# taz.de -- Samen in Gefahr: UN rügt Rassismus in Schweden
       
       > Stockholm soll seine Pläne für eine Nickelgrube stoppen, monieren
       > Menschenrechtler. Die Lebensgrundlage für eine Minderheit sei gefährdet.
       
 (IMG) Bild: Lebensgrundlage Rentier: So leben einige Samen in Lappland.
       
       STOCKHOLM taz | Das Schreiben aus Genf ist eine Seite lang – und
       historisch. Erstmals fordert das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte
       eine Regierung auf, die Pläne für ein spezifisches Grubenprojekt zu
       stoppen. Weil dessen Konsequenzen einen so schweren Eingriff in die
       Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung bedeuten könnten, dass dies
       womöglich einen Verstoß gegen die Antirassismuskonvention darstellt,
       konkret Artikel 14 des „Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von
       Rassendiskriminierung“.
       
       Das Stoppsignal aus Genf ist äußerst peinlich für die Regierung in
       Stockholm. Sie hatte die Konzession für die Nickelgrube mit drei Tagebauen
       nahe Tärnaby im südlichen Lappland ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für
       die dort lebenden Samen erteilen wollen. Das Genehmigungsverfahren hatte
       sich auf rein ökonomische Abwägungen konzentriert.
       
       Ergebnis: Eine Nickelgrube sei für die Wirtschaft des Landes wichtiger als
       die Rentierzucht der Samen. Dass an den Rentieren die Lebensgrundlage der
       Samen hängt, hatte niemand bedacht. Dabei wurden die in Schweden lebenden
       rund 15.000 Samen von Stockholm bereits 1977 als indigenes Volk anerkannt.
       
       Von einem „Übergriff in grundlegende Menschenrechte“ spricht Mattias Åhrén,
       der Vorsitzende der Menschenrechtsabteilung des „Samerådet“, einer
       Organisation der samischen Bevölkerung in Schweden, Norwegen, Finnland und
       Russland. Der „Samen-Rat“ hatte Schweden gemeinsam mit der direkt
       betroffenen Verwaltungseinheit, dem „Vapstens Sameby“, wegen des
       Menschenrechtsverstoßes vor der UN verklagt.
       
       ## „Mangel an Respekt“
       
       „Es ist toll, dass uns die UN-Kommission ernst nimmt. Auch wenn das noch
       keine endgültige Entscheidung ist, verschafft sie uns eine vorübergehende
       Atempause“, freut sich Marie Persson. Sie wohnt in Tärnaby, ist Abgeordnete
       im Samen-Parlament, kämpft seit Jahren gegen die Grubenpläne und findet es
       „enorm kränkend, dass der Staat glaubt, traditionelles Samen-Gebiet einfach
       an einige Risikokapitalgeber verschenken zu können“. Dies stelle einen
       „Mangel an Respekt vor den Rechten der Ursprungsvölker“ dar. Sie findet es
       aber tragisch, dass es erst völkerrechtlicher Einwände bedurfte, um
       Schwedens Grubenpolitik infrage zu stellen.
       
       Wahrscheinlich wird die Regierung in Stockholm sich dem UN-Votum beugen –
       auch wenn sie vorerst noch keinen Kommentar abgeben wollte. Dagegen betonte
       der betroffene schwedische Rohstoffkonzern Nickel Mountain Resources, die
       Vorbereitungen würden fortgesetzt.
       
       Die schwedische „Mineralienstrategie“ sieht eine Verdoppelung der Gruben in
       Lappland bis 2020 vor. Deshalb werden Bergbaukonzerne mit großzügigen
       Genehmigungen und minimalen Konzessionsabgaben angelockt. Die Folgen dieser
       Politik beschreibt eine Erklärung der Samen-Parlamentspartei Min Geaidnu
       so: Sámpi, das Samenland, „unsere viele tausend Jahre alte Geschichte,
       unser Leben in Übereinstimmung mit der Natur, unsere Zukunft verschwindet
       in Grubenlöchern, vergiftetem Boden und vergiftetem Wasser“.
       
       10 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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