# taz.de -- Verschwörungstheorien um Gezi-Urteil: Die Polizei war doch schon weg
       
       > Nach der Entscheidung des Istanbuler Verwaltungsgerichts machen
       > Verschwörungstheorien die Runde. Warum wurde der Beschluss vom 6. Juni
       > erst jetzt publik?
       
 (IMG) Bild: Gekaperter Bagger am Gezipark: Bereits eine Woche nach Beginn der Proteste wurde die Bebauung untersagt.
       
       BERLIN taz | Bislang war es Ministerpräsident [1][Recep Tayyip Erdogan] und
       den [2][Seinigen] vorbehalten, Verschwörungstheorien über vermeintliche
       Hintermänner für die Gezipark-Proteste zu verbreiten: Mal waren mysteriöse
       „ausländischen Kräfte“ für den Aufstand verantwortlich, mal war es die
       „Zinslobby“, internationale Medien oder die Putschistengruppe Ergenekon.
       Zuletzt erkannte der stellvertretende Regierungschef Besir Atalay in der
       „jüdischen Diaspora“ die Hintermänner des Aufstands.
       
       Nachdem das Erste Istanbuler Verwaltungsgericht am Mittwoch auf Antrag der
       Architektenkammer den Bebauungsplan für den Gezipark [3][//:gekippt hat],
       machen nun auch unter Kritikern der Regierung Verschwörungstheorien die
       Runde. Der Grund: Das Urteil wurde am 6. Juni gefällt, also eine Woche nach
       Beginn der Proteste.
       
       Diese hatten sich am Plan der Regierung entzündet, anstelle des Parks im
       Zentrum Istanbuls ein Einkaufszentrum mit der originalgetreuen Fassade
       einer osmanischen Kaserne bauen zu lassen. Bald waren sie zu einem
       landesweiten Aufstand gegen Erdogan und seinen autoritären Regierungsstil
       angewachsen.
       
       Nun fragen viele Regierungsgegner: Warum hat das Gericht seine Entscheidung
       so lange zurückgehalten? Zum Zeitpunkt des Urteils hatte sich die Polizei
       weiträumig aus dem Stadtzentrum Istanbuls zurückgezogen. Erst am 11. Juni
       stürmten Polizeikräfte den Taksimplatz und entfernten die Barrikaden. In
       der Nacht vom 15. auf den 16. Juni räumte die Polizei auch das Zeltlager im
       Gezipark mit Reizgas, Wasserwerfern und Gummigeschossen.
       
       ## Der Protest geht weiter
       
       Mit einer sehr eigenwilligen Auslegung rechtsstaatlicher Prinzipien hatte
       Erdogan einige Tage zuvor bekannt gegeben, dass seine Regierung das
       Gerichtsverfahren abwarten würde. Allerdings hatten bereits am 27. Mai die
       Abrissarbeiten im Park begonnen. Erst daraufhin versammelten sich dort die
       ersten Demonstranten.
       
       Der Tageszeitung [4][Hürriyet] zufolge begründete das Gericht sein Urteil
       unter anderem damit, dass bei der Erstellung der Baupläne die Verwaltung
       des Stadtbezirks Beyoglu und die Denkmalschutzbehörde ebenso wenig angehört
       worden seien wie Anwohner, Gewerbetreibende und Bürgerinitiativen.
       
       Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Die Regierung kann innerhalb von
       vier Wochen Widerspruch einlegen. Und ein Ende der Protestbewegung scheint
       das Urteil nicht zu bedeuten. Die Entscheidung des Gerichts zeige, dass der
       Kampf der Demonstranten gerechtfertigt gewesen sei, teilte das
       Protestbündnis [5][„Taksim-Solidarität“] am Mittwochabend mit. Das Bündnis
       werde sein Engagement fortsetzen.
       
       Denn längst geht es um mehr. Und nach der Räumung des Geziparks hat sich
       die Bewegung auf die „Park-Foren“ verlagert. Im Abbasağa-Park im Istanbuler
       Stadtteil Beşiktaş, von wo aus diese neue Bewegung ihren Ausgang nahm,
       diskutierte man zuletzt schon über andere Themen: Kurdenfrage, sexuelle
       Belästigung in Polizeigewahrsam und [6][Kriegsdienstverweigerung], die in
       der Türkei rechtlich nicht vorgesehen ist.
       
       4 Jul 2013
       
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