# taz.de -- Prozess wegen S21-Polizeigewalt: Harter Strahl auf die Köpfe
       
       > Sie hielten ihre Untergebenen beim Einsatz der Wasserwerfer gegen
       > Stuttgart-21-Gegner nicht zurück: Nun stehen zwei Polizisten vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Neuland für die ermittelnden Staatsanwälte: Wasserwerfereinsatz im Schlosspark 2010.
       
       STUTTGART taz | Die blutenden Augen von Dietrich Wagner sind im September
       2010 um die Welt gegangen. Er war vom Strahl eines Wasserwerfers direkt im
       Gesicht getroffen worden. Die Brutalität, mit der die Polizei den
       Stuttgarter Schlossgarten räumte, hat viele Baden-Württemberger empört.
       Schüler, Senioren und Projektgegner aller Couleur hatten gegen
       Baumfällungen demonstriert. Der Tag ging als „schwarzer Donnerstag“ in die
       Geschichte ein. 130 Demonstranten wurden laut Innenministerium verletzt.
       Die Parkschützer sprechen von 400 Verletzten.
       
       Am Dienstag, bald vier Jahre später, beginnt die öffentliche juristische
       Aufarbeitung. Zwei Polizisten, 41 und 48 Jahre alt, sitzen auf der
       Anklagebank im Stuttgarter Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen
       fahrlässige Körperverletzung im Amt vor. Die Anklage listet fünf konkrete
       Situationen mit neun Verletzten auf. Für jeden einzelnen Fall drohen bis zu
       drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Die Strafe dürfe aber
       nicht addiert werden, es liege beim Gericht, wie es die Taten
       zusammenfasse, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Claudia Krauth.
       Die beiden Angeklagten sind laut Innenministerium nach wie vor im höheren
       Polizeivollzugsdienst des Landes tätig.
       
       Die Angeklagten waren sogenannte Einsatzabschnittsleiter beim
       Schlossgarteneinsatz und damit eigentlich die ranghöchsten Führungskräfte
       vor Ort. Sie haben nicht selbst den Wasserwerfer bedient. In diesem Fall
       geht es vielmehr darum, was die Angeklagten nicht getan haben. Zunächst
       sollen sie die Maßgabe, nur Wasserregen zu verwenden, nicht an die
       Besatzung der Wasserwerfer weitergegeben haben. Deshalb wurden auch die
       viel heftigeren Strahlen in die Menge gefeuert – entgegen einer
       Einsatzregel auch noch auf Kopfhöhe. Spätestens dann hätten die beiden
       Einsatzabschnittsleiter eingreifen müssen. Auch das sei nicht geschehen, so
       Krauth. „Durch ihr Nichthandeln wurden Personen verletzt.“
       
       Im Gerichtssaal werden am Dienstag auch fünf Nebenkläger mit ihren Anwälten
       sitzen, darunter auch Dietrich Wagner. Die Betroffenen sehnten den Prozess
       herbei, weil sie wollen, dass jemand zur Verantwortung gezogen wird für die
       Verletzungen, die sie erlitten haben, sagt Nebenklage-Anwältin Ursula
       Röder. Dass der schwarze Donnerstag juristisch noch immer nicht
       aufgearbeitet ist, sei ein Skandal, sagt Röder. Sie wirft der
       Staatsanwaltschaft vor, schleppend ermittelt zu haben und mit
       Samthandschuhen gegen die Polizei vorgegangen zu sein.
       
       ## Muss Mappus aussagen?
       
       Claudia Krauth von der Staatsanwaltschaft weist dies zurück. Die
       Ermittlungen seien langwierig gewesen, weil bisher keine Fälle in
       Zusammenhang mit Wasserwerfereinsätzen bekannt gewesen seien. „Das war
       Neuland: Wie funktioniert ein Wasserwerfer, wie viele Leute sitzen drin,
       wer ist wofür zuständig?“ Der zuständige Staatsanwalt habe sich dann auch
       grundsätzlich überlegen müssen, welche juristischen Vorwürfe man den
       Beteiligten machen könne. Ein Präzedenzfall also.
       
       Ermittelt habe man zweieinhalb Jahre, Anklage dann im März 2013 erhoben.
       Dass dann noch gut ein Jahr bis zur Verhandlung verging, lag vermutlich an
       der Überlastung des Landgerichts. Spekuliert wurde im Vorfeld auch darüber,
       ob der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) als Zeuge aussagen
       muss. Noch steht er einem Gerichtssprecher zufolge aber nicht auf der Liste
       der mehr als 30 geladenen Zeugen.
       
       Die 100 Plätze im Gerichtssaal dürften lange vor 9 Uhr alle besetzt sein.
       Die Strafkammer hat die Durchsuchung aller Besucher angeordnet. „Wir sehen
       kein großes Gefahrenpotenzial, aber man kann mit vielen Dingen den Prozess
       stören“, sagt der Sprecher des Landgerichts, Florian Bollacher.
       
       23 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lena Müssigmann
       
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