# taz.de -- Der deutsche Held Schumacher: Auferstehung des Siegers
       
       > Michael Schumacher liegt im Koma, die Medien drehen durch. Denn wir
       > lieben ihn, den systemkonformen Helden, der Leistung zeigt und die Klappe
       > hält.
       
 (IMG) Bild: Michael Schumacher, vom Kreisfahrer zum Helden.
       
       So einfach ist es: Rennfahrer Michael Schumacher verunglückt beim Skifahren
       lebensgefährlich und die Medien sind nicht zu halten. Berichterstattung auf
       Speed, mit 300 Sachen gegen Vernunft und Anstand. Die Masse an
       internationalen Journalisten behindert den Klinikablauf, ein Kollege kommt
       auf die Idee, sich als Priester verkleidet einschleichen zu wollen.
       
       Der Gedanke, dass Schumacher das Pech hatte, in einer nachrichtenarmen Zeit
       zu verunglücken, trifft es nicht. Der 45-Jährige hatte das Pech, in einer
       heldenarmen Zeit mit dem Kopf auf einen Stein zu schlagen. Einer Zeit, die
       nicht viele Personen hervorbringt, deren Fähigkeit und Handeln beeindrucken
       oder die zum Vorbild taugen. Und so ersteht mit dem verletzten Michael
       Schumacher, einem zuletzt erfolglos vor sich hin kreisenden Rennrentner,
       einem Mann, für den der Rennzirkus nach seinem „Comeback“ zum Gnadenzirkus
       wurde, das Heldenbild des Siegers wieder auf. Ein Heldenbild, für das auch
       das Ausland uns liebt.
       
       Denn Michael Schumacher ist nicht für sein Denken bekannt, für Innovation
       oder seine schöpferische Kraft. Er hat der Welt in seiner großen Zeit keine
       zukunftsweisende Perspektive geboten, er hat kein helfendes Medikament
       erfunden oder sie mit Kunst bereichert. Nein, er hat etwas bedient, auf das
       Männer abfahren, weltweit: Er hat die kompensatorische Kraft von Motoren
       vorgeführt.
       
       Er ist, stellvertretend für die Männer dieser Welt, sehr schnell im Kreis
       gefahren. Er hat bewiesen, dass ein wildes Tier beherrschbar ist. Er hat
       vorgeführt, wie laut ein Motor brummen kann, wie hell die Reifen quietschen
       und wie dunkel sie qualmen können. Er hat stellvertretend für die Männer
       dieser Welt, die größten, wildesten und unbeugsamsten Motorenmonster
       geritten. Und er hat gesiegt. Immer und immer wieder.
       
       Da ist es egal, aus welchem Land einer kommt, so etwas erkennen Männer an.
       Das finden sie geil. Das macht sie geil. Und gleichzeitig ist es nicht
       egal, aus welchem Land so einer kommt. Dass er aus Deutschland kommt, dem
       lange Zeit vielerorts so verhassten Land, macht es noch ein wenig geiler.
       
       Das ist so, wie Faszination am Zweiten Weltkrieg und am Faschismus nicht
       abbricht und unter dem Deckmantel von „historischer Aufarbeitung“ die Guido
       Knopps dieser Welt ihre als Abscheu getarnte Leidenschaft ausleben.
       Strategie und technische Überlegenheit genießen hohes Ansehen. Egal, ob im
       Krieg oder im Motorsport. Es geht um den Kampf und um den Sieg. Ist
       letzterer „verdient“, ist das Ansehen groß.
       
       ## So viel Verlässlichkeit
       
       Auch die Deutschen lieben Helden wie Michael Schumacher. Denn sie machen es
       ihnen leicht. Keine großen Worte, keine Zweifel an irgendwas, kein
       Widerspruch. Außer vielleicht am Steuersystem. Vor allem Sportler sind für
       dieses Heldenbild bestens geeignet. Leistung zeigen, Klappe halten. Und am
       besten heiraten und Kinder kriegen.
       
       Michael Schumacher ist das Leitbild für den systemkonformen Heroen. Und die
       Medien haben sich damit abgefunden, dass bei ihm nichts zu holen ist. Kein
       Fremdschwängern, kein Bunga-Bunga. Also befeuern sie das biedere Bild des
       guten Menschen und tun so, als freuten sie sich über so viel
       Verlässlichkeit.
       
       Und nun das: Ein Unfall und das Leben am seidenen Faden. Für die
       Schwarz-Weiß-Macher-Medien mit ihrer Liebe zu Kampf und Kämpfer ist das
       High Noon. Fragt sich, wie es nach einem hoffentlichen Überleben weiter
       geht. Mit einem Weltmeister, der eventuell bleibende Schäden davon trägt
       und wohlmöglich von nun an die Verwundbarkeit verkörpern wird. Es wäre
       interessant zu sehen, wie die Medien – stellvertretend für Michael
       Schumachers Bewunderer – mit dieser Schwäche umgehen.
       
       2 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Burmester
       
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