es auch, die vor
       sieben Jahren die Führung der moderateren und weltlich orientierten
       Palästinenserorganisation Fatah mit brutaler Gewalt aus dem Gazastreifen
       vertrieben. Erst als ihre Situation wegen der dramatischen internationalen
       Isolierung unhaltbar wurde, ließen sie sich auf eine Annäherung mit der
       Fatah im Westjordanland ein.
       
       Anfang Juni besiegelten die beiden Fraktionen die Gründung einer
       Einheitsregierung. Sie kündigten allgemeine Wahlen innerhalb von sechs
       Monaten an. Die aktuellen Gefechte sieht die Hamas auch als Chance, bei der
       eigenen Bevölkerung zu punkten – vorausgesetzt, sie erreicht bei den
       Waffenstillstandsverhandlungen mit Israel erkennbare Verbesserungen der
       Lebensumstände im Gazastreifen.
       
       Erst diese Woche berichtete Schin Beth über einen geheimen Plan der Hamas,
       den politischen Konkurrenten Fatah auch im Westjordanland mit Gewalt zu
       stürzen. Dabei stützte sich der israelische Geheimdienst auf Verhöre mit
       Dutzenden Hamas-Häftlingen. Die Führung im Westjordanland will davon nichts
       gewusst haben. Die Fatah setzt unverändert auf Friedensverhandlungen und
       die Zweistaatenlösung. Die palästinensische Polizei im Westjordanland
       kooperiert mit der israelischen Armee beim Kampf gegen den Terror.
       
       Israel und Ägypten wollen die Grenzen erst dann wieder öffnen, wenn die
       Fatah-nahen Sicherheitstruppen erneut ihre alten Posten an den
       Grenzübergängen einnehmen. Anschließend solle der Gazastreifen komplett
       entmilitarisiert werden. Ein offizieller Gewaltverzicht steht aber für die
       Hamas nach wie vor außer Frage, denn der in der Charta festgehaltene
       Heilige Krieg um Palästina ist ihre Raison d’Être.
       
       ## Politbüro im Exil
       
       Allerdings hatten politische Köpfe der Bewegung wiederholt Bereitschaft zu
       einer „Tahadiya“ signalisiert – einem fünf, zehn oder mehr Jahre lang
       andauernden Waffenstillstand. Der politische Chef der Hamas im
       Westjordanland, Hassan Jussef, ging in früheren Interviews sogar so weit,
       eine Lösung für Palästina in den Grenzen von 1967 nicht länger
       auszuschließen.
       
       Die großen Entscheidungen treffen indes weder die Al-Kassam-Brigaden noch
       die politische Führung in den Palästinensergebieten, sondern das Politbüro
       im Exil, allen voran Chaled Meschal. Offenbar gab Meschal dem Druck seines
       Gastgeberlandes Katar nach, als er die Hamas-Position bei den Verhandlungen
       in Kairo verhärtete. Die panarabische Zeitung Al-Hayyat zitierte einen
       „hohen Fatah-Funktionär“, der die Regierung in Doha beschuldigt, Meschal
       mit dem Landesverweis gedroht zu haben, sollte er dem ägyptischen
       Waffenstillstandsvorschlag zustimmen.
       
       Die Regierung in Kairo, die zwischen Israel und den Palästinensern
       vermittelt, schloss Katar von den Verhandlungen aus. Seit dem Sturz des
       früheren ägyptischen Regierungschefs Mohammed Mursi sind Ägypten und Katar
       miteinander zerstritten. Der israelische Experte für Terrorismusbekämpfung
       Dr. Jonathan Fein vom ICT (International Institute for Counter Terrorism)
       hält es durchaus für möglich, dass jetzt in Kairo Faktoren eine Rolle
       spielten, „die nichts mit Israel zu tun haben“. Katar ist heute
       Hauptfinanzier der Hamas. Die Regierung in Doha „könnte Meschal vor ein
       Ultimatum gestellt haben“.
       
       20 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israel
 (DIR) Gaza
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Kämpfe
 (DIR) Hamas
 (DIR) Palästina
 (DIR) Katar
 (DIR) Israel
 (DIR) Benjamin Netanjahu
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Israel
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Ausstellung
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Anerkennung Palästinas: Wichtiges Signal aus Europa
       
       Dass Schweden den Staat Palästina anerkennt, verändert erst einmal nicht
       viel. Es ist aber eine wichtige, symbolträchtige Geste.
       
 (DIR) Katar und der Islamismus: Sagenhaft reich, politisch ambitioniert
       
       Lange galt Katar als zuverlässiger Partner. Nun steht der Zwergstaat als
       Finanzier islamistischer Terroristen am Pranger.
       
 (DIR) Aktivist über Friedensbewegung in Israel: „Es gibt enormen Hass“
       
       Der Aktivist Itay Mautner über die Perspektiven der Friedensbewegung in
       Israel, das abgesagte Jerusalemer Kulturfestival und traumatische
       Ereignisse.
       
 (DIR) Entführung von drei jungen Israelis: Hamas gibt Beteiligung zu
       
       Der Mord an den Jugendlichen hatte zum jüngsten Gaza- Krieg geführt. Die
       Tat wurde tatsächlich von Mitgliedern der Hamas begangen, sagt jetzt einer
       ihrer Funktionäre.
       
 (DIR) Krieg im Gazastreifen: EU-Länder fordern Beobachtermission
       
       Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen eine Beobachtermission in
       den Gazastreifen schicken. Auch die Grenze soll mit Warenkontrollen
       geöffnet werden.
       
 (DIR) Konflikt im Gazastreifen: Drei Hamas-Militärführer getötet
       
       Nach Ende der Waffenruhe sind bei einem israelischen Luftangriff drei
       ranghohe Hamas-Mitglieder getötet worden. Die UN rufen zu neuen Gesprächen
       auf.
       
 (DIR) Israel nach der Feuerpause in Nahost: Die Eisenkuppel hält
       
       Die israelische Bevölkerung stützt die Regierung und hofft auf ein Ende der
       Hamas. Offiziell bleibt die Zweistaatenlösung bleibt das Ziel.
       
 (DIR) Krieg in Gaza wieder voll entbrannt: Die Feuerpause ist vorbei
       
       Aus der Feuerpause wurde im Gaza-Konflikt keine dauerhafte Waffenruhe.
       Palästinenser feuerten Raketen auf Israel. Bei Luftangriffen gab es mehrere
       Tote.
       
 (DIR) Raketen auf Israel abgefeuert: Angriff trotz Feuerpause
       
       Kurz vor dem Ende der Waffenruhe sind im Süden Israels drei Raketen
       eingeschlagen. Vergeltungsangriffe wurden angeordnet. Die Verhandlungen in
       Kairo dauern an.
       
 (DIR) Ausstellung über Gewebe: Die ganz große Metapher
       
       Eine Kieler Schau übers Spinnen in der Kunst ist klüger als viele andere
       Themenschauen: Um Vernetzung geht es ihr so sehr wie ums achtbeinige
       Getier.
       
 (DIR) Debatte vielfältige Erinnerungskultur: Nicht mehr nur die „Anderen“
       
       Derzeit wird Antisemitismus in Deutschland oft den „nicht
       Herkunftsdeutschen“ zugeordnet. Das zeigt, wie hierzulande Erinnerung
       verhandelt wird.
       
 (DIR) Kommentar Gaza: Gewaltverzicht jetzt!
       
       Die Waffenruhe zwischen der israelischen Armee und der Hamas wurde
       verlängert. Ein Hoffnungsschimmer zeigt sich am Horizont.